Boden ist nach menschlichen Massstäben eine nicht-erneuerbare Ressource und kann nur in gesundem Zustand funktionieren – sei es für die Produktion, als Filter oder Teil des Kohlenstoffkreislaufs. Verschwindet fruchtbarer Boden unter wachsenden Siedlungen, ist er aber praktisch unwiederbringlich auf seine reine Trägerfunktion reduziert.
«Im Vergleich zum qualitativen Bodenschutz ist der quantitative durch unsere Gesetze klein»,
betonte Stéphane Burgos. Das Referat des HAFL-Dozenten eröffnete die alljährliche Nationale Ackerbautagung, die von der Plattform Ackerbau Schweiz (PAG-CH) zum zehnten Mal unter der Federführung von Agridea durchgeführt wurde. Burgos stellte auch klar, dass die Lösungsansätze grösstenteils nicht neu sind: Von besserer Bodenstruktur, weniger Landverbrauch durch Siedlungen, bedecktem Boden und der Vermeidung von Verdichtung habe man schon 1992 gesprochen. Und trotzdem ist man heute um einige Weisheiten reicher, wie im Verlauf der Tagung klar wurde.
Im kleinen Rahmen frei ausprobieren
Wissen ist das eine, die Umsetzung das andere. Am besten startet man mit kleinen Versuchsflächen, so die Erfahrung von Amélie Fietier von der Fondation rurale interjurassienne. Verschiedene Barrieren – von der sozialen bis zur wirtschaftlichen – lassen sich gemäss ihren Erkenntnissen aus dem Projekt Terres Vivantes am besten überwinden, wenn Landwirte auf kleinen, selbst definierten Versuchsparzellen experimentieren. Entsprechend ist als neue Massnahmen bei Terre Vivantes die «besonders lebendige Parzelle» in den Katalog aufgenommen worden, um die Ziele im Zusammenhang mit einem gesunden Boden voranzutreiben.
Es geht auch die Wertschöpfungskette an
Der Bodenschutz geht nicht nur aufgrund der raumplanerischen Flächenkonkurrenz auch Menschen ausserhalb der Landwirtschaft an. «Landwirte können noch so sensibilisiert sein, wenn der Abnehmer die Ernte verlangt, können sie sich kaum verweigern», so ein Votum aus dem Publikum. Weiter oben in der Wertschöpfungskette dominiere das wirtschaftliche Denken, das keine Rücksicht auf Befahrbarkeit und Wetter nimmt. Am Ende müsste bis hinauf zum Konsumenten über die Problematik gesprochen werden, denn «man muss sich schon fragen, wie viel Bodenschutz bei diesen Lebensmittelpreisen noch möglich ist», warf Armin Keller vom Kompetenzzentrum Boden (Kobo) ein.
«Aber die Bedeutung einer nachhaltigen Bodennutzung ist halt schon sehr weit weg für viele Konsumenten».
Mistkompost schlägt Rottemist
Seit 45 Jahren läuft am FiBL in Zusammenarbeit mit Agroscope der DOK-Versuch in Therwil BL, der verschiedene Anbausysteme in ihrer Wirkung auf den Boden untersucht. Die Behandlungen entsprechen den Vorgaben von Demeter, Bio Suisse und IP-Suisse, zusätzlich gibt es eine rein mineralisch gedüngte Kontrollfläche. Dabei sind Bodenbearbeitung und Fruchtfolge in allen Systemen gleich. Die Resultate zeigen unter anderem die Wichtigkeit von organischen Düngern für den Erhalt des Bodenkohlenstoffs. «Alle Verfahren, bei denen mit 0,7 DGVE pro Jahr und Hektare oder ausschliesslich mit Mineraldünger gearbeitet wurde, haben Kohlenstoff verloren», so Else Bünemann vom FiBL. Stabil blieben die Werte hingegen bei 1,4 DGVE.
Was die biologische Bodenqualität angeht, schnitten Bio und Demeter am besten ab. «Wir haben festgestellt, dass Bodenatmung und Bodenkohlenstoff korrelieren», führte Bünemann aus. Das sei offenbar kein Widerspruch – für den Aufbau braucht es schliesslich aktive Mikroorganismen.
