Bis vor drei Jahren war es für Stefan Kurz, Landwirt in Schwarzenburg, fast unmöglich, Daten über Agate zu melden. Er benutzte das Internet der Swisscom über die vorhandene Kabelverbindung und ein Abo. Das Problem: Sein Betrieb liegt in den Dorfmatten, einem Tal zwischen Schwarzenburg und Guggisberg – die Region verfügt bisher, wie viele andere ländliche Regionen, nicht über Glasfaserleitungen, wie in vielen Städten üblich, sondern über Kupferleitungen.
Kämpfen für eine Internetverbindung
Die Internetverbindung bei Stefan Kurz war teilweise wegen Überlastung so schlecht, dass nicht einmal die Buchhaltungsdaten übermittelt werden konnten. So konnte er die nötigen Arbeiten oft nur an Tageszeiten erledigen, an denen es weniger Störungen gab, wie beispielsweise Abends um 21.30 Uhr. Auch der Mobilfunkempfang in den Dorfmatten ist schlecht. So war das Ausweichen auf das Mobilfunknetz ebenfalls nicht möglich.
Um die Probleme anzugehen, startete ein Anwohner eine Unterschriftensammlung, um die Swisscom dazu zu bringen, das Kabelnetz auszubauen – erfolglos. Es hiess von Seiten der Swisscom, die Leitungen hätten eine genügend grosse Bandbreite (Geschwindigkeit der Internetverbindung) und die Liegenschaften in der Dorfmatte lägen zu weit weg auseinander, sodass sich ein Ausbau des Netzes nicht lohne.
Stadt und Land sind nicht gleich gut erschlossen
Tatsächlich besteht in Sachen Internetverbindung ein Stadt-Land-Graben. So ist laut einem Artikel in der Seco-Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» der Kupferanschluss bei Unternehmen der Urproduktion nach wie vor weit verbreitet: Nur 4 Prozent der Landwirtschafts- und Forstbetriebe sind ans Glasfasernetz angeschlossen, hingegen haben 36 % der Unternehmen, die in der Dienstleistung tätig sind, das schnelle Glasfaser-Internet. Diese grossen Unterschiede seien vor allem darauf zurückzuführen, dass sich viele Landwirtschaftsbetriebe in einer ländlichen Region befinden, die nicht mit Breitband-Internet erschlossen ist.
«Die digitale Erreichbarkeit ist die Autobahn des 21. Jahrhunderts»
Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete
Doch gerade für abgelegene Gebiete sei eine zuverlässige und schnelle Internetverbindung etwas vom wichtigsten, sagt Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB). «Die digitale Erreichbarkeit ist die Autobahn des 21. Jahrhunderts», sagt er. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie abhängig man von einer guten Internetverbindung sei, als Homeoffice und Homeschooling zur Pflicht wurden.
Doch es scheint eine Lösung in Sicht. Auf Druck des Parlamentes will der Bundesrat die Internet-Geschwindigkeit in der Grundversorgung ausbauen. Voraussichtlich ab 2024 soll sie einen Hochbreitband-Zugang von 80 Mbit/s (Download) bzw. 8 Mbit/s (Upload) umfassen. Dies soll laut Bundesrat in der Verordnung über die Fernmeldedienste verankert werden. Seit kurzem ist es zudem möglich, Strukturverbesserungsbeiträge zu gewähren für Anschlüsse der Grundversorgung im Fernmeldewesen an fernmeldetechnisch nicht erschlossenen Orten, wie Thomas Egger weiss. Dabei müsse man sich für ein Gesuch an die betreffenden Stellen im jeweiligen Kanton wenden.
Die Lösung kam...
Für die Region Dorfmatten kam die Lösung für ein schnelleres Internet 2019 in Form eines sogenannten Langstrecken-WLAN-Netzwerks. Dabei handelt es sich um eine Anbindung ans Internet via Richtfunk. Im Fall der Region rund um Schwarzenburg bedeutet das, dass im Freiburger Dorf Alterswil der Glasfaser-Internet-Anschluss bezogen wird und via höher gelegene Relais-Stationen die Liegenschaften in der Region Dorfmatten mit Langstrecken-WLAN versorgt werden. Da sie aus mehreren Tälern besteht, wird die Versorgung über mehrere Relais-Stationen sichergestellt.
