«Mariniert und knusprig angebraten auf Salat, in dünnen Scheiben auf der Pizza, zu Teigwaren oder Reis, in Falafel, Pitabroten oder Risotto, mit Salz und Öl im Ofen gebacken, frittiert und mit Erdnusssauce…» – Stefanie Luttringers Aufzählungen der Zubereitungsarten für Tempeh ist schier endlos. Ihrem Partner Christoph Mullis scheint daneben das Wasser im Mund zusammenzulaufen. Die beiden haben Tempeh auf einer Indonesienreise kennengelernt und da sie zurück in der Schweiz nichts Gleichwertiges fanden, begannen sie ihre eigene Produktion. Daraus wuchs ein kleines Unternehmen mit dem Namen «Tempeh Bagus».
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Entscheidend war ein Bananenblatt
Im Gegensatz zu Tofu, der mittlerweile allgemein bekannt und vielerorts erhältlich ist, kennt man hierzulande Tempeh weniger. «In Indonesien entstand es dadurch, dass gekochte Sojabohnen eingeschlagen in Bananenblätter transportiert wurden», erzählt Stefanie Luttringer. Auf den Blättern befand sich ein Pilz, der die Bohnen fermentierte. In Liestal BL wird zwar nicht mit Bananenblättern gearbeitet, das Prinzip ist aber doch dasselbe und verglichen mit anderen Möglichkeiten zur Verarbeitung von Körnerleguminosen bestechend einfach: In einem ersten Schritt werden halbierte Sojabohnen 2,5-4 Stunden eingeweicht, dann eine halbe Stunde gekocht, mit wenig Apfelessig versetzt und in einem Ofen getrocknet. Anschliessend mischt man Pilzsporen unter die Bohnenkerne und lässt das Ganze fermentieren.
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Das Endprodukt bleibt am Leben
Im kleinen Labor von Tempeh Bagus prüft Christoph Mullis die Temperatur im Kühlschrank. Der Polymechaniker und studierte Biologe hat das Gerät so umprogrammiert, so dass es sowohl kühlen, als auch heizen kann. «Die Fermentation durchläuft drei Phasen», erklärt er, «zuerst heizen wir auf etwa 30 Grad, damit der Pilz wachsen kann». Sobald die Sporen keimen und der Pilz zu arbeiten beginnt, produziert er selbst Wärme und muss gekühlt werden. Auch das fertige Nature-Tempeh lebt: es ist ohne Pasteurisierung nur begrenzt haltbar und entwickelt seinen Geschmack über die Dauer der Lagerung weiter. «Je älter, desto käsiger», beschreibt Stefanie Luttringer. Das Aroma gehe von nussig über zu Camembert-artig. Mariniert und eingelegt in einem Glas wurde laut der Baselbieterin das Produkt schon als äusserst nah an Gruyère gelobt.
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Herstellung ohne Nebenprodukte
Verglichen mit Tofu hat Tempeh einen komplexeren Geschmack und es entstehen bei der Herstellung keine Nebenprodukte. Es fallen nur die Körnerhüllen an, während in einer Tofurei ballaststoffreiches Okara und etwas wie Molke übrigbleibt, die entweder selbst wieder weiterverarbeitet oder als Futter bzw. in einer Biogasanlage verwertet werden.
Bis zu 35 kg pro Woche verarbeitet
Tempeh Bagus verarbeitet ausschliesslich Körnerleguminosen aus der Schweiz und in Bio-Qualität. «Je regionaler, desto besser», erläutert Stefanie Luttringer ihre Philosophie. In diesem Jahr sei erstmals die Zusammenarbeit mit einer Bauernfamilie in Tenniken BL zustande gekommen, ansonsten bezieht das Kleinunternehmen Ware von der Mühle Rytz. «Wir verarbeiten 9-35 kg Soja pro Woche, je nach Bestellungen», schätzt Christoph Mullis. Das ergibt etwa 15-50 kg Tempeh, das zum grössten Teil an die Gastronomie geht. Die Baselbieter beliefern aber auch einige kleinere Läden in der Region.
Die Zubereitung braucht Öl für den Geschmack
«Wenn man einem Koch sagt, worauf er bei der Zubereitung von Tempeh achten muss, kann er gleich etwas damit anfangen», sagt Stefanie Luttringer. Den meisten Schweizer(innen) ist das indonesische Lebensmittel aber fremd und häufig folgt dann die Enttäuschung – «zu trocken!». Das liege daran, dass Tempeh kaum Fett enthält, Luttringer vergleicht es mit magerem Fleisch. Für ein gelungenes Rezept braucht es daher Öl und Gewürze, eine Marinade oder Sauce, damit das Aroma zur Geltung kommen kann. Dann aber – das werden die beiden nicht müde zu betonen – vermag Tempeh zu überzeugen.
