Nach kurzem Rufen tauchen bereits die ersten schwarzen Nasen auf. Sie haben ihren Meister gehört. Spätestens nachdem sie den Sack in den Händen des Schäfers bemerken, gibt es kein Halten mehr. Kurz später sieht sich Alwin Meichtry von seiner Schafherde regelrecht umzingelt. Das Füttern von hartem Brot von Hand helfe ihm, die Herde zu kontrollieren, während er versucht, kein Schaf auszulassen. «Meine Schafe sind sehr zutraulich, das ist mir wichtig», betont er. Seit rund zwei Monaten ist er oberster Schweizer Schäfer.


Die Moderhinke erkennt man sofort


Vom Gros vom Vorstand sei er gut aufgenommen worden, erzählt Alwin Meichtry aus Leuk VS von seiner bisherigen Amtszeit. «Bei einem Wechsel entstehen immer Spannungen. Es ist mein Job, diese abzubauen und Akzeptanz zu schaffen», so der aktive Walliser. Er ist voller neuer Ideen und Tatendrang. Gerne möchte er den Verband einer Management-Zertifizierung unterziehen. «Das bedeutet viel Arbeit, aber es lohnt sich», ist der Schäfer überzeugt. Bis das Ganze entsprechend aufgegleist sei, brauche es sich gut 1½ Jahre Arbeit. Damit will er die Leistung seines Vorgängers nicht schmälern. Er wolle auf dem bestehenden Fundament Instrumente und Gefässe schaffen, die Kompetenzen und Zuständigkeiten festlegen würden. Aber das ist lediglich ein Meilenstein auf dem Hauptziel, welches Meichtry mit seinem Amt verfolgt: «Ich will den Verband in die Zukunft führen.»


Die Moderhinke sei im Wallis weniger ein Problem, erklärt er wiederum sachlich: «Die Böden sind sehr trocken, und die Schafe werden grösstenteils extensiv gehalten.» Letztes Mal hatte er im Jahr 1997 ein erkranktes Schaf. «Wenn ein Tier die Moderhinke hat, dann sieht man das sofort», erklärt er weiter. Er selbst schneidet allen Tieren mindestens zweimal pro Jahr die Klauen, zum Teil auch bis viermal: «Die Klauen muss man laufend kon­trollieren und bei Lahmheiten reagieren.» Die Motion von Hansjörg Hassler begrüsst er daher. «Die Krankheit ist für das Tier äusserst schmerzhaft, die Bekämpfung ist notwendig.» Meichtry ist in die Vorabklärungen involviert. Er hofft, dass der Löwenanteil der anfallenden Kosten der Sanierung vom
Bund übernommen wird.

Die traditionelle Rasse 
hat ihn überzeugt


Alwin Meichtry ist ein viel beschäftigter Mensch. Neben seiner Arbeit als Chemiker beim Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen des Kanton Wallis pflegt er noch zahlreiche weitere Hobbys. Neben seinem Tauchgeschäft ist er noch leidenschaftlicher Töfffahrer und Jodler. Hat er überhaupt noch Zeit für das Amt als oberster Schweizer Schäfer?

«Die nehme ich mir», sagt der Walliser überzeugt. Ende Februar wählten ihn die Delegierten des Schweizerischen Schafzuchtverbands zum Nachfolger von German Schmutz. Meichtry, bisheriger Vizepräsident, ist kein Theoretiker. Um seine rund 50 Schwarznasenschafe kümmert er sich selbst, vor und nach der Arbeit ist ein Besuch seiner Herde Pflicht.

Sein Betrieb ist typisch für das Wallis: hier etwas Land, da noch etwas und dort drüben auch noch. Rund 26 Hektaren nennt er heute sein Eigentum, davon sind aber lediglich 14 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Die Schafe seien sein Ausgleich. Die traditionelle Rasse hat ihn überzeugt: «Beim Schwarznasenschaf kommt zurück, was man ihm gibt», sagt er schon fast philosophisch.

Die Akzeptanz der Branche in der Öffentlichkeit fördern

Noch ist die Alpsaison nicht gestartet, und daher ein wichtiges Thema für die Schweizer Schäfer, der Wolf, noch nicht ins Zentrum gerückt. «Ich habe zwei Positionen zum Wolf, eine private und eine als Präsident 
des Schafzuchtverbands», sagt Alwin Meichtry. Und fügt an: «Privat bin ich klar der Meinung, dass es in der Schweiz keinen Platz für den Wolf hat.» Als Präsident suche er nach Lösungen für das Problem der Raubtiere mit den involvierten Kreisen. Er selbst bringt seine Schafe während der Sommermonate ins Unterwallis zur Sömmerung. Die Alp ist bisher von Wolfsangriffen verschont geblieben. Ein Hirt oder auch ein Herdenschutzhund würde laut Meichtry dort keinen Sinn haben. «Bei 17 SN-Herden verschiedener Besitzer und den vier Wanderwegen wären Schutzhunde keine Option.» Die 17 Schafbesitzer würden abwechselnd und beinahe täglich auf der Alp zum Rechten sehen.


Der Wolf ist nur ein Thema, das den neuen Präsidenten beschäftigt. Die Herausforderungen seien zwar gross, aber Meichtry ist überzeugt, dass die Schweizer Schafhaltung Zukunft hat. Ein wichtiger Punkt für ihn ist die Akzeptanz der Branche in der Öffentlichkeit. «Das Ansehen der Schafzüchter und -haltern muss sich verbessern, insbesondere gegenüber gewissen Organisationen.»

Meichtry kritisiert vor allem die Umweltverbände, welche den Schäfern immer wieder «Knüppel zwischen die Beine» werfen würden. Auch der enorme administrative Aufwand erschwere den Tierhaltern das Leben. «Die Verordnungen sind zudem nicht immer praxisbezogen.»

Weiter will sich Meichtry dafür einsetzen, dass Absatzmöglichkeiten für das Schaf­fleisch optimiert werden. «Das Projekt Alplamm ist ein Schritt in die richtige Richtung», führt er als Beispiel auf.

Julia Schwery