Es gibt in der Innenpolitik eine alte Binsenwahrheit: Ohne Druck geschieht beim Bund nichts. Das wissen auch die Kantone und ihre Landwirtschaftsämter. Viele von ihnen sind der Meinung, dass in Sachen Sanktionen in der Direktzahlungsverordnung (DZV) etwas gehen muss. Das wird wohl nicht ohne Folgen bleiben für den Anhang 8 der DZV, in dem seit zwei Jahren die Sanktionen geregelt sind.
Auslaufjournal als Auslöser
Doch der Reihe nach: Wie die BauernZeitung vor einigen Wochen berichtete, hat ein Bewirtschafter im Kanton Aargau aufgrund eines «unglaubwürdig» geführten Auslaufjournals sämtliche Direktzahlungen verloren. Einzig ein Sonderpassus im Anhang 8 der DZV hat dem Kanton ermöglicht, dem Bauern wenigstens 25% der ihm zustehenden Direktzahlungen auszugleichen.
Mehrheit der Ämter sieht Handlungsbedarf
Auf die Berichterstattung folgte eine Debatte, ob der seit 2015 wirksame Anhang 8 im Bereich Tierschutz noch verhältnismässig sei. Die Mehrheit der befragten Ämter ist der Meinung, dass dies nicht der Fall ist. «Unserer Meinung nach besteht Handlungsbedarf in diesem Punkt», schreiben die Amtschefs der Zentralschweizer Landwirtschaftsämter in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Sie sind der Meinung, «dass die Streichung sämtlicher Direktzahlungen bei einem Erstverstoss unverhältnismässig» ist. Unterstützung erhalten sie vom Leiter der Sektion Direktzahlungen im Aargauer Landwirtschaftsamt: «Es braucht unbedingt ein zweistufiges System», so Daniel Müller. Es sei kontraproduktiv, bereits beim ersten Vorfall derart hart durchzugreifen, denn so nehme man dem Landwirt die Motivation, Fehler zu vermeiden und setze die Kontrolleure unter enormen Druck. Es müsse generell zwischen einem Erstverstoss und einem Wiederholungsverstoss unterschieden werden.
«Ganz klar unverhältnismässig»
Gleicher Meinung ist Hansjakob Zwingli, Müllers Amtskollege im Kanton St. Gallen: «Ganz klar unverhältnismässig», lautet sein Verdikt. Eine empfindliche Kürzung bei unbrauchbarem Auslaufjournal sei zwar angemessen, aber diese Kürzung sei massiv zu hoch, erklärt er bezüglich des Aargauer Falls.
Stark in der Kritik steht nicht nur die Sanktion, sondern auch deren Berechnung. Wird ein Auslaufjournal als unglaubwürdig taxiert, so erhält der Halter pro GVE vier Strafpunkte. Pro Punkt werden 100 Franken abgezogen. Wenn die Punktzahl aber 110 übersteigt, so verliert der Betrieb die gesamten Direktzahlungen im Jahr der Sanktion. Das heisst, es gibt einen Sanktionssprung von Fr. 10 900.– (109 Punkte) Abzug auf die gesamte Direktzahlungssumme wegen eines einzigen Punktes Unterschied.
BLW will Auslegeordnung
Wie geht es nun weiter? Angesichts der hohen Einigkeit der Ämter punkto Handlungsbedarf würde es überraschen, wenn nicht bald eine Anpassung von Anhang 8 der DZV folgen würde. Andreas Egli, Vorsteher im Nidwaldner Amt für Landwirtschaft, regt eine Arbeitsgruppe der Konferenz der Landwirtschaftsamtsleiter (Kolas) und des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) an, um die Änderungen aufzugleisen.
Damit rennt er beim BLW offene Türen ein. Der Verantwortliche für Direktzahlungen, Christian Hofer, bestreitet nicht, dass es beim Sanktionsregime Revisionsbedarf gibt, nicht nur im Tierschutzbereich. Eine Überprüfung habe man schon bei der Erarbeitung des Anhangs abgemacht. Im Frühjahr sei deshalb eine Sitzung der Arbeitsgruppe mit BLW- und Kolas-Vertretern geplant. Ziel sei eine Auslegeordnung nach zwei Jahren Erfahrung mit dem neuen System. Ob es reicht, dass eine allfällige Verordnungsänderung bereits auf Anfang 2018 in Kraft tritt, werde sich weisen müssen.
Adrian Krebs