Handwerkliches ist anders als industrielles Tempeh
Wobei es einen grossen Unterschied zwischen industriell und handwerklich hergestelltem Tempeh gebe. «In der Industrie wird der Fermentationsprozess vorzeitig durch Einfrieren gestoppt», führt Stefanie Luttringer aus. Das erspare das aufwändige Kontrollieren der Temperatur im Inkubator/Kühlschrank alle zwei Stunden, wie es Tempeh Bagus praktiziert. «Wir räuchern mit echtem Rauch, statt flüssiges Aroma zu verwenden», nennt Luttringer einen weiteren Unterschied. Ausserdem bleibt beim Nature-Tempeh aus Baselland dank des Verzichts auf eine Hitzebehandlung der Pilz lebendig, womit das Endprodukt wie Joghurt probiotisch der Verdauung zugutekommen kann.
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Eine wichtige Proteinquelle
Der Pilz umschliesst die gekochten Sojabohnen mit einem weissen Geflecht und spaltet die Proteine in den Körnern auf, was für die Geschmacksentwicklung sorgt. Ausserdem werden die Hülsenfrüchte bekömmlicher, bemerkt Stefanie Luttringer. Blähungen seien nach dem Genuss von Tempeh nicht zu befürchten. Das Produkt enthält die ganze Bohne und gilt daher als ballaststoffreich, «und es werden keine Nährstoffe ausgewaschen», so Luttringer. In Indonesien stelle Tempeh gerade für ärmere Bevölkerungsschichten die wichtigste Proteinquelle dar.
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Die Kultur ist wichtig wie beim Käse
Was die Arbeit mit einem Mikroorganismus zur Fermentation angeht, ähnelt Tempeh eher Käse als Tofu. Bei letzterem nutzt man ein Gerinnungsmittel und presst nach dem Abschöpfen der Molke die Proteinmasse zu Blöcken, es folgt aber keine Reifung. Wie ein Käse im Keller aber reift Tempeh vor sich hin und wie beim Schweizer Traditionsprodukt kommt der eingesetzten Kultur eine wichtige Rolle zu. «Mittlerweile haben wir unsere eigene Reinkultur, von der wir Sporen gewinnen können», erzählt Christoph Mullis. Dahinter stecke Einiges an Zuchtarbeit, aber nun ist Tempeh Bagus unabhängig von Importen. «Zuvor gab es die passenden Pilz-Kulturen nur aus Belgien oder den USA».
In jeder Küche machbar
Die Baselbieter könnten sich vorstellen, dereinst auch ihre Pilzkultur zu vermarkten. Dass andere mit der Produktion von Tempeh anfangen, ist angesichts der Herstellung durchaus denkbar. «Das kann jeder zuhause in seiner Küche machen. Wir haben Tempeh auch schon im Reisebus hergestellt», bemerkt Mullis. Je grösser der Massstab der Produktion, desto schwieriger wird es allerdings, zumal bei einer Vermarktung die Lebensmittelkontrolle ins Spiel kommt. Ausserdem sind die benötigten Maschinen ein Kostenfaktor, den Luttringer und Mullis durch den Einsatz ausrangierter Gastro-Geräte und eigenen Installationen tief gehalten haben.
Es geht nicht nur mit Sojabohnen
Trotzdem, leben können die beiden vom Verkauf ihres Tempehs nicht. Beide arbeiten nebenher. «Wir müssten in etwa verfünffachen, damit wir voll auf Tempeh setzen könnten», schätzt Christoph Mullis. Die viele Handarbeit, die das Paar in die Produktion investiert, bleibt unbezahlt. Potenzial sehen die beiden aber viel und es lässt sich nicht nur Soja verarbeiten: «Tempeh aus Lupinen ist etwas bitterer, mit Kichererbsen wird das Aroma süsser», schildert Stefanie Luttringer. Bei schwarzen Bohnen seien allerdings Probleme mit zu vielen Steinchen in der Ware aufgetreten. Andere Rohstoffe bringen auch andere Ausgangslagen für die Fermentation und den ganzen Prozess, weshalb Austüfteln gefragt ist. Bereits Unterschiede von einer Sojaernte zur nächsten machen sich bemerkbar. Hier ist die Sache also komplizierter als beim Tofu, dessen Erfolgsgeschichte im letzten Jahrzehnt Luttringer aber zuversichtlich für den Absatz von Tempeh stimmt:
«Wenn die Leute es kennen und zuzubereiten gelernt haben, wird die Nachfrage steigen»,
ist sie überzeugt. Sie hofft ausserdem auf mehr regionale Produzenten von Bio-Körnerleguminosen.
Weitere Informationen: www.tempeh-bagus.ch
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