Markus Rediger, Sie waren die vergangenen vier Jahre Präsident des Welt-Agrarjournalistenverbands IFAJ, konnten Sie etwas bewirken?
Einer der Meilensteine war die Verabschiedung neuer Statuten und Reglemente. Am Kongress in Neuseeland im Oktober 2015 haben die Delegierten einer Öffnung der IFAJ zugestimmt. Neu können nun auch Verbände aus Ländern ohne Pressefreiheit aufgenommen werden, wenn sie sich in einer Vereinbarung zu dieser bekennen. Damit läuteten wir eine neue Epoche ein in der 60-jährigen Geschichte des Verbands. Nun können auch diejenigen Länder Mitglied werden und von den Angeboten profitieren, die einen professionellen Journalismus besonders nötig haben. Damit konnten wir eine doppelten Bestrafung dieser Kollegen beseitigen, einerseits werden sie vom eigenen Land in der Recherche und Journalistenarbeit unterdrückt (keine oder beschränkte Pressefreiheit), andererseits konnten sie nicht Mitglied sein, sie waren ausgeschlossen. Wir haben schon etwas früher damit begonnen solche Kollegen an unsere Seminare einzuladen. Als Folge dieses Beschlusses, der letztendlich einstimmig war, konnten dann Iran, Türkey, Burundi, Somalia, Kroatien und weitere Länder beitreten.
Was waren die Highlights Ihrer zwei Amtszeiten?
Die Realisierung der neuen Statuten, die Unterzeichnung einer Vereinbarung mit dem Direktor der FAO in Rom, ein Treffen mit argentinischen Ranchern in der Pampa bei Rosario und eine Vortragsreise bei Agrarjournalistenorganisationen in fünf Bundesstaaten Australiens – aber auch die beiden Pressereisen, die wir im Greyerzerland und im Tessin veranstaltet hatten. Ja, es gab Vieles und ich bin dankbar für zahlreiche Highlights!
Gab es auch Momente, wo Sie die Übernahme des Amts bereuten?
Ja, das gab es auch, unruhige Weekends, als einige Kollegen via Facebook und andern Medien aufeinander losgingen und diese verletzende und unfaire Behauptungen als „Pressefreiheit“ rechtfertigen wollten. Aber auch die Suche nach Sponsoren oder Mitarbeitern im internationalen Kontext mit den beschränkten Ressourcen des Verbands waren manchmal zeitintensive Herausforderungen. Ich bin froh, dass der Verband heute gut aufgestellt und das Netzwerk gut funktioniert.
Wie beurteilen Sie den Zustand des Agrarjournalismus weltweit und in der Schweiz?
Weltweit und in der Schweiz ist der unabhängige, professionelle Journalismus permanent unter Druck. Vielfältig sind die Druckversuche von vielen Seiten die Arbeit von Agrarjournalisten zu beeinflussen. Genauso wie eine moderne Gesellschaft unabhängige und möglichst objektiv berichtende Medien benötigt, tut es auch eine professionelle Landwirtschaft. In der Schweiz und in vielen Ländern der entwickelten Welt geht die Anzahl der Publikationen laufend zurück, die Vielfalt schrumpft und der Druck von Interessenvertretern und Finanzgebern nimmt zu. Mancherorts herrscht auch Nachwuchsmangel, gut ausgebildete Agrarjournalisten sind rar, wenige haben eine solide Fachausbildung in der Landwirtschaft und im Journalismus. Das versucht der internationale Verband mit Weiterbildungen zu fördern, ist aber bei der Kulturen- und Sprachenvielfalt weltweit keine einfache Sache! In den 45 Mitgliedsländern werden über 20 verschiedene Sprachen gesprochen. Und der Agrar-Medieneinsatz variiert auch stark, in vielen Teilen Afrikas werden Radios, in Australien TV-Programme und in Europa vor allem Internet und Print eingesetzt.
Ganz wichtig für mich: Eine professionelle Landwirtschaft verdient einen professionellen Agrarjournalismus –bei uns und in den andern Ländern!
Die Publikumsmedien gehen dem Ende des gedruckten Produkts entgegen, wird bei der landwirtschaftlichen Fachpresse dasselbe passieren?
Welche Medien Zukunft haben und welche Transportmittel für Medieninhalte eingesetzt werden, entscheiden die Nutzer und die Investoren, letztendlich der Markt. Auf der einen Seite haben wir eine Reduktion der Medienvielfalt und der Anzahl Abonnenten, auf der andern Seite benötigen die Nutzer der Fachmedien immer schneller immer spezifischere Informationen, was für die elektronischen Medien spricht. Ich denke, es wird immer eine breite Palette an Transportmitteln für Medieninhalt geben, Print wird seine Berechtigung behalten.
Einen Ausblick?
Die Produktion von Lebensmitteln muss auf nachhaltige Weise weltweit gesteigert werden, um die wachsende Bevölkerung auch künftig ernähren zu können. Dazu braucht es auch einen Austausch von Informationen und eine gute Kommunikation in engagierten Netzwerken in der ganzen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Der IFAJ ist ein solches Netzwerk. Er verbindet Agrarjournalisten aus aller Welt und fördert ihre Arbeit und auch die Pressefreiheit. Bauernfamilien, Herausgeber von Agrarmedien, und alles Akteure entlang der wertschöpfungskette können von dem internationalen Netzwerk profitieren. Meine Vision ist, dass IFAJ auch dazu beitragen kann, dass der Primärsektor, die Landwirtschaft in weiten Teilen der Wirtschaft und Gesellschaft nicht als der letzte angesehen und wahrgenommen wird, denn kein Sektor spielt eine derart zentrale Rolle für den Alltag der Menschen, wie die Landwirtschaft. Es gibt keinen weltweit, der nicht täglich „Landwirtschaft“ zu sich nimmt, um am Leben zu bleiben!
Interview Adrian Krebs