«Eigentlich säe ich meinen Sommerhafer Ende Februar, doch heuer wird es wohl Ende März», kommentiert Erwin Corrodi, Biolandwirt aus Marthalen ZH die nasse Witterung. So wie Corrodi ergeht es momentan den meisten Landwirten. Die Frühjahrssaaten wären eigentlich in den Startlöchern, die Landwirte bereit für die Feldarbeiten, aber der Boden ist einfach zu nass.

Zuwarten beim Befahren der Böden

Wirft man einen Blick in das Internet, zum Beispiel auf die Website des Bodenmessnetzes, eines Verbundes an Messstationen, welches die Bodenfeuchtigkeit aufzeichnt, sieht man, dass die Karte rot ist. Rot heisst in diesem Fall, es herrschen zu nasse Bedingungen in den Böden. Steht man auf dem Acker, matscht es deutlich unter den Füssen und der Dreck bleibt an den Stiefeln kleben. An ein Befahren ist jetzt nicht mehr zu denken.

«In meinem Fall mache ich mir jetzt beim Hafer noch keine grossen Sorgen», so Corrodi über den verspäteten Saattermin. Seit 2019 baue er auf seinem rund 40 Hektaren grossen Betrieb Sommerhafer an, im Jahr 2020 habe er ebenfalls erst Ende März säen können. Der Grund sei gewesen, dass er vorher eine Winterfurche gemacht habe. Der Boden habe entsprechend lange gebraucht, um abzutrocknen.

«Geduld haben und zuwarten, bis der Boden genügend trocken ist», lautet Corrodis Empfehlung, denn etwas anderes bleibe einem ja nicht übrig.

Es wird viel mehr Sommergetreide gesät

AboAlexander Pulfer von der UFA Samen, Beat Guyer, Präsident der OSP, und Melanie Müller, Landwirtin und gelernte Kauffrau und Nachfolgerin von Alexander Pulfer (v. l. n. r.). Ostschweizer Saatgutproduzenten«Das Saatgetreide hat eine ausserordentliche Keimfähigkeit»Samstag, 9. März 2024 Verglichen mit einem normalen Jahr wurde deutlich mehr Sommergetreide nachgefragt. Grund war die nasse Witterung im Herbst. Diese habe für zahlreiche Betriebe eine Aussaat ab Mitte Oktober verunmöglicht. Bemerkt haben dies unter anderem auch die zahlreichen Vermehrungsorganisationen für Saatgut.

Eine davon, die Ostschweizer Saatgutproduzenten, hatte zum Beispiel eine fünf- bis sechsmal höhere Nachfrage nach Sommerweizen gegenüber einem Normaljahr.




 

Die Frühkartoffeln sind bis vier Wochen im Rückstand

Angespannter ist die Situation bei den Kartoffeln. «Wir sind bei den Frühkartoffeln etwa drei bis vier Wochen später als in durchschnittlichen Jahren», sagt Andreas Rüsch, Gesamtleiter Anbau Freiland bei der Rathgeb Bio AG, die aktuelle Lage.

Massnahmen nötigEs hat zu wenig Pflanzkartoffeln – und Importe helfen nichtDonnerstag, 18. Januar 2024Man habe zwar schon im Herbst geahnt, dass es im Frühling schwierig werde. Nun hat sich noch kein notwendiges, stabiles Wetterhoch gebildet. Dennoch gelte es laut Rüsch die Nerven zu behalten und abzuwarten, bis die Böden trocken sind. «Wenn du jetzt zu schnell und zu früh mit den Kartoffeln reingehst, kannst du Nachteile schlechter Bodenstruktur nicht mehr kompensieren. Die Böden sind einfach noch zu nass», ergänzt Rüsch. Einen kleinen Teil an Frühkartoffeln habe man dennoch bereits setzen können. Kurze Zeitfenster Mitte Februar und Anfang März haben dies ermöglicht. 

«Bei einigen Sorten mussten wir aber Abstriche machen und auf andere Sorten ausweichen», kommentiert Rüsch die knappe Verfügbarkeit vom Pflanzgut. Da man die Kartoffeln selber aufbereite und die Kunden beliefere, könne man auf andere fest- oder mehligkochende Sorten ausweichen.

