Nicht nur Lebensmittel, sondern auch Strom ernten – dieser Doppelverdienst wird für die Landwirtschaft immer greifbarer. Während bereits die ersten Schweizer Betriebe Agri-Photovoltaik installiert haben, stecken weitere mitten in der Planung. Die Möglichkeiten scheinen endlos: Nicht nur auf Obstkulturen, sondern auch über Ackerflächen, Weiden oder sogar mittels vertikalen PV-Anlagen an Zäunen kann Strom produziert werden. Aktuelle Berechnungen der ZHAW zeigen, wie gross das Potenzial tatsächlich ist: Schon die Nutzung von etwa einem Prozent der Schweizer Landwirtschaftsflächen würden ausreichen, um 10 Prozent des für 2050 prognostizierten Energiebedarfs zu decken.

So manche Beeren- sowie Stein- und Kernobstanlagen haben sich bereits als gut geeignet für Agri-Photovoltaik erwiesen. Bisherige Erfahrungen zeigten, dass der Ertrag bei einer 25-prozentigen Verschattung durch die Paneele sogar leicht ansteigen kann. Ein Grund ist der Schutz vor extremen Witterungen und auch eine geringere Anfälligkeit auf Krankheiten. Ein weiterer Vorteil ist der geringere Wasserverbrauch. Allesamt wertvolle Eigenschaften im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel. Trotzdem sei es schwierig zu sagen, ob dieser 10-Prozent-Beitrag an die Energiewende bis 2050 zu schaffen ist, meint Matthias Baumann von der ZHAW. Der Experte im Bereich Agri-Photovoltaik gibt zu bedenken, dass dieses eine Prozent Landwirtschaftsfläche immer noch 10 000 Hektaren Land umfasst, was eine enorme Fläche ist. «Es ist sicher nicht unmöglich, dies zu erreichen», so Baumanns Einschätzung. «Doch dazu müsste bis 2050 im Schnitt jährlich eine Agri-PV-Anlage in der Grösse von 400 ha errichtet werden. Und das scheint mir unter den aktuellen Rahmenbedingungen schwer vorstellbar.»

Kostspielige Netzanschlüsse

Die Hürden, die für Agri-Photovoltaik überwunden werden müssen, können von Hof zu Hof stark variieren. Ist ein Bauernhof zum Beispiel eher abgelegen, sind enorme Kosten für den Netzanschluss fast vorprogrammiert. «Am meisten lohnt sich immer der Eigenverbrauch», sagt Baumann. Auch die Preise für Batterien seien stark im Sinkflug, was eine Versorgungssicherheit auch bei Nacht und schlechtem Wetter ermöglicht. «Allerdings benötigen nur wenige Höfe so viel Strom, wie ihn eine grössere Anlage produziert», weiss der Experte. Deshalb könnten nahe Abnehmer wie eine industrielle Produktionsstätte eine attraktive Lösung sein. Die allermeisten Höfe müssten sich jedoch um einen Netzanschluss bemühen, schätzt Baumann. Laut ZHAW-Berechnungen eignen sich mehr als 20 Prozent der Schweizer Dauerkulturen sehr gut dafür, da sie weniger als 300 Meter vom Stromnetz entfernt liegen. Bei den offenen Ackerflächen betrifft dies sogar fast die Hälfte. Praxisbeispiele jedoch fehlen noch an allen Ecken und Enden. Vor allem fehlen Studien zu einzelnen Kultursorten. Denn jede könnte anders auf die Beschattung durch die Solarmodule reagieren.

«Am meisten lohnt sich immer der Eigenverbrauch.»

Die fehlende Erfahrung hindere noch so einige Betriebe daran, sich auf eine solch grosse Investition einzulassen, weiss Baumann. «Die meisten haben sich noch nicht vertieft damit befasst und befürchten, dass die Lebensmittelproduktion an Bedeutung verliert.» Er gibt zu, dass es bei der Umstrukturierung wegen der Agri-Photovoltaik zu gewissen Verlusten bei den Produktionsflächen kommen kann. «Wo die Bodenverankerung steht, können keine Maschinen fahren und somit kann dort auch keine Kultur mehr angepflanzt werden», so der Experte. «Auf diesen Streifen könnte man aber zum Beispiel Nützlinge und die Biodiversität fördern.» Ausserdem sei es möglich, die Verluste von Produktionsfläche durch höhere Erträge wieder wettzumachen. Denn die Agri-Photovoltaik bietet Möglichkeiten, die landwirtschaftliche Produktion vor den zunehmend verstärkenden negativen Folgen des Klimawandels zu schützen.

Eine Investition für die Zukunft

«Es ist klar, dass es sich hier um eine grössere Investition handelt», betont Baumann. «Die Amortisationszeit hängt dabei stark von der Einspeisevergütung und vom Anteil Eigenverbrauch des Stroms ab.» Wenn einem Betrieb das Investitionsgeld für Agri-Photovoltaik fehlt, empfiehlt Baumann beispielsweise eine Co-Finanzierung mit einem nahen Energiewerk. «Die sind unter Umständen ebenfalls interessiert an erneuerbarer Energie», weiss der Experte. «Und wenn es für sie die Möglichkeit gibt, lokal Solarenergie zu beziehen, wird so manches bereit sein, hier zu investieren.»

Trotzdem hofft er, dass die Agri-Photovoltaik in Zukunft mehr Unterstützung von der politischen Seite erfahren darf. «Das Interesse an erneuerbarer Energie ist ja grundsätzlich da», so der Wissenschaftler. «Manche argumentieren, dass wir uns zuerst auf Dächer fokussieren sollten, aber das machen wir schon lange und es reicht einfach nicht.»