«Ich finde, dass die Landschaft hier generell viel gepflegter ist als bei uns», sagt Arno Molter. Ob die Bauern das noch machen würden, weil sie dafür Geld bekämen oder weil sie das so gelernt hätten, könne er nicht beurteilen, sagt der Biolandwirt aus dem deutschen Bundesland Hessen. Obschon die deutsche Landwirtschaft jeden Tag 50 ha Land verliere, werde nicht jeder Quadratmeter genutzt.

Länderprogramme – analog BFF – sind freiwillig

Vergleichbar mit den Biodiversitätsförderflächen der Schweiz gibt es im Bereich des Grünlandes sogenannte Länderprogramme, die zum Beispiel einen späteren Schnittzeitpunkt vorgeben. Im Unterschied zur Schweiz gibt es für solche Auflagen aber keine Mindestfläche pro Betrieb – die Länderprogramme sind freiwillig, bringen aber Geld.

Im Ackerbau kommt es zudem zu einer gewollten Stilllegung von Flächen, sogenannte «aus der Produktion genommene Flächen». Gefragt danach, was auf diesen Flächen wächst, sagt Arno Molter: «irgendwas».

Die deutsche Tierhaltung scheint am Boden

Auch wenn der Ackerbau in Deutschland leide – noch schlechter stehe es um die Tiere: «Das Verständnis für Tierhaltung fehlt der Bevölkerung zunehmend und bald auch weitgehend», weiss der Biolandwirt. «Man muss schon ein gutes Stück verrückt sein, um das überhaupt zu machen» ist er sicher.

Arno Molter ist mit seiner Lebenspartnerin an den Galloway-Weltkongress in Bern gereist. Er ist Erster Vorsitzender (Präsident) des deutschen Bundesverbandes. Die Gespräche, die er hier führt, und die Eindrücke, die er hier in der Schweiz gewinnt, lassen ihn eine Aussage mehrfach wiederholen: «Tragt Sorge zu eurem Land.»

Junge wollen lieber in Richtung Ackerbau

In der deutschen Tierhaltung mangelt es an Nachwuchs. Molter ist 69; würde seine Generation nicht mehr bauern, wäre die deutsche Tierhaltung am Boden, meint er. Ackerbaubetriebe seien interessanter für die Jungen, weil diese sehr affin für Maschinen seien. Dazu trage aber auch die links-grüne Regierung bei, die Molter «eine Katastrophe» nennt. Die tierische Produktion werde ausgelagert. «In China bauen sie Schweinemastbetriebe mit 50 Stockwerken. Wir essen also chinesische Schweine, die im 48. Stock gemästet wurden. Wollen wir das wirklich?», fragt Molter nachdenklich.

Bio bis zur Schlachtbank

Das Fleisch, das Arno Molter und Bettina Baur aus ihrer 90-köpfigen Galloway-Herde produzieren, ist definitiv anders als chinesische Stockwerkschweine. Bis zur Schlachtung seien die extensiv gehaltenen Tiere bio. Vermarktet wird das Fleisch dann aber über den konventionellen Direktvermarktungskanal. Der Grund dafür ist in den kaum erfüllbaren Auflagen und im hohen Bürokratieanfall zu finden. «Das tun wir uns nicht mehr an», sagt Bettina Baur. Eigentlich wollte ihr Partner das Fleisch gar nicht direkt vermarkten. «Ich bin Bauer, ich wollte nicht Metzger und Fleischverkäufer werden. Aber das ging einfach nicht anders, weil diese Tiere anfänglich niemand wollte.» [IMG 3]

Vermarktung läuft europaweit

Noch dienen alle weiblichen Rinder von seinem Betrieb der Zucht. Vermarktet wird europaweit – letzten Sommer fuhren die beiden beispielsweise mit neun Tieren nach Südfrankreich.

Arno Molter schaut in Sachen Vermarktung von Rindern gerne ostwärts. Dort war Russland bisher ein interessanter Markt. Der sei nun aufgrund des Krieges auf unbekannte Zeit weggebrochen. Die Transporte in den Osten sieht Molter im Bereich der Vermarktung als grosse Herausforderung. Wenn es auf solchen Transporten durch den Tierschutz etwas zu beanstanden gebe, leide der Ruf der Rasse. «Wir müssen sicherstellen, dass die Transportqualität stimmt», benennt Molter den Mehraufwand.

