«Wir müssen selber.» Das ist eine der vielen Einsichten, die Andreas Wyss während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Berner Bauernverbands erlangt hat. «Wer das Gefühl hat, alle anderen müssen, der kann ewig warten», sagt er. Das sei auch am Markt so. Wer auf Coop, Migros und alle anderen hofft, werde enttäuscht. «Die schauen nicht, wir müssen selber schauen.»
Mehr Vereine sind entstanden
Andreas Wyss hatte vergangene Woche seinen letzten Arbeitstag in Ostermundigen. Er geht versöhnt und für ihn im richtigen Moment. Er hat viel erlebt in dieser Zeit und gemerkt, dass «seine Bauern» auf den Höfen ihre Hausaufgaben gemacht haben. Dass die Strukturen um diese Bauern sich aber kaum entwickelt und verändert haben, bedauert er. «Der Wille in den Strukturen ist nicht da, sich zu verändern», sagt Wyss. Statt zu vereinfachen, sich zusammenzulegen und die Dienstleistung für die Bauern günstiger zu machen, seien eher noch mehr Vereine entstanden. «Und alles kostet», so Wyss. Oft würden diese Beiträge dem Bauern direkt irgendwo abgezogen, das Geld fliesse einfach. Aber richtigerweise müssten die Mitglieder die Wahl haben, ob sie einen Verbandsbeitrag zahlen wollen oder nicht. «Wenn wir unseren Mitgliedern nicht erklären können, wofür es uns braucht, dann haben wir sowieso ein Problem», ist er sicher.
Die Geduld fehlt
Und dann kommt Andreas Wyss im Gespräch zum Thema Geduld. «Man muss ein wenig Geduld haben», sagt er. Das fehle der Gesellschaft heute weitgehend. Man wolle stets zu schnell sein. Ausgerechnet Wyss spricht von fehlender Geduld. Er, der sein berufliches Umfeld mit seinem hohen Tempo auch schon überfordert hat. «Ja», sagt er, sie fehle auch ihm. Viel zu schnell sei man versucht, Dinge zu ändern, die man erst gerade geändert habe. «Man wartet nicht und gibt einer Sache zu wenig Zeit, um zu wirken. Und dann ändert man schon wieder und genau das stresst die Leute», erklärt Wyss. Der Mensch mag Veränderungen nicht, ist er sicher. Wenn man ungeduldig sei, erwarte man zu schnell Ergebnisse, die unter Umständen gar nicht realistisch sind. «Manchmal denke ich, so vernichten wir viel Potenzial, weil wir einer Sache gar nicht die Zeit geben, die sie brauchen würde.» Auf die Frage, ob allenfalls genau diese Ungeduld dem Berner Bauernverband mit ihm als Geschäftsführer nicht hin und wieder in den Weg kam, weil man an der Basis vorbei arbeitete und -politisierte, überlegt der scheidende Geschäftsführer lange. An welche Momente Wyss sich in den Sekunden des Schweigens zurückerinnert, bleibt verborgen. «Hmmm», meint er, «ich glaube nicht». Er habe das Gefühl, dass er sehr nahe an der Basis unterwegs war in diesen Jahren. Und er glaubt auch zu spüren, dass die Bauern nicht wirklich glücklich sind mit der Gegenwart. «Die Leute wollen etwas Neues», so Wyss. Und dort sei der Berner Bauernverband bestrebt gewesen, gewisse Änderungen anzudenken. In Form von Gedankenkonstrukten. «Ich habe das Gefühl, es ist die Erwartung, ja sogar die richtige Erwartung unserer Basis, dass wir als Verbände vorausgehen und uns auch Gedanken machen und nicht in erster Linie bewahren, was ist», erklärt er. Natürlich sei da immer eine Gruppe, die einfach bewahren wolle. Er erinnert an das umkämpfte Paket der geltenden Agrarpolitik, die man so unbedingt nicht wollte und dann in einem weiteren Schritt bewahren will. Die Leute wollen etwas Neues, aber wehren sich gegen Veränderung. Wie passt das zusammen? «Die Basis ist heterogen, das dürfen wir nie vergessen. Man kann etwas machen und die eine Hälfte findet es gut und die andere nicht.» Auf der Basis eines Berner Bauernverbands sei es nicht realistisch, das Gefühl zu haben, man könne etwas machen, dass alle einfach gut finden. Und dann brauche es Entscheide in diesen Gremien: Stehen bleiben oder vorwärts gehen. «Es gibt nur diese zwei Strategien», sagt Wyss. Für welchen Weg man sich schliesslich entscheide, hänge vom Typ Mensch ab. Aber hier habe er sich eben auch wohlgefühlt, im Lösungen erarbeiten, und dabei auch Risiken eingehen.
Die Zukunft bleibt offen
Er hat sich wohlgefühlt und trotzdem geht er. Was sind die Gründe? Mit seinem Präsidenten Hans Jörg Rüegsegger habe er gut harmoniert. Und dann spricht er wieder von Veränderung. Sie hätten sich beide verändert und jetzt sei es an der Zeit, zu gehen. «Für mich ist nicht die Zusammenarbeit mit den Gremien des Berner Bauernverbands oder mit Hans Jörg entscheidend, dass ich gehe, sondern die Tatsache, dass gewisse Themen wiederkehren, die ich nicht ein weiteres Mal bearbeiten will.» Er wolle nicht darauf warten, dass die Leute draussen sagen, es wäre jetzt dann mal Zeit, dass er gehe. Den Horizont, fünf bis sieben Jahre in diesem Job zu bleiben, habe er sich bereits bei Stellenantritt gesetzt. Denn das, was er bis jetzt nicht geschafft habe in dieser Funktion, werde er auch künftig nicht schaffen. «Ich habe viel probiert und viel gemacht. Jetzt braucht es andere Leute. Und manchmal ist schon ein anderer Kopf eine Lösung für etwas, das bisher nicht ging.» Andreas Wyss ist offen, was jetzt auf ihn zukommt. Hausmann, ein paar Mandate und eine dreimonatige Europareise mit der Familie stehen auf dem Programm. Wo und wie es beruflich weitergehen soll, stehe noch nicht fest. Wenn er von den Berner Bauern spricht, dann zählt er sich im gesamten Gespräch mit der BauernZeitung stets dazu und redet von «wir» und «uns». Das spricht im Moment dafür, dass er in der Branche bleiben dürfte. «Mal sehen», sagt Wyss, lächelt und übt sich in Geduld.