«Seit ich Brot aus Urgetreide esse, habe ich keine Verdauungsprobleme mehr.» Diese Aussage hört man immer mal wieder. Doch woran liegt es, dass Emmer, Dinkel oder Khorasan als bekömmlicher wahrgenommen werden als Weizen?

Als Grund für das Unwohlsein steht oft das Klebereiweiss in Verdacht, das Gluten, das bei Zöliakiepatienten Entzündungen in der Darmschleimhaut auslöst. Doch so einfach ist es nicht.

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Urgetreide enthalten genauso Gluten wie Weizen. Ohne Klebereiweiss ergäben sich höchstens Fladenbrote. Wer aber an einer diagnostizierten Glutenintoleranz leidet, muss auf glutenhaltige Getreidesorten verzichten und auf glutenfreie Mehle wie Buchweizen oder Reismehl ausweichen.

Genügend Teigruhe hilft

Bei allen anderen liegt der Grund von Beschwerden nach dem Brotkonsum oft in der Verarbeitung. Lässt man dem Brotteig zu wenig Teigruhe, gelangen unvollständig aufgespaltene Ketten von Kohlenhydraten in den Dickdarm. Dort vergären diese sogenannten «FODMAPs» und verursachen Beschwerden.

Die Abkürzung FODMAP steht für «fermentable oligo-, dimonosaccharides and polyols». Oder etwas einfacher: vergärbare Mehrfachzucker, Einfachzucker und Zuckeralkohole. Eine Studie der Universität Hohenheim zeigte allerdings, dass sich Weizen, Dinkel, Emmer oder Einkorn im FODMAP-Gehalt kaum unterscheiden.

Getreide mit Vorzügen

Auch wenn alte Getreide also nicht das Allerweltsmittel gegen Unwohlsein sind, haben sie dennoch viele Vorzüge. Vor allem bringen sie neue Geschmackserfahrungen.

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So zeichnet sich das Einkorn mit seiner gelblich-orangen Krume mit nussig-lieblichem Aroma aus. Dazu weisen sie zum Teil höhere Gehalte an Proteinen, Mineralstoffen, Vitaminen und Nahrungsfasern auf. Das auch, weil das ganze Korn vermahlen wird. Einen Ausmahlungsgrad von 50 bis 60 Prozent, wie beim Weissmehl, leistet sich kaum jemand bei diesen Spezialmehlen.

Wie ein Luftballon mit Löchern

Beim Brotbacken stellen sie erhöhte Anforderungen. Andreas Dossenbach, Bäckermeister in Engelberg, kennt sich mit alten Sorten aus: «Die Eiweissstränge sind oft wenig stabil. Es ist wie ein Luftballon mit Löchern, das CO2 kann entweichen. Es entsteht ein kompaktes Brot, das schnell austrocknet.»

Der Fachmann erklärt es am Beispiel Dinkel. «Da diese Stärke mehr verkleistert als bei anderen Getreidearten, neigt der Teig zu Trockenheit; ein Dinkelzopf wird gar ‹strohig›.» Damit dies nicht geschieht, bereitet er am Vortag ein sogenanntes «Brühstück» zu: Er nimmt ⅓ des Mehles und verrührt es mit der 1,5-fachen Menge kochendem Wasser. Dadurch findet eine Vorverkleisterung statt, das Wasser ist beim Backen frei.

Im Kühlschrank ruhen lassen

Das ausgekühlte Brühstück wird zwölf Stunden in den Kühlschrank gestellt, danach mit den restlichen Zutaten verarbeitet. Mischt er ganze Körner unter den Teig (rund 10 Prozent der gesamten Mehlmenge), kocht er sie am Vortag mit der doppelten Wassermenge so lange, bis alle Flüssigkeit aufgenommen wurde.

Weil der Teig bei der Verarbeitung eher nass sein soll, braucht es Fingerspitzengefühl, wie der Fachmann erklärt: «Solche Teige dürfen nicht zu stark geknetet werden. Es ist eher ein Mischen, damit das Eiweissgerüst nicht zu stark belastet wird.» So entsteht ein knuspriges, aromatisches Brot, das dank der Feuchtigkeit lange haltbar ist.

Alte Getreidesorten

Was unter «Urgetreide» verstanden wird, ist nicht definiert. Die ursprünglichen Getreidepflanzen waren allesamt Steppengräser. Durch Kreuzungen entstanden ackertaugliche Kulturpflanzen.

  • Einkorn: Dank hohem Anteil an Betacarotin leicht gelbliche Färbung des Mehls und der Gebäckkrume. Nussiger Geschmack.
  • Emmer (Zweikorn): Dunkle Färbung, würziger Geschmack. Gute Quelle für Proteine, Mineralstoffe und Betacarotin. Geringerer Anteil an Gluten. Eventuell mit Dinkelmehl mischen, damit das Backresultat gelingt.
  • Urdinkel: Eine nicht mit Weizen eingekreuzte, geschützte Marke. Enthält einen höheren Anteil an hochwertigen Aminosäuren, Mineralstoffe, Vitamine und Kieselsäure. Ideale Fettsäurezusammensetzung.
  • Waldstaudenroggen: Erdiger, leicht würziger Geschmack, der sich beim Backen intensiviert. Reich an Nahrungsfasern, Proteinen, Spurenelementen und B-Vitaminen.
  • Khorasan (geschützter Name: Kamut): Mehr Proteine als Weizen, das grosse Korn hat einen nussigen Geschmack.

Glutenfrei backen

Wer an einer diagnostizierten Glutenintoleranz oder -sensitivität leidet, muss auf glutenhaltige Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste oder Dinkel verzichten. Ohne Gluten fehlt aber Backwaren das Klebereiweiss, wie Gluten auch genannt wird. Denn es sorgt für die Bindung und die Elastizität im Teig.

Glutenfrei backen braucht daher Fingerspitzengefühl, damit das Gebäck nicht trocken, strohig und brüchig wird. Wer nicht auf glutenfreie Mehlmischungen aus dem Handel zurückgreifen will, kann es selber versuchen:

- Zwei Teile glutenfreies Mehl (Buchweizen, Hirse, Kichererbsen, Mais, Quinoa oder Reis) mit einem Teil Stärkemehl (Kartoffel, Mais, Mandel, Soja, Tapioka) mischen.
- Dazu etwas Bindemittel wie Flohsamenschalen-, Guarkern- oder Johannisbrotkernmehl sowie Hefe oder Backpulver und Flüssigkeit.
- Den Teig nicht zu stark kneten. Er sollte eher zu feucht als trocken sein und etwas heisser und dafür kürzer backen als herkömmliche Brote.

Barbara Steffen, gelernte Diätköchin, führt in Hünibach eine glutenfreie Bäckerei. Rund 90 Versuche hat sie gebraucht, bis sie mit ihrem Sonntagszopf zufrieden war. Er besteht aus 18 Zutaten.

Die IG Zöliakie der Deutschen Schweiz bietet für Mitglieder Kurse für Backen ohne Gluten an.