Über Gefühle reden, ist nicht jedermanns Sache. Bauern, so scheint es, tun sich damit besonder schwer. «Generell haben Männer eine andere Kommunikation als Frauen», weiss Andri Kober, seit Anfang Jahr Präsident des bäuerlichen Sorgentelefons.
Doch auch in der Kommunikation habe sich einiges geändert. «Die Alten hatten für viele Gefühlsdinge noch gar keine Worte. Oder höchstens im Liedgut. Bei den Jungen ist das ganz anders, auch bei den Männern.» Kober ist Theologe und Mediator.
Kein Feierabend als Dorfpfarrer
Seine Vollzeit-Pfarreistelle im ländlich geprägten Rüeggisberg BE hat er vor neun Jahren aufgegeben, auch auf Anregung seiner Frau und der beiden Töchter. «Als Dorfpfarrer hast du nie Feierabend.»
Das ist inzwischen anders. Neben einer Teilzeit-Anstellung betreut er als freischaffender Seelsorger, Mediator und Projektleiter verschiedene Mandate wie das bäuerliche Sorgentelefon. Eine Anlaufstelle, die nach wie vor ihre Berechtigung habe, meint der Fachmann.
Wie zu Gotthelfs Zeiten
Man weiss: Der Druck und die Unsicherheit in der Branche ist gross. «Politische Entscheide für die Landwirtschaft machen die Sache nicht leichter. Manchmal kommt es mir vor wie zu Gotthelfs Zeiten, es gibt immer noch klare Gewinner und Verlierer, nur auf einem anderen Level.»
Die Aufgabe für die Zukunft sei es, einen Umgang mit dieser Unsicherheit zu finden. «Es ist wichtig, auch dem seelischen Wohlbefinden seinen Platz zu geben, nicht nur dem materiellen.»
In Krisenzeiten sei es für jeden zentral, auf seine Ressourcen zurückzugreifen, wie zum Beispiel die Familie. Ein Telefongespräch mit einem der anonym und ehrenamtlich arbeitenden Mitarbeitenden des Sorgentelefons kann ein erster Schritt sein, sich solcher Ressourcen wieder zu besinnen.
Verbindliche Schritte vereinbaren
«Es geht darum, die Muster zu durchbrechen, Handlungsspielraum zurückzugewinnen und die die Eigenmotivation anzuregen», erklärt Andri Kober. «Das Ziel ist, Verbindlichkeiten zu schaffen, auch zeitliche, zum Beispiel: Hol dir noch heute Hilfe. Oder: Was, ganz konkret, ist dein nächste Schritt?
Solch verbindliche Ziele und Zeiten sind wie ein Zaun, an dem man sich orientieren kann.» Ihm selbst helfe in schwierigen Zeiten zudem das Wissen, dass alles zyklisch sei: die Jahreszeiten, das körperliche Werden und Vergehen, der Wechsel von guten und schlechten Zeiten.
Sich eingestehen, dass man in einer Krise steckt und Hilfe braucht, falle Frauen oft etwas leichter als Männer. Sie machen meist den ersten Schritt nach aussen. «Männer brauchen Vertrauen und einen geschützten Rahmen. Dann sind auch sie dazu bereit.»
Das Sorgentelefon
Das Bäuerliche Sorgentelefon ist ein Hilfsangebot für Bäuerinnen, Bauern und ihre Angehörigen sowie alle anderen in der Landwirtschaft tätigen Menschen
in schwierigen Situationen. Der Kontakt bleibt anonym.
Die Nummer 041 820 02 15 ist drei Mal in der Woche betreut:
Montags von 8.15 bis 12 Uhr
Dienstags von 13 bis 17 Uhr
Donnerstags von 18 bis 22 Uhr
www.baeuerliches-sorgentelefon.ch