«Für viele ist es wahrscheinlich eine Überraschung – für Sie nicht, weil Sie das Gras wachsen hören», scherzte Bundesrat Ueli Maurer am 30. September vor den Medien in Bern. Es gebe kein bestimmtes Ereignis, das ihn zum Rücktritt per Ende 2022 bewogen habe. «In den letzten anderthalb Jahren habe ich gespürt, dass ich noch viel Energie für etwas anderes habe», meinte der 72-Jährige. Auch wenn ihm die Arbeit als Bundesrat gefallen habe.

Viele Projekte als der «normale Ueli»

Maurer freut sich auf die Zeit als Alt-Bundesrat, wobei er sich wünsche, ein Stück seiner alten Identität zurückzugewinnen und wieder der «normale Ueli» zu sein. Als solcher ist er in seiner Heimatgemeinde laut Medienberichten aus der Zeit seines Amtsantritts 2008 als pragmatisch, umgänglich und liebevoller Vater bekannt. Im Vergleich zu vergangenen Medienkonferenzen, in denen er in seiner Rolle als Finanzminister auftrat, lebt er richtiggehend auf: «Ich bin von Natur aus neugierig und es gibt so viel, was ich noch wissen möchte, was noch genauer anschauen oder selbst tun möchte.»

Der Landwirtschaft immer eng verbunden

Der abtretende Finanzminister ist in Hinwil als «Sohn des Ulrich Maurer, Bauer, und Annemarie Knecht» aufgewachsen, wie es im Archiv für Agrargeschichte heisst. Dort gibt es mit gutem Grund einen Eintrag für Ueli Maurer, denn er war in verschiedenen Funktionen in der Schweizer Landwirtschaft tätig: Als Präsident des Verbands Schweizerischer Gemüseproduzenten, als Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbands, Präsident des Dachverbands Schweizer Maschinen- und Betriebshelferringe und als Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Hinwil-Bauma. «Ueli Maurer kommt aus der Landwirtschaft und ist ihr immer eng verbunden geblieben», sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV) auf Anfrage der BauernZeitung. Er habe ein vertieftes Wissen über die Landwirtschaft, ihre Produktion und die verschiedenen agrarpolitischen Zusammenhänge. «Er ist einer von uns», bringt es Ritter auf den Punkt.

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«Wir werden ihn als Bundesrat vermissen»

SBV-Präsident Markus Ritter zum Rücktritt des SVP-Bundesrats.

Zeigen, was Menschen aus einfachen Verhältnissen können

Markus Ritter sieht es als grosse Ehre und auch Freude, dass Ueli Maurer Einsitz nehmen konnte im höchsten Exekutivgremium der Schweiz. «Mit seiner seriösen Arbeit, gerade als Finanzminister hat er auch gezeigt, wozu Menschen aus einfachen Verhältnissen, die in der Landwirtschaft gross geworden sind, fähig sein können», findet der SBV-Präsident. Er habe Maurer als Bauernsohn wahrgenommen, der eine politische Aufgabe von grosser Bedeutung erfüllt hat. Dabei sei seine Volksnähe sprichwörtlich gewesen und er habe gerne den Dialog mit Bäuerinnen und Bauern gesucht. «Er ist in seiner Art immer bescheiden und nahbar geblieben. Wir werden ihn als Bundesrat vermissen.»

«Ich bin alt geworden – oder Sie links»

Vielleicht ist der Bauernsohn nie wirklich zum Städter geworden, auch wenn er 14 Jahre lang als Bundesrat in Bern arbeitete. Wie er in seinem Rücktrittsgespräch vor den Journalist(innen) erklärte, hat er an der heutigen Medienlandschaft nicht wirklich Freude: «Wenn ich am Morgen die 6-Uhr-Nachrichten höre, muss ich nach drei Minuten abstellen – das ist einfach nicht die Welt, in der ich lebe». Daran merke er, dass er entweder alt geworden sei, oder aber die Medien linker.

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Ein Faible für Braunvieh und Milchprodukte

Zwar hat Maurer eine kaufmännische Lehre abgeschlossen, an seiner Verbundenheit zur Landwirtschaft liess er aber auch in seiner Polit-Karriere nie Zweifel aufkommen. 2016 erklärte der Zürcher gegenüber der BauernZeitung, er würde sich wenn, dann einen Milchwirtschaftsbetrieb wünschen, «weil ich gerne Kühe habe und gerne viel melken würde». Allgemein brachte er seine Wertschätzung für vielfältige Milchprodukte zum Ausdruck. Als Käse, Joghurt oder frisch – der Bundesrat wusste das weisse Gold stets zu schätzen und gönnte sich z. B. ein Glas an der Olma in St. Gallen, wo er 2016 als Ehrengast eingeladen war, oder anlässlich der Lancierung des Grünen Teppichs 2019.

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Seine Liebe zu Kühen wurde auch in der Eröffnungsrede an besagter Olma deutlich. Damals sorgte seine Aussage für Erheiterung, er habe in jungen Jahren potentiellen Freundinnen geschmeichelt, indem er ihnen sagte, sie hätten Augen wie eine Kuh. Irgendwann muss das erfolgreich gewesen sein, schliesslich ist Ueli Maurer seit 1976 mit Anne-Claude Peter verheiratet und Vater von sechs Kindern.

«Du hast Augen wie eine Kuh»

Ueli Maurer als Jugendlicher zu potentiellen Freundinnen

Lieber Tolstoi als Tagesanzeiger

Kistenweise Bücher habe er in den letzten Jahren gekauft, die er jetzt dann lesen wolle, sagte Maurer an seiner Rücktritts-Medienkonferenz mit sichtlicher Vorfreude. Kürzlich hat der SVP-Politiker nach eigenen Angaben «mal wieder» «Krieg und Frieden» von Tolstoi gelesen. «Das bringt mir persönlich mehr als Ihre Produkte», wandte er sich an die Medienvertreter. Man lebe sowieso zu stark im Alltagstrott und kenne die Geschichte nicht mehr.

Sport und Bücher, und vielleicht wieder etwas mehr Kontakt zu Kühen – so könnte man sich also die Zeit von Ueli Maurer als Alt-Bundesrat und «normalen Ueli» vorstellen. In die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin, die voraussichtlich in der kommenden Wintersession Thema sein wird, will er sich jedenfalls nicht einmischen.

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