Auch optisch auffallend sind die guten Böden im Demeter-Verfahren:
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Das FiBL führt den Unterschied hauptsächlich auf die Verwendung von Mistkompost zurück. Damit lasse sich der Kohlenstoffgehalt und die biologische Bodenqualität besser steigern als mit Rottemist. Darunter versteht man älteres Material vom Miststock, während Mistkompost in Mieten am Feldrand gereift ist.
Humusrechner nicht für den Vollzug
Humus ist ein grosser Kohlenstoffspeicher im Boden. Dessen Gehalt zu steigern oder zumindest zu erhalten, ist das erklärte Ziel des Humus-Projekts im Kanton Solothurn. Die Landwirtschaftsbetriebe setzen dabei humusaufbauende Massnahmen um, die den Boden möglichst das ganze Jahr begrünen (z.B. Untersaaten, Gründüngungen usw.) und testen den Humusbilanz-Rechner in der Praxis. «Nach fünf Jahren können wir sagen, der Rechner ist gut geeignet für das Betriebsmanagement, Beratung und Forschung – aktuell ist der Humusrechner aber nicht geeignet, um Massnahmen im Agrarvollzug darauf abzustützen», hielt Annika Winzeler vom Solothurner Landwirtschaftsamt fest. Bei der Dateneingabe gebe es grosse Fehlerquellen und die Datenqualität sei sehr entscheidend für die Genauigkeit der Humusbilanz. Insbesondere der Tongehalt spiele eine wesentliche Rolle für das Resultat und müsse deshalb parzellengenau erfasst werden. Idealerweise sollte die Bodenart mit eine Laboranalyse anstelle der heute gängigen Fühlprobe bestimmt werden.
«Der administrative Aufwand für die Landwirte und den Kanton ist gross und die Bilanzergebnisse schwanken stark je nach Jahr, Kultur und Fruchtfolge»,
so Winzeler. Mit dem neuen Instrument zur Erfassung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln «DigiFlux» des Bundesamts für Landwirtschaft ist auch die Integration eines Humusrechners angedacht. Wird dies umgesetzt, kann sich das auch positiv auf den administrativen Aufwand auswirken.
Ein Verhältnis als Zielmarke für Humusaufbau
«Es fehlt unseren Böden an organischer Substanz und die Verdichtung ist ein Problem, aber sie sind nicht tot.» So lautete die Antwort von FiBL-Forscher Raphaël Charles auf die Frage aus dem Publikum nach seiner Meinung zum Zustand der Schweizer Böden. Viehlose Betriebe könnten ihm zufolge den Bodenkohlenstoff mit Massnahmen wie Kompost, Gründüngungen oder reduzierter Bearbeitung rasch steigern, was aber abhängig sei von der bisherigen Praxis. «Es braucht Indikatoren zur Betriebsstruktur, um das Potenzial des Humusaufbaus abzuschätzen.» Um Unterschieden Rechnung zu tragen, liege in der Westschweiz der Fokus auf dem Verhältnis von organischer Substanz zu Ton. «Beträgt es unter 0,17 gibt es Probleme», so Charles. Dieses Verhältnis korreliere aber gut mit den Ergebnissen der Spatenprobe. Somit zeige Letztere die Vulnerabilität des Bodens z. B. gegenüber Starkregen zuverlässig an.
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Genügend Dünger – woher?
Um Humus aufzubauen, hat sich eine ausreichende Düngung als wichtig erwiesen und Hofdünger sind deutlich wirksamer als mineralische Produkte. An der Ackerbautagung diskutierte das Plenum denn auch die Tierfrage: Welche Rolle sollen Nutztiere in diesem System spielen, wo sie doch wegen Nährstoffüberschüssen und Klimagasen am Pranger stehen. Tatsächlich hat der DOK-Versuch ergeben, dass für den Erhalt des Bodenstickstoff-Levels die Stickstoffbilanz leicht positiv ausfallen muss (etwa 30 kg N-Überschuss pro Hektare).
