Kurz & bündig

- Agroscope forscht am Standort Wallis in Gewächshäusern, unter anderem zur Energieversorgung.
- Für die Vertical Farming-Firma Yasai versuchen sie, die Licht- und Nährstoffversorgung zu optimieren.
- Die Zukunft des Schweizer Gemüsebaus sieht Forscher Cédric Camps klar im Gewächshaus- und im Freiland-Anbau.

Im Zentralwalliser Ort Conthey stehen unauffällige Gewächshäuser neben der Autobahn. Darin wachsen Tomaten und Auberginen – wenig spektakulär eigentlich.

Doch die Pflanzen werden von Agroscope-Forschenden betreut. Und diese versuchen zum Beispiel herauszufinden, wie Tomaten zeigen, dass sie durstig sind. Dazu messen sie die elektrischen Ströme, die durch die Pflanze fliessen. Forscher Cédric Camps vergleicht die Technik mit einem Elektro-Kardiogramm beim Menschen. Das System ist bereits bei ersten Produzenten im Test. Es funktioniert und ermöglicht eine ganz gezielte Bewässerung.

Denn: Um im Freiland ein Kilogramm frische Tomaten zu produzieren, es braucht es mehr als 200 Liter Wasser. Im Gewächshaus, als Hors-Sol produziert, sind nur 15 Liter pro Kilogramm nötig.

Im Winter sind Schweizer Tomaten wirtschaftlich uninteressant

Cédric Camps will kein Produktionssystem schlecht reden: «Im Freiland produzierte Tomaten haben natürlich ihre Berechtigung.» Bloss: «Wer dann ab Hof verkauft, hat nur ein kleines Produktionsfenster und der Kilopreis ist natürlich höher.» Es gebe dafür einen Markt: KonsumentInnen, die bereit seien, für lokal produzierte Ware auch mehr zu bezahlen.

Tatsache ist aber, dass Tomaten ganzjährig gefragt sind. In Schweizer Gewächshäusern werden sie von Ende März bis Mitte November produziert. Eine kürzlich erschienene Agroscope-Studie hat gezeigt, dass die Winter-Produktion so viel Energie braucht, dass sie wirtschaftlich uninteressant ist.

Symbolbild mit Spielzeug-Traktor und dem Porträt von Jürg Vollmer. EditorialWenn Ökonomen Landwirtschaft «spielen» – Editorial von Jürg VollmerDienstag, 22. August 2023 Camps hat deshalb auch bei den Aussagen des Ökonomen  Matthias Benz in der NZZ von Mitte August einige Fragezeichen (siehe Editorial). Benz sagt, dass Bio-Tomaten aus Spanien ökologischer seien als solche aus ÖLN-Anbau in der Schweiz. «Man muss die gleichen Produktionssysteme vergleichen, sprich Bio mit Bio», entgegnet Camps. Denn natürlich brauche eine Tomate in Spanien weniger Energie in der Produktion als eine in der Schweiz. Doch eine Schweizer Gewächshaustomate, in Hors-Sol produziert, belaste den Boden nicht, brauche wenig Wasser und so gut wie keinen Pflanzenschutz.

Kein Geschmacksunterschied bei Tomaten aus dem Gewächshaus

In den Gewächshäusern von Conthey bestäuben Hummeln, während Nützlinge Schädlinge bekämpfen. Auch der Geschmack der gleichen Sorte ist auf dem Höhepunkt des Freilandanbaus, wie die Blindverkostungen des Tomatenfestivals in Genf zeigen.

Die Pflanzen wachsen auf Substrat aus Kokosfasern. «Gut ist, dass sich diese kompostieren lassen. Schwierig ist hingegen die Abhängigkeit vom Ausland – während der Pandemie war es für die Produzenten teilweise schwierig, Nachschub zu bekommen,» so Camps. Auch das ist ein Forschungsfeld von Agroscope.

Agroscope erforscht,wonach die Produzenten fragen

Die Wünsche an die ForscherInnen kommen von den Kantonen und den Produzenten, die rasch Lösungen für Probleme brauchen: Zum Beispiel, was passiert, wenn zum Lüften einzelne Dachelemente der Gewächshäuser geöffnet werden und zum Schutz vor Insekten mit Netzen abgedichtet sind. Denn dies verändert das Klima, es wird feuchter, was Krankheiten begünstigt. In den Gewächshäusern in Conthey gibt es genau dazu Versuche.

