[IMG 2]«Robin, du hast mir den Vorgarten gefüllt», neckten Anwohner in Riehen BS Robin Fischer, nachdem im Sommer 2022 heftiger Regen Erde und Stroh unter anderem von dessen Flächen in die Siedlung geschwemmt hatte. Für den Landwirt war klar, dass er sofort Massnahmen umsetzen wollte – nicht nur seines Rufs in der Gemeinde wegen, sondern auch, damit der wertvolle Oberboden bleibt, wo er hingehört. «Meine Parzellen grenzen an die Siedlung», erklärt Fischer, «aber das Wasser im Feld zu behalten, ist im Interesse aller Landwirte.» Die reduzierte Bodenbearbeitung im Mais (Streifenfrässaat) habe sich bewährt. Mit der Teilnahme der Gemeinde am Ressourcenprojekt «Slow Water» werden im Riehener Moostal weitere Massnahmen hinzukommen, die den Wasserfluss gezielt lenken und das kostbare Nass auch bei Starkregen in der Fläche halten sollen.

Am besten gemeinsam

«Wasserretention betrifft das ganze Einzugsgebiet und funktioniert dann am besten, wenn alle Betriebe mitmachen und die Massnahmen gemeinsam mit Gemeinde und Beratung planen», erläuterte Lukas Kilcher, Leiter des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. Er informierte an einem Agridea-Kurs zur Wasserretention im Kulturland über das Projekt Slow Water (siehe Kasten unten). «Es ist nicht das Ziel, dass der Humus in den Kellern landet», stellte er fest und bezog sich auf Erfahrungen, die nicht nur Robin Fischer machen musste. Der Klimawandel macht Trockenheit und Extremniederschläge zudem immer wahrscheinlicher.

Bekannte und neue Massnahmen

Im Projekt-Perimeter Oberbaselbiet, Moostal Riehen und Luzern West will Slow Water verschiedene Massnahmen zur Wasserretention fördern und deren Wirkung untersuchen. Die Hauptziele sind, die Erträge im Pflanzenbau sowie in der Nutztierproduktion zu sichern und Erosion zu vermeiden. Einige Massnahmen wie z. B. Humusaufbau, Untersaaten, schonende Bodenbearbeitung, Agroforst oder Hecken auf Höhenlinien sind in der Schweiz bereits bekannt und haben sich bewährt. Im Fokus sind aber auch hierzulande weniger verbreitete Ansätze wie Retentionsteiche mit und ohne Versickerung, Keyline-Design (wie auf dem Katzhof) oder die Nutzung gesteuerter Drainagen. Die beste Wirkung verspreche eine Kombination von Massnahmen auf Einzelbetrieben und im gesamten Einzugsgebiet.
Die Umsetzung von Slow Water als Ressourcenprojekt ist von 2024 bis 2029 geplant, das Wirkungsmonitoring bis 2031. Empfehlungen für Retentions- und Fördermassnahmen sollen 2029 vorliegen.

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Gemeinden sind an Bord

AboAuf dem Luftbild vom Juni 2023 sind die geschwungenen Gemüsefelder gut erkennbar. Auf dem Hof selbst ist ein Speicherbecken für Dach- und von der Ackerfläche abfliessendes Regenwasser geplant.Umsetzung in der PraxisWie Markus Schwegler Regenwasser auf seinem Betrieb versickern lässt und lenktMontag, 16. Oktober 2023 Slow Water hat zum Ziel, mit diversen Retentionsmassnahmen (Retention = Zurückhalten des Wassers) die Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft langfristig zu sichern und den Trinkwasserverbrauch auf den Betrieben zu reduzieren. So leistet Slow Water einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Trinkwasserversorgung und zum Schutz der Infrastruktur wie Wege und Strassen. Die Gemeinden sind folglich auch angesprochen, von denen sich laut Lukas Kilcher erfreulich viele am Projekt beteiligen.

Slow Water bietet einen Werkzeugkasten an agronomischen und hydrotechnischen Massnahmen, um Regenwasser zurückzuhalten. Damit steht es bei Trockenheit länger zur Verfügung. «In den vergangenen Jahrzehnten wollte man das Wasser vielerorts etwa via Drainagen und Bachbegradigungen möglichst rasch ableiten», bemerkte Lukas Kilcher, «die zunehmenden Wetterextreme erfordern ein Umdenken.» Man müsse alles dafür tun, den Regen nutzbringend für die Kulturen direkt dort zu infiltrieren, wo er fällt. So soll Regenwasser in Becken oder in humusreichen Böden gespeichert, durch verlangsamte Abflüsse die Versickerung gefördert und der Erosion entgegengewirkt werden.

Slow Water will die Wirksamkeit verschiedener Retentionsmassnahmen und ganzer Retentionsstrategien von Einzugsgebieten beurteilen. Dazu erfasst das Projekt u. a. Daten zur Bodenfeuchtigkeit, untersucht den Einfluss des fortschreitenden Klimawandels sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Landwirt(innen). Je nach Massnahme gibt es für die teilnehmenden Betriebe einmalige Beiträge für Investitionen (z. B. für Retentionsbecken), jährliche Beiträge (z. B. für die Pflege neu gepflanzter Hecken) oder einmalige Förderungen etwa für Untersaaten.

