BauernZeitung: Kürzlich war an einer Veranstaltung zu hören, die Qualitätsstrategie der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft sei zwar eine gute Sache, aber die Akteure müssten mehr daraus machen. Wie sehen Sie das als Präsident der Kerngruppe, lebt die Qualitätsstrategie oder geschieht tatsächlich zu wenig?


Christof Dietler: Die Qualitätsstrategie im Sinne der «Charta» wird täglich in Tausenden 
Schweizer Un
ternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft gelebt. Davon bin ich überzeugt. Ergänzend ist die Kerngruppe Qualitätsstrategie mit Vertretern des Bauernverbandes, der Grossverteiler, der Stiftung für Konsumentenschutz, Bio Suisse, Agro-Marketing Suisse, Fromarte und der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial) als Beisitzerin prominent besetzt. Die Qualitätsstrategie lebt. Wir haben entschieden, dass wir dieses Jahr wieder eine grössere Veranstaltung durchführen. Zudem ist es der Wille der Kerngruppe, das 
Engagement zukünftig in die Hände eines Vereins zu übergeben. Dadurch wollen wir uns auch formal vom Bund lösen. Das geschieht noch dieses Jahr.


Welches ist denn aus Ihrer Sicht der grösste Erfolg der Qualitätsstrategie?


DIETLER: Eine ganze Branche mit einer grossen Anzahl von

relevanten Unternehmen und Organisationen hat sich 2012 in einer Qualitätscharta auf gemeinsame Werte geeinigt. Diese sind nach wie vor aktuell.


Aus der Trägerschaft sind zurzeit keine aktuellen Projekte auf der Webseite zu finden. Gibt es aktuelle Projekte und Aktionen und wenn ja, welche?

DIETLER: Für uns ist wichtig, dass wir weiterpflegen, was in der Charta beschrieben ist, also Stichworte wie Marktoffensive, Marktpartnerschaft, Qualitätsführerschaft. Die Charta ist die Grundlage, auf die sich die Marktteilnehmer beziehen können.


Und tun sie das? Leben sie die Charta?


DIETLER: Ja, tausendfach. Von der Kerngruppe aus haben wir darauf verzichtet, weitere Projekte aufzuführen. Es ist auch nicht unser Anspruch, extrem viele eigene Projekte anzustossen, um zu zeigen, dass wir am Leben sind. Wichtig ist, dass man weiss, auf welche Werte man sich bezieht und dass man sich austauscht. Als eigenes Projekt haben wir letztes Jahr mit der direktbetroffenen Branche intensiv die Eiweissstrategie erarbeitet. Wir wollen die Qualitätsstrategie mit Leuchtturmthemen wie Eiweiss versinnbildlichen. Ich denke, das ist uns gelungen. Vor kurzer Zeit konnten wir die von uns finanzierte Studie zu den Importen von Eiweissträgern publizieren.


Welche Themen schweben Ihnen für die Zukunft vor?


DIETLER: Dieses Jahr wollen wir die Werte der Qualitätscharta bestätigen. Ausserdem wollen wir anschauen, was der Wert «Ohne Gentechnik» für die Branche bedeutet und welche Möglichkeiten es hier gibt.


Denken Sie dabei auch an eine Auslobung?


DIETLER: Dieser Zug ist abgefahren. Wir haben beschlossen, das nicht weiterzufolgen, weil man damit schon mehrfach gescheitert ist. Aber hier zeigt sich wieder der Wert der Charta: Es geht um eine Gesamtpositionierung der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft und da­rum zu zeigen, dass «ohne Gentechnik» ein selbstverständlicher Mehrwert aller Schweizer Produkte ist. Wir befinden uns mit der Qualitätsstrategie auf der übergeordneten Ebene. Das wollen wir zeigen.


Die Qualitätsstrategie wurde mit Hinblick auf eine mögliche Liberalisierung der Agrarmärkte initiiert. Nachdem eine solche Liberalisierung aktuell in weite Ferne gerückt scheint, braucht es die Qualitätsstrategie überhaupt noch?


DIETLER: In weiter Ferne sehe ich persönlich zusätzliche erzwungene oder gewünschte Zollreduktionen nicht. In der Schweiz ist die Konkurrenz aus dem Ausland gegenwärtig aber sicher nicht so gross, dass man sich noch besser gemeinsam abgrenzen müsste. Grenzöffnungen sind aber keine Grundbedingung für eine Qualitätsstrategie.


Bei der Lancierung kam Skepsis vor allem aus der Nahrungsmittelindustrie und von den Grossverteilern. Wie stehen diese aus Ihrer Sicht heute zur Qualitätsstrategie, engagieren sie sich ebenfalls?


DIETLER: Auf jeden Fall. Wir haben ein gutes Einverständnis in der Kerngruppe und gerade beim Thema Eiweiss hat man sehr gut zusammengearbeitet. Zum Thema Eiweissträger mit Importen aus Süd- und Nordamerika kamen verschiedene Medienanfragen. Darauf konnten wir antworten, dass sich die Branche damit beschäftigt, man sich trifft, austauscht und an der Arbeit ist, das Problem gemeinsam zu lösen. Das hat überzeugt. Also kann aus der Qualitätsstrategie durchaus etwas wachsen.


Ist es vielleicht ein Problem, das die Qualitätsstrategie nicht so fassbar ist?


DIETLER: Natürlich, da haben Sie recht. Wenn ich sage, wir befinden uns auf der übergeordneten Ebene, dann ist sie nicht so fassbar. Für die konkrete Ebene sind die einzelnen Unternehmen zuständig. Sie brauchen Spielraum zur eigenen Profilierung ihrer Markenprodukte.


Wie sehen Sie die Zukunft der Qualitätsstrategie?


DIETLER: Wir sind und bleiben eine Plattform, wo man sich unabhängig von politischen Streitereien oder dem politischen Jahrmarkt über gemeinsame Werte austauscht und wo gemeinsame Aktivitäten entstehen können. Das ist für mich der beste und wichtigste Wert der Qualitätsstrategie. Es gibt andere Branchen, die das auch gemacht haben. Zum Beispiel hat sich auch Schweiz Tourismus auf eine Charta mit gemeinsamen Aktivitäten geeinigt. Das heisst jetzt noch lange nicht, dass in jedem Hotel oder Seilbähnchen jemand strahlt und sagt, «ich bin Träger einer Qualitätsstrategie». Aber immerhin haben sich viele Akteure getroffen und man weiss, welche Werte man teilen und kommunizieren kann. Bei Bedarf kann man diese hervorholen.


Interview Jeanne Woodtli

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