Gruyère ist beliebt. Sehr beliebt sogar. Erstmals hat der Käse mit dem gefälligen Geschmack im letzten Winter nämlich auch im Export den Emmentaler überholt. Für den Grosslochkäse war damit auch das Prädikat «Exportschlager» weg. Dasjenige des meistproduzierten Käses der Schweiz hatte Gruyère schon 2008 vom Emmentaler übernommen.
Beides sind die Folgen von richtigen Entscheiden: Die Interprofession Gruyère hat früh den Schutz der geografischen Ursprungsbezeichnung angestrebt. Heute ist ein richtiger Gruyère ein Gruyère AOP. Zudem loben alle die klare Differenzierung am Markt. Gruyère AOP steht nicht in der Konkurrenz zu billigem Industriekäse, die Nachfrage ist weniger preissensibel. Ausserdem wird mit der althergebrachten Produktionsweise ein Gefühl nach Ursprünglichkeit und Echtheit vermittelt. Sinngemäss stand das am 18. September 2015 in der BauernZeitung. Der Titel des Texts: «Besser als der Rest».
So ist der Gruyère im Export ein authentischer Käse aus der Schweiz, der auch im rauen europäischen Wettbewerb bestehen kann. Wenig über- raschend ist der Gruyère in allen Diskussionen zum Grenzschutz und zum Freihandel im Agrarbereich präsent. Und zwar als Beispiel dafür, dass es doch geht und zum Vorteil aller ist.
Allerdings hat das ganze einen Haken. Die guten Zahlen täuschen nämlich darüber hinweg, dass auch der Gruyère ein Absatzproblem hat. Ein kleiner Trost: Die Gruyère-Produzenten sind nicht alleine. Auch die übrige Käsebranche hat ein Problem, ein Absatz- und ein Produktionsproblem. Das zeigt ein vergleichender Blick auf die Produktionsmengen der Jahre 2000, 2010 und 2017, die von TSM-Treuhand in der Milchstatistik publiziert werden.
2017 liegt noch 6812 Tonnen über derjenigen von 2000. Im Vergleich zu 2010 jedoch ist die Käseproduktion um 7135 Tonnen zurückgegangen. Oder anders formuliert: Nach der Hausse kommt die Baisse. Und nach den Rekorden ist man schon wieder auf halbem Weg zurück in die Versenkung. Der Absturz ist aber nicht überall gleich hart. Mit Abstand am härtesten getroffen hat es den Emmentaler. Dort ist die Produktion in den letzten 17 Jahren von 45 000 auf 17 000 Tonnen zurückgegangen. Beim Gruyère hingegen war man 2017 mit 26 099 Tonnen nur um 110 Tonnen unter dem Produktionsniveau von 2000.
Der Zahlenvergleich von 2000 und 2017 lässt ausserdem noch einen anderen Schluss zu: Die Sortenkäse finden keine neuen Kunden. In der Produktion zugelegt haben nämlich nicht die viel gepriesenen Flaggschiffe, sondern die Billigprodukte. Angefangen bei der Schmelzrohware über den Emmentaler-Verschnitt Switzerland Swiss bis hin zu Mozzarella, Frischkäse, Raclettekäse, Butter und ein paar anderen Produkten. Bei den in der TSM-Statistik ausgewiesenen AOP-Käsen sind es genau zwei, die in den vergangenen 17 Jahren ihre Produktions- und damit auch die Absatzmengen steigern konnten: Tête de Moine AOP und Vacherin Fribourgeois AOP. Beim Tête de Moine AOP stieg die Produktion von 1567 Tonnen im Jahr 2000 auf 2340 Tonnen 2017. Beim Vacherin Fribourgeois AOP hat man die Produktionsmenge von 2067 auf 2644 Tonnen steigern können.
Vor diesem Hintergrund den Gruyère als besten Käse der Schweiz zu loben, ist zwar nicht ganz falsch, aber eben auch nicht ganz richtig. Einerseits hat sich die Positionierung des Käses als Natur- und Qualitätsprodukt mindestens im Export im Vergleich zu allen anderen Produkten offenbar bewährt. Andererseits: Wenn selbst der Gruyère in den letzten Jahren an
Boden verliert, ist die Positionierung auch nicht mehr das, was sie einmal war.
Ausserdem ist die heutige Struktur im Käsemarkt kaum zeitgemäss für die Sortenkäse. Denn lieber (und besser) verkaufen die Händler und Exporteure ihre eigenen Käse oder Sortenkäse unter eigener Marke. Das zeigt übrigens auch die Entwicklung der Halbhartkäseproduktion, die seit 2010, wie die Sortenvielfalt, zulegt. Und das wiederum ist die Reaktion der Käser auf die mässige Absatzleistung der Sortenkäse.
Wenn also Wachstum die Grundlage für die Beurteilung der zu erwartenden Situation ist, dann dürften die Sorten- käse in Schönheit sterben. Sie werden zwar noch lange Zeit beliebt bleiben, aber sie dürften in immer kleinere Nischen zurückgedrängt werden. Bis sie irgendwann genau gleich wichtig sind, wie alle anderen Käsemarken. Schade eigentlich.
Hansjürg Jäger