Vor der Haustüre schnattern die schneeweissen Gänse, sie picken seelenruhig
ihre Leckerbissen im Gras. Ein grosses, fünf Kilo schweres Prachtexemplar lässt sich von Astrid Spiri gar auf den Arm nehmen. Sie scheint die Liebkosung zu geniessen, während ihre Halterin von ihrer Zuneigung, ihrer besonderen Empathie zu ihren Gänsen erzählt.
«Diese stolzen, rundlichen Diepholzer Gänse gehören zu den in Vergessenheit geratenen Gefügelrassen und haben es mir einfach angetan. Die Arbeit mit ihnen macht mir grosse Freude und bringt mir viel Entspannung in den Alltag», sagt die 44-jährige Familienfrau, die vor einigen Jahren das Bauernhaus ihrer Grossmutter erwerben konnte und sich hier, zusammen mit ihren vier Kindern und ihrem Partner ein kleines Paradies erschaffen hat.
Im Moment leben acht Appenzeller Spitzhaubenhühner mit einem Hahn, sechs Schweizerhühner, zwei Appenzeller Barthühner und acht Gänse mit ihren sechs Gössel auf dem Anwesen.
Vermittelt Bruteier und Zuchttiere
Astrid Spiri ist nicht bloss Züchterin von früheren Geflügelrassen, sie engagiert sich im Züchterverein ursprünglichen Nutzgeflügels (ZUN) mit 550 Mitgliedern aus der ganzen Schweiz und ist seit acht Jahren auch deren Präsidentin. Zudem führt sie das Herdenbuch und amtet als Tierkoordinatorin. «Mit dieser Arbeit bin ich sozusagen mittendrin», lacht sie und erklärt, dass sie bei der Vermittlung vom Brutei bis zum Zuchttier behilflich sei und deshalb mit Züchtern aus der ganzen Schweiz in Kontakt stehe.
Auch beim vor drei Jahren gegründeten Verein Weidegans arbeitet sie im Vorstand mit. Ziel von Weidegans.ch ist, die Gänse wirtschaftlich zu halten und über die Direktvermarktung an die Konsumenten zu verkaufen. Ein interessantes zweites Standbein gerade für die kleineren Landwirtschaftsbetriebe.
Die Vereinstätigkeit bringe ihr viel Abwechslung und mache Spass, erzählt die engagierte Mutter von vier Kindern zwischen 18 und 24 Jahren, die in Tägerwilen auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Als Teilzeitangestellte arbeitet sie heute auch bei ihrem Partner in der Lohnmetzgerei Erwin Schenk, der als zweites Standbein einen Landwirtschaftsbetrieb mit 150 Mutterschafen führt und mit drei Border Collies als Hütehunde arbeitet.
Von den Wirtschaftshühnern verabschiedet
Angefangen hat ihre zunehmende Leidenschaft vor bald 20 Jahren mit ganz normalen Hybridhühnern, wegen der Eierproduktion, erzählt sie. «Wir sind eine süsse Familie, und ich backe sehr gern, deshalb waren die frischen Eier stets willkommen.» Das sei auch heute noch so, hingegen habe sie sich von den Wirtschaftshühnern, welche lediglich zum Eierlegen ihr Dasein fristen, längst verabschiedet. Mit ihren ersten Schweizerhühnern mit dem schneeweissen Gefieder und dem kräftigen roten Kamm habe es ihr dann endgültig den Ärmel reingenommen, erzählt sie.
Auch wenn sie auf einem Bauernhof aufgewachsen war, kannte sie den Unterschied zwischen Rassentieren und Hybriden nicht und lernte erst durch den Kontakt mit dem Verein Pro Specie Rara und ZUN, wie wichtig es ist, Rassentiere nicht nur zu halten, sondern diese auch zu züchten. Später kamen Diepolzer Gänse und die Spitzhaubenhühner dazu, die heute zu ihrem ganz besonderen Stolz gehören.
Mit Besuchern ins Gespräch kommen
Jedes Jahr reisen ein paar dieser speziellen Hühner von Astrid Spiri an die Olma und werden sich mit ihrem auffälligen Kopfschmuck, die nach vorne geneigte Federhaube, sie erinnert an die Trachtenhaube der Appenzeller Sonntagstracht, den Besucherinnen und Besuchern präsentieren.
Für Astrid Spiri ist die Präsentation an der Olma jeweils eine willkommene Möglichkeit, einer breiten Öffentlichkeit die seltenen Geflügelrassen zu zeigen und mit möglichen neuen Züchtern ins Gespräch zu kommen. «Das Halten und Züchten der
alten Rassen macht nicht nur Spass, wir Züchter sorgen damit auch dafür, dass die genetische Vielfalt erhalten bleibt.»
Ruth Bossert