Neuerdings klagen Landwirte im Berner Mittelland vermehrt über Schäden durch Rothirsche im Mais und in den Kartoffeln. Im Emmental und Berner Oberland sind die Hirsche schon länger ein Problem.
Es fehlt ein Schnitt
Ein besonderer Fall betrifft drei Bauernbetriebe im Grenzgebiet zwischen Schangnau BE und Flühli LU. Ihr Land befindet sich im Jagdbanngebiet Tannhorn. Dort darf nicht gejagt werden. Für die betroffenen Landwirte ist dies ein grosses Problem. Hirsche sind sehr schlau. Sobald die Jagdzeit beginnt, ziehen sie sich in die Banngebiete zurück, wo sie über Nacht die Herbstweide wegfressen und im Frühling die frischen Halme unter der Schneedecke hervorkratzen. «Wir haben zeitweise 100 bis 150 Hirsche bei uns auf dem Land», erzählt Matthias Gfeller, einer der drei Landwirte. Er hat einen Ganzjahresbetrieb im Jagdbanngebiet. Auf dem Betrieb fehlt mittlerweile ein gesamter Schnitt. «Wenn das so weitergeht, können wir hier in wenigen Jahren aufhören mit der Landwirtschaft.» Gfeller und die anderen zwei Betriebsleiter sind mit ihrer Situation praktisch alleingelassen.
Rechtlich seien der Jagdverwaltung des Kantons Luzern, auf welchem sich das Banngebiet befindet, die Hände gebunden, hat man Gfeller erklärt. Schadensvergütungen erhalte er nur spärlich, und dies obwohl Peter Ulmann, Leiter der Jagdabteilung vom Kanton Luzern sagt, dass vergütungsberechtigte Schäden durch die kantonale Jagdkasse getragen würden.
Gfeller findet aber auch, dass die finanzielle Abgeltung für die Schäden nicht die Lösung des Problems wäre. Damit er mit seinem Betrieb weiterfahren könnte, müsste der Hirschbestand in diesem Gebiet gesenkt werden.
Gut eingespielt
Im Kanton Solothurn habe man keine Probleme mit dem Hirsch, gibt Marcel Tschan, der dortige Jagdverwalter, Auskunft. Die Obwaldner wollen den Rothirsch mit der Jagd im Griff behalten. Im Kanton Graubünden ist der Rothirsch bereits vor 100 Jahren zurückgekehrt. Entsprechend hat sich «das Verhältnis zwischen den Hirschen und den Schäden im Kulturland und dem Weideland gut eingespielt», erklärt Hannes Jenny, Wildbiologe des Kantons Graubünden. Dort ist mittlerweile alles genau geregelt. Schäden über 200 Franken, die über 5% des Ertrags ausmachen, werden vergütet. Auch für den Schutz von Intensivkulturen, zwei Meter hohe Geflechtzäune, können Bauern Beiträge erhalten.
In der Frage der Hirschpopulation ist sich Jenny sicher, dass die Organisation der Wildschutzgebiete das A und O ist. Im Bündnerland gebe es ein Netz von Schutzgebieten, in welche sich die Hirsche zurückziehen können. «Das ist wichtig, so zirkulieren sie zwischen den Gebieten und werden dadurch bejagbar, erklärt er.
Im Fall von Gfeller bleibt jedoch noch einiges ungeklärt.
Jasmine Baumann