Die Milchbauern hängen ihr Melkgeschirr an den Nagel und verlagern ihre Produktion in den geschützten Fleischmarkt. Das zeigt sich am rückläufigen Milchviehbestand, während der gesamte Rindviehbestand der Schweiz ziemlich stabil bleibt.
Nur ist das Wachstumspotenzial im Bankviehmarkt beschränkt, wie Heinrich Bucher, Direktor der Fleischbranchenorganisation Proviande sagt. Noch sind die Bankviehpreise gut, nämlich «solange beim Bankvieh der Selbstversorgungsgrad nicht wesentlich über den heutigen Wert von 80 Prozent steigt und ein Mengenausgleich bei Edelstücken über Importe möglich ist.» Ist das gewährleistet, sei die Entwicklung für die Fleischbranche positiv, findet Bucher.
Martin Rufer, Leiter des Departements Produktion, Märkte und Ökologie beim Schweizer Bauernverband, relativiert den Effekt: «Die Auswirkungen sind meiner Meinung nach eher schwach», sagt er. Zusätzlich sorgt der züchterische Fortschritt bei der Milchproduktion dafür, dass der Milchkuhbestand zwar sinkt, die Gesamtmilchmenge aber ziemlich konstant bleibt. Die nach wie vor hohe Milchmenge wird damit aber nicht reduziert.
Kurzfristig marktgerecht, mittelfristig problematisch
Weil rund 80% der Produktion von rotem Fleisch direkt mit der Milchproduktion zusammenhängen, müsse man die kurz- und mittelfristigen Perspektiven trennen, sagt Kurt Nüesch, Direktor der Schweizer Milchproduzenten (SMP).
Kurzfristig ist die Grenze im Fleischmarkt gut befestigt. Mit Zöllen und Importkontingenten ist es bisher gelungen, das inländische Preisniveau beim roten Fleisch weitestgehend zu erhalten. Für Landwirte kann es sich deshalb lohnen, ihre Produktion anzupassen. Sie verlassen damit allerdings den im internationalen Vergleich wettbewerbsfähigeren Produktionszweig Milch und ziehen quasi ins Reduit, die Produktion von rotem Fleisch.
Kurzfristig ist das absolut marktgerecht, längerfristig ist die anhaltende Abwanderung der Milchbauern in den geschützten Fleischmarkt allerdings mit Risiken behaftet. Denn im Milchbereich haben die Bauern und die Milchverarbeiter wesentliche Auslanderfahrung. «Beim Fleisch fehlt dieses Wissen heute noch weitestgehend», sagt Heinrich Bucher. Das könnte zu einem Wettbewerbsnachteil werden.
Transatlantisches Damokles-Schwert
Denn kommt die Schweiz durch die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) unter Zugzwang, ist eine weitere Liberalisierung der Agrarmärkte nicht ausgeschlossen. Davon besonders betroffen könnte auch die bis dahin gut geschützte Fleischbranche sein. «Ob das tatsächlich der Fall sein wird, ist derzeit noch völlig offen», erklärt Kurt Nüesch.
Zwar ist das TTIP das letzte grosse Handelsprojekt des bald scheidenden US-Präsidenten. Ein Abschluss per Ende 2016 ist dabei ebenso möglich wie eine durch den US-Wahlkampf bedingte Verzögerung. «Bis Mitte Jahr sollten wir wissen, ob mit einem baldigen Abschluss zu rechnen ist», meint Nüesch.
Derweil bleibt der Druck auf die Milchproduzenten hoch, die Preise werden sich kaum erholen – und im A-Segment geht die Milchmenge weiterhin leicht zurück.
Hansjürg Jäger