Ein Marketingfachmann würde nach der Debatte des Nationalrats über die Besteuerung der Gewinne aus Baulandverkäufen durch Landwirte von einem Super-GAU sprechen. Eine schlechtere Presse hätte der Schweizer Bauernverband und mit ihm die Landwirtschaft am Tag danach und über das Wochenende nicht bekommen können. Einmal mehr, ist man versucht zu sagen. Nach der Sommersession vor einem Jahr und nach der Wintersession im letzten Dezember tönte es nicht anders aus den gedruckten und elek­tronischen Medien. Über die Kommentare im Netz schweigt des Schreibers Höflichkeit. Sie sind wie meistens nicht zitierfähig. Doch ein negatives Bild verfestigt sich in der Öffentlichkeit. Die Bauern werden als Berufsgruppe wahrgenommen, die vom Staat Schutz und Unterstützung verlangt und dabei keine Hemmungen kennt, sich im Steuertopf des Bundes zu bedienen.


Dieses Bild ist schief bis falsch. Keine Frage. Auch bei dieser Vorlage. So what, könnte man deshalb fragen. Wo ist das Problem, wenn der Bauernverband mit seinen Anliegen im Parlament Mehrheiten findet? Es ist auch seine Aufgabe, die Interessen seiner Mitglieder zu verteidigen, und sei es nur eines Teils wie derjenigen der Bauland bewirtschaftenden und besitzenden Bauern. Für diese kam der Bundesgerichtsentscheid von 2011 einer faktischen Enteignung gleich. Handeln ist in einem solchen Fall für eine Interessenorganisation nicht nur Recht, sondern Pflicht.

Der Bauernverband versteht die Interessenpolitik. Er weiss die Anliegen zu bündeln, die eigenen Reihen zu schliessen, die Fäden im Bundeshaus zu ziehen und Partikularinteressen in diejenigen der Allgemeinheit zu kleiden. So muss es sein. Oder vielmehr, so müsste es sein. Denn so war es diesmal nicht. Der Entscheid wird als ungerechtfertigtes Geschenk an eine Gruppe von Bauern gesehen, für die man höchstens Neid und Missgunst empfindet. Der Entscheid des Nationalrats wird auch, das war unschwer vorauszusehen, ein politisches Nachspiel haben, sofern denn nicht der Ständerat das Geschäft in der Herbstsession im September beerdigt. Zu verlockend ist die Gelegenheit, sich mit einem Referendum zu diesem Thema zu profilieren.

Die parlamentarischen Erfolge geben dem Schweizer Bauernverband und seinem ebenso Dossier-festen wie taktisch versierten Präsidenten Markus Ritter bisher Recht. Aber der Preis könnte hoch sein. In rund einem Jahr wird das Volk über «seine Ernährungssicherheitsinitiative» befinden. Natürlich geht es in erster Linie nicht um konkrete Inhalte, sondern um ein Zeichen. Aber genau deshalb wird es der Ausgang dieser Volksabstimmung sein, der für Jahre über die politische Stellung der Landwirtschaft in diesem Land entscheiden wird. Geht dieses Kräftemessen an der Urne verloren, werden all die Erfolge im Parlament in Debatten über Budgets, Nachtragskredite und Steuervorlagen u. v. m. vergessen sein. Dem Bauernverband und mit ihm seinem Präsidenten wäre es dann wie dem Krug gegangen, der zum Brunnen ging, bis er brach. Oder anders ausgedrückt, bis ihm das Volk die Gefolgschaft verweigerte. Nicht weil es um den Wert der Landwirtschaft nicht mehr wüsste. Sondern weil ihm die Art, wie sie ihre Anliegen vertritt, überdrüssig geworden ist.


Die Situation im Frühjahr 2016 erinnert an die Zeit vor der Dreifachniederlage für den Bauernverband an der Urne im März 1995. Auch damals brannten angesichts parlamentarischer Erfolge bei ihm bei drei unterschiedlichen Vorlagen – Landwirtschaftsartikel, Milchwirtschaftsbeschluss, Solidaritätsbeiträge – die Sicherungen durch. Auch diesmal könnte es im Frühjahr 2017 zu einer gleichzeitigen Abstimmung über zwei Landwirtschaftsvorlagen – «Steuerprivileg für Baulandbauern» und «Ernährungssicherheitsinitiative» – kommen. Mehr Fingerspitzengefühl für Stimmungen in der Bevölkerung und etwas mehr Zurückhaltung bei Anliegen, welche für den Berufsstand nicht so wichtig sind, wären damals das bessere Verhalten gewesen. Vor 20 Jahren war man erst im Nachhinein klüger. Und heute?

Ruedi Hagmann

Auch die NZZ berichtet über das Thema