Der blühende Lein mutet im Juni wie ein Sommernachtstraum in Blau an. Die zarten Blüten sind ein beliebtes Fotomotiv und absoluter Anziehungspunkt für Passanten - sie sorgen für ein tolles Bild der Schweizer Landwirtschaft. In der Schweiz werden laut Agristat rund 200 Hektaren angebaut, davon 119 ha Bio, die zumeist zu Öl gepresst werden. Leinsamen besetzen eine absolute Nische. Sie erlebt jedoch ein Comeback, wenn auch nicht im grossen Masse. Simon van der Veer bewirtschaftet im Seeland einen Ackerbau-Gemüsebetrieb mit den Kulturen Rüebli, Zwiebel, Süss- und Frühkartoffeln, Kürbis und Nackthafer.
Vermarktung als Betriebszweig aufgebaut
2010 säte van der Veer erstmals auf 50 Aren (5000 m²) Lein aus. «Seitdem haben wir viel gelernt – vor allem beim Ernteverfahren und, man glaubt es kaum, den Zertifizierungsvorgaben», sagt er.[IMG 2]
Aus dem Internet holte sich van der Veer damals die ersten Ideen und Erkenntnisse. Vor allem die französischen Anbauempfehlungen halfen zu Beginn weiter. Van der Veer entwickelte den Betriebszweig weiter und baute die Vermarktung auf.
Die Testphase gehört der Vergangenheit an. Er selbst sät mittlerweile keinen Lein mehr aus, dafür koordiniert er die Warenströme und stimmt sich mit den Partnern ab. Was sich hier so leicht liest, ist Knochenarbeit und verlangt ein hohes Mass an Management. Van der Veer hat den Anspruch, die Koordination und Warenflüsse bis zum Endkunden nicht aus der Hand zu geben. Die Wertschöpfung des Produktes bleibt so innerhalb der Produktion.
«Anbau nicht so komplex»
Es wird ausnahmslos Sommerlein nach IP-Suisse-Richtlinien angebaut. So muss keine Warenflusstrennung erfolgen. Im März beziehungsweise April, je nach Wetterlage, wird gesät. Der Anbau sei nicht sehr kompliziert, sagt van der Veer. Mit der eigenen Mechanisierung seien Bodenbearbeitung, Saat, Pflanzenschutz und Düngung gut umzusetzen.
Die Saatmenge beträgt zirka 50 kg/ha. Die Pflanzendichte sollte rund 450 bis 500 Pflanzen je Quadratmeter betragen. Van der Veer beschreibt den Lein als eine dankbare Pflanze für den Boden. Er ist ein Tiefwurzler und hinterlässt eine gute Bodenstruktur. Allerdings muss das Saatbett sehr fein und flach vorgearbeitet werden.
Gerade im Auflaufstadium (der Phase, in der die Pflanze an der Oberfläche sichtbar wird) ist die Kultur gegenüber Unkraut wenig konkurrenzfähig. In der Schweiz sind einige wenige Herbizide bewilligt. Im Normalfall erfolgt die Herbizidmassnahme in zwei Splits, damit die Kulturpflanze geschont und mit weniger Wirkstoffmenge gearbeitet werden kann.
In der Blühphase dürfen die Produzenten und Passanten sich am blauen Feld erfreuen. Der Lein bildet nach dem Abblühen Kapseln, die im August respektive in frühen Jahren bereits im Juli erntereif sind.
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Bandschwader-Mähwerk erstmalig im Einsatz
Das Ernteverfahren dagegen ist herausfordernd, weil das Kraut sehr zäh und faserig ist. Die Kapseln direkt zu dreschen ginge grundsätzlich. Jedoch zeigt die Erfahrung, dass sich die Stängel in der Haspel verhaken.
Ein ständiges Absteigen und Freirupfen ist die Folge. Die Bauern bevorzugen daher, das Erntegut erst zu mähen, um es dann im abgelegten Schwad zu dreschen. Das wiederum hat den Nachteil, dass Samen von der Maschine abgeschlagen werden können. Verluste bis zu 10 % oder sogar mehr sind die Folge.
In diesem Jahr starteten die Produzenten und Simon van der Veer einen Versuch gemeinsam mit dem Lohnunternehmer Thomas Schafer. Er investierte in ein Bandschwader-Mähwerk der kanadischen Firma Honey Bee. Die bernische Gurtner Technik importierte das Gerät. Es ist das Erste in der Schweiz.
Schafer investierte 90‘000 CHF und sammelt nun gemeinsam mit Landwirten in verschiedenen Kulturen erste Erfahrungen. Das Gerät gleicht einem Schneidwerk, wie man es vom Mähdrescher kennt. Schafer fährt beim Leinschneiden mit einer Geschwindigkeit von zirka 6 km/h. Die Pflanzen werden geschnitten, auf dem Band zu einem Schwad zusammengeführt und auf dem Boden abgelegt. Wir durften exklusiv den ersten Einsatz im Lein begleiten.