«Wenn 1000 Milchkühe nicht reichen, dann geht es auch nicht mit mehr.»

Arno Molter, Präsident der deutschen Galloway-Züchter

Arno Molter und Bettina Baur bewirtschaften mit einem Nachbarn 100 ha Land. Der Biolandwirt nennt den Hof einen typischen Nebenerwerbsbetrieb. Aber allein von der Landwirtschaft leben könnten auch viele grössere Betriebe nicht. «Wenn sie 1000 Kühe haben, geht es manchmal nicht mehr. Aber es nützt dann übrigens auch nichts, noch um 300 aufzustocken» ist er sicher. «Wenn 1000 nicht reichen, geht es auch mit mehr nicht», bilanziert er.

Die Dörfer sterben langsam aus

[IMG 2]Einher mit der leidenden Produktion geht auch das Dörfersterben. So stünden in Hessen in vielen Ortschaften Häuser leer. Höfe, wo vor kurzer Zeit noch eine alte Bäuerin allein lebte. Irgendwann würden diese Gebäude dann von Städtern mit zwei bis drei Hunden aufgekauft. «Und diese Hunde geniessen den Auslauf dann überallhin», moniert der Bauer zähneknirschend.

Die Bevölkerung, aber auch die Behörden setzen den deutschen Kollegen massiv zu. Auch in Sachen Kontrolle scheint der nördliche Nachbar eine harte Linie zu fahren. «Alle fünf Tage werden vom Hof Satellitenbilder zur Überwachung gemacht», erklärt Arno Molter. Zudem sei der Bürokratieaufwand kaum mehr zu bewältigen. «Ich schaffe es nicht mehr, mich intensiv mit den Auflagen zu beschäftigen», sagt der Meisterlandwirt, der selbst über viele Jahre als Kontrolleur in der Veterinärbehörde tätig war.

«Ihr macht das noch gut hier», sagt Arno Molter. Er rät den Schweizer Kollegen aber auch zur Intensivierung der Kommunikation. «Auch ihr müsst die Jungen fit machen für das, was da kommt. Auch wenn wir manchmal müde sind, wir müssen die Landwirtschaft zeigen und erklären – einen anderen Weg gibt es nicht.»

Ein Rassenbeschrieb: Die Rasse Galloway kommt aus Schottland und ist eine der ältesten Rassen der britischen Inseln. Den Namen gab ihr die Grafschaft Galloway, die südöstlich von Glasgow liegt.

Nach Deutschland brachte die Rasse der Hesse Helmuth Schornstein, der diese 1973 an der Sima in Paris (F) entdeckte. Sehr rasch erlebte die Rasse in Deutschland einen Boom. «Die Galloways wurden aber nicht von Bauern eingeführt, sondern von Industriellen – denn sie waren teuer», weiss Arno Molter. Doch dann kam BSE. Der Markt brach zusammen. In der Folge blieben der Rasse nur noch jene treu, die sie auch wirklich liebten und schliesslich auch vermarkten wollten.

Arno Molter kaufte 1987 die ersten Galloway-Tiere. In der Region, in der er lebt, wurden zu jener Zeit immer mehr Grenzertragsflächen aufgegeben. Deren Beweidung und die dadurch verbundene Offenhaltung mit Galloways erachtete der Biolandwirt als sinnvoll. Doch diese Vorreiterrolle brachte ihm auch Gegenwind ein. Jäger und Förster fühlten sich ob der Zäune eingeschränkt. Zudem bekämpften die Behörden damals vehement die ganzjährige Freilandhaltung. «Vielen fehlte das Verständnis, dass diese Tiere sich auch im Winter draussen aufhalten konnten und sich gar wohl fühlten dabei», sagt Molter.

Galloways haben eine doppelte Haarpracht, was sie gegen die Wetterbedingungen äusserst robust macht. So verfügen sie über ein kurzes Unterhaar und ein langes Oberfell. Stiere wiegen rund 900 kg und Kühe zwischen 600 und 700 kg. Im Alter von zwei Jahren wird gedeckt. Die künstliche Besamung ist wenig verbreitet, meist werden die Kühe und Rinder im Natursprung belegt. Die Rasse ist langlebig. Nicht selten haben die Kühe 10 bis 15 Nachkommen. Die Galloways gibt es in vierzehn Farbvariationen, die häufigste Farbe ist Schwarz.