Bei einigen Sorten mangelt es an Pflanzgut

Die international knappe Verfügbarkeitssituation zeige sich deutlich bei den Sortenversuchen. Die Firma Rathgeb beteilige sich auch an Versuchen der Branchenorganisation der Schweizer Kartoffel Swisspatat. Bei den neusten Versuchssorten sei die Verfügbarkeit an Pflanzgut stark eingeschränkt. Bei einem Drittel der Sorten habe man kein Saatgut erhalten.

Kompromisse beim Kaliber eingehen

Knapp gereicht hatte es für Hans Dübendorfer aus Frauenfeld TG. Dübendorfer bewirtschaftet gemeinsam mit seinem Sohn Jan einen Ackerbaubetrieb mit Milchwirtschaft, 40 ha LN, wovon 25 ha offene Ackerfläche ist. Das Pflanzgut der Sorten Agria und Erika habe der Betrieb zwar bekommen, bei den Frühkartoffeln wurden aber zu grosse Kaliber geliefert. Dieses Jahr müsse man darum mit einer externen Setzmaschine arbeiten.

Weniger Glück hatten andere Landwirte. «Ich habe von einigen Berufskollegen gehört, dass sie zum Beispiel die Sorte Markies nicht bekommen hatten», sagt Dübendorfer. Also alles gut, könnte man meinen? Dem ist leider nicht so, denn bisher habe man noch keine einzige Knolle in den Boden setzen können.

Laut Dübendorfer hatte man zum Beispiel die Frühkartoffeln bisher immer Ende Februar gesetzt. Jetzt wird es noch mindestens ein bis zwei Wochen dauern, bis die Böden zur Saat genügend trocken sind.

Rüben sind noch knapp im Zeitrahmen

Zuversichtlicher ist Hans Dübendorfer bezüglich der Biozuckerrüben. Diese werden auf dem Betrieb in der Regel spät, Anfang April, gesät. Dadurch kann noch vor der Saat eine Unkrautkur durchgeführt werden. Das Samenpotenzial reduziert sich und die Rüben wachsen dank der höheren Temperaturen dem Unkraut zügiger davon. Da sei man noch im Zeitrahmen.

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«Wir hoffen auf mehr Mais und Sonnenblumen»

Die UFA-Samen ist der grösste Saatguthändler der Schweiz. Sie deckt etwa 50 % des Schweizer Saatgutbedarfs ab. Die BauernZeitung hat Jürg Jost, Geschäftsführer, ein paar Fragen zu den Frühjahrssaaten gestellt.[IMG 3]

Herr Jost, die nasse Herbstwitterungen verunmöglichte vielerorts die Aussaat von Wintergetreide. Welche Auswirkungen hat dies auf das Saatgut?

Jürg Jost: Es wurde gegenüber anderen Jahren deutlich mehr Sommerweizen gesät, vor allem Diavel. Auf die gesamte Brotweizenfläche sind das trotzdem geringe Mengen.

Gibt es alternative Kulturen, wie zum Beispiel Ackerbohnen oder Mais, welche am Zunehmen sind?

Wir gehen heute von einer Zunahme der Maisflächen sowie hoffentlich der Sonnenblumenflächen aus.

Wetterextreme und klimatische Unsicherheiten werden in Zukunft vermehrt zunehmen. Welche Vorkehrungen treffen Sie bei der UFA-Samen, damit Sie auf solche Ereignisse reagieren können?

Wir überprüfen laufend die Anbaustrategien bei den verschiedenen Kulturen, z. B. Feldsamenmischungen erst nach der Maisernte zu säen.

Wie sollten sich Ihrer Meinung nach die Landwirte darauf vorbereiten?

Wir müssen uns alle daran gewöhnen, dass sich die Bedingungen schneller und stärker ändern. Wir haben die bestausgebildeten Landwirte der Welt, gemeinsam mit den Praktikern und der Forschung werden wir geeignete Anbaulösungen suchen und finden.