Weniger Verluste dank neuer Technik
Obst- und Ackerbauer Jörg Weber aus Gerolfingen (BE), der auf knapp 2 ha Lein anbaut, ist begeistert von der Technik. Gleich auf den ersten Blick stellte er fest, dass die Verluste geringer sind. Es liegen weniger abgeschlagene Kapseln am Boden. Grüne Beikräuter trocknen bei sonnigem Wetter schneller weg. Je nach Wetterlage kann nach einem bis drei Tagen die Kultur aus dem Schwad gedroschen werden.
Das Leinstroh bleibt auf dem Acker. Einer der Produzenten habe einen Versuch durchgeführt, das Leinstroh für die Einstreu zu nutzen, berichtet van der Veer. Das Material sei jedoch einfach zu zäh und somit ungeeignet. Ergo bleibt es auf dem Feld und verrottet über das Winterhalbjahr – optimal für die Bodenfruchtbarkeit.
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Reinigung – mehrere Arbeitsstufen
Die Erntemengen bewegen sich im Durchschnitt zwischen 1,0 und 2 t/ha. Van der Veer drittelt die Ernte, sodass die Menge jeweils von zirka 10 ha in Aarberg bei der Landi Seeland ankommt. Dort wird die Ernte grob gereinigt und, wenn nötig, auf 6% getrocknet.
Sobald die Ware vorgereinigt und getrocknet ist, geht es zum Unternehmen Zwicky nach Wigoltingen (TG). Dort wird der Leinsamen mit einem Farbausleser gereinigt. Die Sortex ist ein optischer Sortierer mit einer kleinen Grundfläche und einem Durchsatz von bis zu 6 t/h. Sie erkennt Farbfehler und Fremdmaterialien und sortiert diese aus.
Anschliessend wird ein Muster zum Labor geschickt für mikrobiologische Untersuchungen. Je nachdem wie das Wetter im Anbaujahr war, müssen weitere Behandlungsschritte durchgeführt werden, bevor die Leinsamen in 25-kg-Säcken wieder zu Simon van der Veer zurücktransportiert werden. Dort wird die Ware in einem Profilager mit entsprechender Temperatur und Feuchtigkeit eingestellt. Van der Veer vermarktet die Ware an Bäckereien, Mühlen für Mehlmischungen oder den Detailhandel. Simon van der Veers Ziel ist, dass die Wertschöpfung direkt bei den Produzenten bleibt. Deshalb will er den Prozess vom Anbau bis zum Verkauf selbst begleiten.
Blick in die Glaskugel
Wird sich die Fläche von Lein erhöhen? «Es kommt darauf an, ob der Vermarkter das Schweizerkreuz auslobt und der Konsument bereit ist, für die einheimische Ware den Mehrpreis zu bezahlen. Wenn nicht, dann muss er sich eben das billigere Produkt aus Osteuropa und Kanada kaufen.» Der Verbrauch von Leinsamen würde in der Schweiz einer Anbaufläche von 1000 ha entsprechen.
Fazit: Das A und O ist eine gut organisierte Vermarktung mit verlässlichen Partnern. Simon van der Veer erhält mittlerweile vermehrt Anfragen von Landwirten, die die Kultur gern anbauen möchten. Er sagt klar: «Erstens möchte ich die Zusammenarbeit mit den aktuellen Produzenten nicht gefährden. Zweitens muss sich die Ware vermarkten lassen. Dann stimmt für alle Beteiligten das Zusammenspiel aus Produktion, Verarbeitung und Vermarktung. »
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Hätten Sie's gewusst?
- Die landwirtschaftliche Nutzfläche in der Schweiz beträgt 1'481'657 Hektaren, wovon 27,47 % (entspricht zirka 407'068 ha) Ackerland sind. Der Lein wird zur Kategorie «Soja, übrige Ölsaaten» gezählt. Sie haben einen Anteil an der gesamten LN von nur 0,69 %. Der Einzelkulturbeitrag für Ölsaaten, wozu der Lein zählt, beträgt 700 CHF/ha.
- Lein – das Omega-3-Kraftpaket. Die Leinsamen schmecken leicht nussig und enthalten etwa 40 % Fett (Leinöl). An diesem hat die mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure einen Anteil von etwa 50%. Leinöl hat damit eine der höchsten Konzentrationen von Omega-3-Fettsäuren aller bekannten Pflanzenöle. Omega-3-Fettsäuren sind für die menschliche Gesundheit unverzichtbar. Die Samen helfen bei Verdauungsstörungen. Sie entfalten eine höhere Wirkung, wenn sie geschrotet sind.
- Lein wird auch Flachs genannt. Die Kultur wurde früher hauptsächlich zur Fasergewinnung angebaut.
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