Eine Untersaat schützt

Mit Untersaaten hat Patrick Gerber gute Erfahrungen gemacht. Im Moostal in Riehen bewirtschaftet er Parzellen, die oberhalb der Flächen von Robin Fischer liegen. Das ganze Gebiet präsentiert sich wie ein grosser Trichter, in dessen Mitte ein schmales Waldstück verläuft. Oben arbeitet Gerber, unten sein Berufskollege Fischer. «Wir hatten letztes Jahr grosse Probleme mit Erosion», schilderte Gerber den Kursteilnehmenden. Eine frisch gesäte Gründüngung nach Getreide sei regelrecht weggeschwemmt worden. «Heuer war der Boden dank der Untersaat nach der Ernte im August bedeckt.» Der Landwirt liess seine Kühe die Untersaat beweiden, der Umbruch erfolgt erst im Herbst. Um langfristig die Situation zu verbessern, könnte zusätzlich am Waldrand eine Versickerungsmulde mit seitlicher Ableitung erstellt werden. Das erklärte Johannes Heeb, der mit der Firma Seecon an der Umsetzung von Slow Water beteiligt ist. Im Kurs zeigte er vor Ort auf, wie beim Planungsprozess vorgegangen werden könne.

«Für die Retentionsplanung müsst ihr mit Gummistiefeln bei Regen raus», fuhr Johannes Heeb fort. Es gilt, die Wasserflüsse nachzuvollziehen. Hilfreich sei auch ein Blick in die historische Nutzung eines Gebiets, denn oft waren einmal Bäume entlang von Höhenlinien gepflanzt worden und alte Flurnamen zeigen, wo tendenziell feuchte (z. B. «Moos») oder trockene Standorte (Namen wie «Darre») liegen. Es gehe auch darum, Bestehendes zu nutzen, so Heeb. In einer Mulde vor dem Wald liege auf Patrick Gerbers Weide eine relativ neue Drainage, deren Wasser im Waldrandbereich versickert werden soll. In diesem Fall werden also durch agronomische Massnahmen Spitzen gebrochen, um den verlangsamten Abfluss weiter unten versickern zu lassen.

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Bäume und Mulde

Unterhalb des Waldes plant Robin Fischer, die bestehenden Hochstämmer auf der Weide mit Apfelbäumen zu ergänzen und die Früchte für die Süssmost-Produktion zu nutzen. Ein weiterer Wellenbrecher bildet ein quer zum Hang angelegter Saum auf Ackerfläche, den der Landwirt dank einer Sonderbewilligung im Rahmen von Slow Water mehrere Jahre dort belassen darf. «Weil bereits weiter oben in der Geländekammer entsprechende Massnahmen angedacht bzw. bereits umgesetzt worden sind, reichen hier verstreut angeordnete Bäume aus», so Johannes Heeb.

Unterhalb des Ackersaums, der im Frühling gesät wird, schützt eine herbstliche Gründüngung den Boden. Vor dem als Streifenfrässaat gesäten Körnermais bildet der Kugelfang eines Schiessstands mit seinem Hügel bereits eine Barriere, die verlängert und in eine Versickerungsmulde überführt werden könnte. Links davon besteht heute eine trichterförmige Vertiefung, durch die das Wasser bei Starkregen Richtung Siedlung schiesst.

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Ausdolen kann helfen

Den eingedolten Bach zu renaturieren, wäre eine weitere Möglichkeit, die Robin Fischer aber bis auf Weiteres wegen der für die Bewirtschaftung verlorenen Fläche nicht umsetzen möchte. «Natürliche Bachläufe verringern die Fliessgeschwindigkeit und haben mehr Aufnahmekapazität», erklärte Johannes Heeb das Prinzip.

«Agronomische Massnahmen sind schneller umsetzbar als hydrologische», fasste er zusammen. Zur Dimensionierung von kleineren Retentionsbecken dienen ökohydrologische Modelle, aber auch den Wasserbedarf auf dem Betrieb gilt es zu beachten. Je nach Situation können die Becken mit oder ohne Versickerung gebaut werden, um entweder die Bodenfeuchtigkeit zu verbessern oder als Reservoir für die Bewässerung zu funktionieren. Geschickt in der Landschaft platziert und auf die Bedürfnisse des Betriebs zugeschnitten, sind verschiedene Massnahmen sinnvoll.

Möglichkeiten für den Austausch

Beim Thema Wassernutzung können Landwirt(innen) vom gemeinsamen Austausch profitieren. Zwei Projekte dazu sind in den Startlöchern:
Arbeitskreis «Wasser in der Landwirtschaft» (Acker- und Gemüsebau, Inforama Rütti): Die 10 bis 15 Teilnehmenden bestimmen selbst, welche Fragestellungen und Themen während des Jahres vertieft werden sollen. Der Erfahrungsaustausch wird moderiert, es stehen 3 bis 5 Anlässe pro Jahr, externe Referate und Betriebsbesuche auf dem Programm. Weitere Auskünfte erteilt Lukas Müller, Tel. 031 636 80 73, E-Mail lukas.mueller(at)be.ch.
Forum «Nachhaltiges Wassermanagement» (Agridea und HAFL): Das Forum soll allen Interessierten Raum für Diskussionen und das Erarbeiten gemeinsamer Lösungen bieten. Am 10. November 2023 findet in Zollikofen BE ein erstes Treffen zur Lancierung des Forums statt, bei dem Ideen eingebracht und Projektgruppen gestartet werden können. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen finden Sie hier.