«Kunstwiesen sind in der Fruchtfolge essentiell»,
ergänzte Else Bünemann, «und Tiere können das Gras optimal nutzen». Allerdings müsste ihrer Meinung nach die Viehdichte überdacht werden. Dem stimmte Raphaël Charles zu, der die Spezialisierung in der Westschweiz mit immer mehr viehschwachen oder viehlosen Betrieben ohne Gegenmassnahmen wie konservierenden Anbausystemen als «Katastrophe» bezeichnete. «Tiere stehen in dieser Hinsicht deshalb im Fokus, auch weil wir unsere eigenen organischen Abfälle nicht verwerten», gab Raphaël Wittwer zu bedenken. «Somit sind wir auf die Tiere angewiesen, um Kreisläufe zu schliessen und organische Substanz auf die Äcker zurückzuführen.» In seinem Referat hatte der Agroscope-Forscher darauf hingewiesen, dass der Mensch sich selbst als Teil natürlicher Ökosysteme verstehen sollte.
Der Bodenstickstoff ist zentral
Werden Massnahmen ergriffen, will man möglichst auch Resultate sehen. Im Nitratprojekt Gäu-Olten erwies sich das als schwierig. Der Fokus liegt seit dem Jahr 2000 auf einer Verbesserung der Grundwasserqualität im Projektgebiet, das mit zu hohen Nitratwerten zu kämpfen hat. Der Grundwasserkörper reagiert aber zeitlich stark verzögert (20 Jahre). Im Forschungsprojekt NitroGäu wurde deshalb Nitratauswaschung direkt unter Ackerflächen gemessen. «Kurzfristig zeigen reduzierte Düngergaben häufig wenig Effekt auf die ausgewaschenen Nährstoffmengen», erläuterte Hanna Frick von Agroscope. Was an Stickstoff von der Kultur im ersten Jahr nicht genutzt wird, speichert der Boden vorwiegend in organischer Form. Die Mineralisierung ist die Hauptquelle für ausgewaschenen Stickstoff, der entsprechend nach dem Kunstwiesenumbruch bzw. nach Mais die höchsten Werte erreichte. Deshalb müssten die Bodenvorräte an Stickstoff (Nmin) bei der Düngung zwingend berücksichtig werden, so das Fazit. «Dieser Pool ist auch für die Entwicklung der Kulturen zentral», fügte Else Bünemann hinzu.
Reduzierter Reifendruck hilft nicht in der Tiefe
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Die Feuchtigkeit ist neben dem Tongehalt ein entscheidender Faktor dafür, wie tragfähig der Boden ist. Sie korrekt zu schätzen, ist aber schwierig und macht eine wahre Simulation in Terranimo® für das Risiko einer Bodenverdichtung komplex. «In Zukunft möchten wir mit Sensoren die Saugspannung im Feld messen und damit genaue Daten automatisch in Terranimo® einfliessen lassen», erklärte Stefan Gfeller von der HAFL. Die Werte sollen direkt ins Modell übertragen werden und somit eine realistische Abschätzung des Verdichtungsrisikos zulassen. Die Resultate werden mit neuen Lösungen, wie z. B. mittels Cemos von Claas direkt in der Traktorkabine einsehbar. Bereits heute sieht Gfeller einen grossen Nutzen in Terranimo®, da die Simulation zur Sensibilisierung von Landwirten beitragen könne. Das Modell zeigt den Bodendruck individuell auswählbarer Maschinen und Kombinationen auf dem Feld je nach Bodentyp und Feuchte. Ein bekanntes Mittel gegen starke Bodenbelastung ist die Senkung des Reifendrucks auf dem Feld, der in Terranimo® ebenfalls abgebildet wird. Die Wirkung ist aber begrenzt, so Gfeller:
«Mit einer grösseren Auflagefläche reduziert man zwar den Kontaktdruck, für eine effektive Druckreduktion in tieferen Bodenschichten muss aber die Achsenlast sinken».
Armin Keller vom Kompetenzzentrum Boden (Kobo) machte klar, wie buchstäblich prägend Verdichtung für den Untergrund sein kann. «Der Boden hat ein langes Gedächtnis und ist grosser Speicher, was beispielsweise Nährstoffe und Humus angeht», hielt er fest. Zu einem besseren Schutz und gezielten Massnahmen für eine nachhaltige Bodennutzung sollen Themenkarten und Anwenderprodukte aus Bodenkartierungen beitragen, an deren technischen Weiterentwicklung das Kobo arbeitet. In der Plenumsdiskussion wurden allerdings Befürchtungen geäussert, dass der quantitative Bodenschutz zu kurz kommen könnte. Man sieht in der Raumplanung und speziell der Siedlungsentwicklung eine ernsthafte Gefahr, die mit wachsender Bevölkerung zunimmt.