Bisher war die Politik in der Schweiz der Auffassung, dass freistehende Solaranlagen im Kulturland nicht landwirtschaftlich begründet werden können und daher als nicht zulässig gelten. Für den Ausbau der Solarenergie als saubere Energiequelle konzentrierte man sich auf Dächer und Fassaden.
Im Ausland ist die Doppelnutzung der Fläche für die Produktion von Sonnenstrom und Nahrungsmittel hingegen schon verbreiteter in der Praxis und es zeigen sich positive Effekte der Paneele auf Nutzpflanzen. Nun passt sich der Bundesrat dem neuen Wissensstand an.
Positiver Effekt wird vorausgesetzt
Konkret heisst es im Artikel 32c der Raumplanungsverordung, deren Vernehmlassung aktuell läuft:
Solaranlagen mit Anschluss ans Stromnetz können ausserhalb der Bauzonen insbesondere dann standortgebunden sein, wenn sie in Gebieten, die an Bauzonen angrenzen, in Strukturen integriert werden, die Vorteile für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung bewirken oder die entsprechenden Versuchs- und Forschungszwecken dienen.
Im erläuternden Bericht zur Vernehmlassung betont der Bundesrat das Ziel einer Synergie bei der Doppelnutzung. Es sei nicht ausreichend, dass trotz Solaranlagen noch Landwirtschaft betrieben werden könne. Vielmehr gehe es darum, dass dank der Solaranlage höhere Erträge erzielt werden als ohne.
Neben Anlagen zu Forschungszwecken sollen in der Landwirtschaftszone auch solche erlaubt werden, die «gesicherte Erkenntnisse aus den Forschungsanlagen nutzen».
Synergie-Effekt konnte gezeigt werden
In den Niederlanden wachsen Himbeeren unter semitransparenten Solarzellen, die sie vor Hagel, Starkregen, Frost und zu starker Sonne schützen, wie David Eppenberger anlässlich des Fachkongesses Agrivoltaics 2020 berichtete. Die Pflanzen kühlen die Luft, was die Stromproduktion verbessert und sie verlieren ausserdem weniger Wasser. Agroscope forscht im Walliser Ort Conthey ebenfalls zum Beerenanbau unter Solar. Dort kommen Paneele zum Einsatz, deren Lichtdurchlässigkeit steuerbar ist.
Noch sei unklar, welche Kulturen sich generell für Agrophotovoltaik eignen, hiess es am Fachkongress im letzten Jahr. Im. Vergleich zum üblichen Anbau fielen die Erträge in einer Pilotanlage am Bodensee bei Weizen, Kleegras und Sellerie mit Solaranlage beispielsweise tiefer aus – dafür waren die Proteingehalte bei Weizen und Klee höher.
Hohe Anforderungen an den Standort
Vor allem in wenig empfindlichen Gebieten angrenzend an Bauzonen erachtet der Bundesrat freistehende Solaranlagen in der Landwirtschaftszonen als vertretbar. Aber auch neben Bauzonen könne es eher empfindliche Gebiete geben, wo keine Baubewilligung erteilt werden solle. Ausschlaggeben sein können laut erläuterndem Bericht Naturschutzanliegen, der Landschaftsschutz und das Landschaftskonzept Schweiz.
Bewilligung könnte widerrufen werden
Die Raumplanungsverordnung sieht nicht vor, dass Solaranlagen gemäss Artikel 32 für die Ewigkeit bewilligt werden: «Bei veränderten Verhältnissen ist neu zu verfügen», heisst es dort. Bei Mindererträgen unter der Solaranlage wäre die Voraussetzung für eine Bewilligung nicht (mehr) gegeben und sie könnte damit widerrufen werden. Die Solaranlagen seien bei Ausbleiben eines Synergieneffekts zurückzubauen, ausser es gibt eine Bewilligung für eine neue Versuchsanordnung, der erläuternde Bericht.
Artikel 32 macht auch Hoffnung für den Bau von Solarzäunen. Denn er schlägt ebenfalls Bewilligungen vor für Solaranlagen, die «in ästhetischer Hinsicht in Flächen wie Fassaden, Staumauern oder Lärmschutzwänden integriert werden, die voraussichtlich längerfristig bestehen». Die Idee hierbei sei, ohnehin bestehende Flächen für die Energieproduktion zu nutzen. Bauten sollten aber nicht wegen der Solaranlage länger als nötig stehen bleiben, hält der Bundesrat fest.
Die Vernehmlassung dauert bis im Januar 2022.