Viele Landwirtschaftsbetriebe betroffen
Verantwortlich für den Aufbau des WLAN-Netzwerks via Richtfunk war die Smaro GmbH. Sie baut und betreibt in der ganzen Schweiz solche Netzwerke gezielt dort, wo konventionelle Anbieter nicht oder ungenügend Bandbreite zur Verfügung stellen können. Etwa 80 % der Kunden der Smaro GmbH seien Landwirtschaftsbetriebe in Randregionen, sagt Max Fehr, verantwortlich für Verkauf und Kundendienst. Als sie von der Unterschriftenaktion in Schwarzenburg Wind bekam, nahm sie mit der Gemeinde und der Bevölkerung Kontakt auf. Nach einer Informationsveranstaltung hatte sich die Gemeinde bereit erklärt, einen Anteil der Anschlusskosten zu übernehmen.
Für Thomas Egger von der SAB könnte der Internetzugang via solche Richtfunknetze ein Teil der Lösung sein, um abgelegene Gebiete besser zu erschliessen. Auch der Ausbau des Mobilfunknetzes sei wichtig. Die Vorgabe von 80 Mbit/s Bandbreite in der vom Bundesrat geplanten Verordnung sei jedoch bewusst technologieneutral gehalten, sagt Egger.
Nichts mehr zu jammern
Mittlerweile seien etwa 70 Liegenschaften ans Netzwerk in den Dorfmatten angebunden, sagt Max Fehr. Es werden Abos mit einer Bandbreite von 10 Mbit/s bis 30 Mbit/s angeboten. Ein Abo mit einer Bandbreite von 10 Mbit/s kostet 50 Franken, eines mit 30 Mbit/s kostet 90 Franken. Höhere Bandbreiten sind auf Wunsch ebenfalls möglich. «Meine Erfahrung hat gezeigt, dass eine Bandbreite von 30 Mbit/s meist auch für Familien mit Kindern genügt», sagt Fehr. Die Abopreise sind aber nicht in jeder Region gleich. Je mehr Relais-Stationen eingerichtet werden müssen, desto teurer sei das Richtfunk-Netz, was sich auf die Abopreise auswirkt, sagt Fehr.
«Wir haben nun schnelleres und fast lückenloses Internet und können darüber auch Fernsehen schauen»
Stefan Kurz, Landwirt und Anwohner in den Dorfmatten
In den Dorfmatten, das umgangssprachlich auch als Jammertal bezeichnet wird, gibt es nun bezüglich Internetverbindung nichts mehr, oder zumindest weniger zu jammern. In der Zwischenzeit habe aber laut den Angaben einer Anwohnerin seit 2021 auch die Swisscom teilweise über Kabel ein besseres Netz zur Verfügung gestellt. Stefan Kurz würde seinen jetzigen Internetanschluss über Richtfunk nicht mehr hergeben, sagt er. «Wir haben nun schnelleres und fast lückenloses Internet und können darüber auch Fernsehen schauen», sagt Kurz.
Mehrere Anbieter
Der Nachteil bei einem Langstrecken-WLAN ist, dass am Anfang hohe Investitionskosten anfallen, die jedoch in diesem Fall zum Teil von der Gemeinde überommen wurden. Für die Installation des Empfängers ausserhalb des Hauses und die Kabel zur Steckdose, die TV-Box und WLAN-Box muss laut Max Fehr mit ungefähr 500 bis 1400 Franken gerechnet werden. Eine Aufschaltgebühr von etwa 400 Franken kommt dazu. Die Erschliessungskosten seien jedoch mit denjenigen bei Kabelanschlüssen vergleichbar, sagt Fehr. Es können ausserdem keine Kombi-Angebote für das Handy-Abo abgeschlossen werden.
Nebst der Smaro GmbH gibt es diverse regionale Anbieter von Langstrecken-WLAN-Netzwerken, so zum Beispiel ICT-Plus im Kanton Bern, Tele Alpin im Kanton Obwalden, Antanet in der Region Zürich Oberland/Winterthur, Immensys in der Region Brugg oder Arkomm im Kanton Appenzell Ausserrhoden.