Dazu kommen längerfristige Forschungsprojekte und zukunftsgerichtete Themen. Etwa, wie es sich verhindern lässt, dass Tomaten auf-platzen. Was am Ende umgesetzt werden kann, ist auch eine Ressourcenfrage.

Licht- und Nährstoffversorgung bei Vertical Farming verbessern

Eines der Zukunfts-Projekte ist Vertical Farming: Camps und sein Team unterstützen das Vertical Farming Start-up Yasai (siehe Box) mit Forschung.[IMG 2]

«Etwa dazu, welche Basilikum-Sorte sich am besten für den Anbau eignet oder wie sich Licht- und Nährstoffversorgung optimieren lassen.» Dazu gibt es auf dem Forschungsareal eine Anlage für Vertical Farming, in welcher sich alle Klimazonen simulieren lassen.

Die Anlage erinnert etwas an einen Luftschutzraum mit Metallschränken. In deren Inneren können auf Schaumstoff auf mehreren Etagen Kräuter oder Salate wachsen. Den Menschen braucht es zwar immer noch für die Produktion, doch eher als Techniker denn als Landwirtin oder Erntehelfer.

Das System ist geschlossen und wird von aussen gesteuert, die einzelnen Gefässe mit Kräutern werden von Robotern aus dem System geholt. Der Sinn dahinter: Keinerlei Keime einschleppen, um ohne Pflanzenschutz produzieren zu können.

Vertical Farming braucht ein Vertriebsnetzwerk

«Wer so produzieren will, muss sich zuerst überlegen, wer die Produkte kauft», sagt Camps. Denn diese sind wegen der anspruchsvollen Technik und dem hohen Energieverbrauch teurer. Was Start-ups wie Growcer und Infarm in Europa in den Konkurs getrieben hat. In den USA stehen hingegen Vertical-Farming-Anlagen, die Supermärkte direkt mit Kräutern und Salat beliefern.

Camps sieht die Zukunft des Schweizer Gemüseanbaus klar im Gewächshaus und im Freiland. «Vertikale landwirtschaftliche Produkte werden ihren Platz haben, wenn sie in ein Vertriebsnetzwerk integriert werden und wenn die Herausforderungen der Energie gemeistert werden», so Camps. Doch auch im «klassischen Anbau» gibt es einige Herausforderungen zu meistern.

Die grösste sei die Energieversorgung. Agroscope testet deshalb zum Beispiel ein System, welches das Sonnenlicht filtert. Es lässt die für die Pflanzen «nützlichen» Farben passieren und bündelt die restlichen Farben auf einem Photovoltaik-Modul. Auf diese Weise lässt sich das gesamte Lichtspektrum nutzen.

Camps findet auch Zusammenarbeitsformen mit der Industrie sinnvoll. So nutzen etwa die Gebrüder Meier im zürcherischen Buchs die Abwärme der Kläranlage. Damit können sie seit November 2022 ohne fossile Stoffe ihre Gewächshäuser zu heizen. Daher kann sich Camps vorstellen, dass in Industriezonen vermehrt in Gewächshäusern Gemüse produziert wird.

Vertical Farming in der Schweiz

Seit 2020 arbeitet Yasai im Bereich Vertical Farming. Mark E. Zahran, Stefano Augstburger und Philipp Bosshard haben die Firma mit Unterstützung der ETH Zürich gegründet.

Bis heute wird Yasai von der ETH (finanziell) unterstützt, Agroscope berät in Forschungsfragen. Deshalb ist Yasai auch kein klassisches Start-up, das «nur» mit einer Geschäftsidee beginnt, hinter welcher die Firma hohes Wachstumspotenzial vermutet. Die Firmen Growcer und Infarm, die ebenfalls in der Schweiz tätig waren, sind mittlerweile Konkurs (Growcer) oder haben sich aus dem europäischen Markt zurückgezogen (Infarm).

Yasai produziert im zürcherischen Niederhasli frische Kräuter, mit denen Coop beliefert wird. Die «Farm» umfasst 1200 m2.. Auf sechs Ebenen wachsen in der Vertical Farming-Anlage rund 128 000 Pflanzen. Davon kann das Spin-off der ETH Zürich jährlich insgesamt rund 20 Tonnen Basilikum, Minze, Dill und Koriander ernten.

www.yasai.earth