Tansanias Steppen, Büsche und Felder sind grün. Aber nur, wenn die Regenzeit das nötige Wasser vom Himmel fallen lässt. An diesem Nachmittag Mitte November ist aber der letzte Regen schon lange her. Und die Bauern in Morogoro warten wie die trockenen Bäume und Büsche am Strassenrand auf den nächsten Regen. Und während der weisse Pick-Up über die holprige Strasse fliegt, türmt sich dahinter eine rotgraue Staubwolke auf. Vor uns tauchen immer neue Bodenwellen und Schlaglöcher auf, die von den letzten Regenschauern ausgewaschen und den vielen Fahrzeugen weiter ausgehöhlt wurden.

Sehnsüchtiges Warten auf Regen

Der Fahrer - ein junger Tansanier - hat den Blick auf die Strasse gerichtet. Er spricht kaum. Auf dem Beifahrersitz stillt Janet Maro ihre drei Monate alte Tochter. Ihr langes, braunschwarzes Haar zu kunstvollen Zöpfen geflochten und hochgesteckt, die linke Hand fest um den Griff über der Autotüre gelegt während die Rechte die Tochter stützt, erzählt Janet von Sustainable Agriculture Tanzania (SAT). Doch zuerst muss sie noch etwas Anderes loswerden:

"Wir warten sehnlichst auf den Regen", sagt die Agronomin. Die kleine Regenzeit - normalerweise fällt Mitte November etwas und Ende Januar sehr viel Regen - lässt auf sich warten. Für die Bauern in der Region ist das ein ernsthaftes Problem. Ohne Bewässerung können sie ihre Felder in dieser Zeit nicht bestellen.

Stetiges Bauen

Nur die Bauern von SAT haben es etwas besser. Sobald eine Gruppe zusammen ist, erhalten sie nicht nur Training, sondern auch eine Wasserpumpe. Bedingung ist, dass die Gruppe Zugang zu einem fliessenden Gewässer hat. Wie sie das Wasser dann besser im Gemüsebeet speichern können, lernen die Bauern entweder bei ihrem eigenen Garten oder im Farmer Training Center in Vianze, einem Vorort von Morogoro.

Das Trainingszentrum ist die erste Schule für Bio-Landbau in Tansania. Richtig fertiggestellt wurde die Schule nicht. Die Eröffnung erfolgte 2013, seither hat man fast kontinuierlich irgendwo noch gebaut. Das jüngste Projekt ist ein grosses Wasserbecken, das den Regen der grossen Regenzeit auffangen und speichern soll. Das Trainingszentrum gehört zu SAT.

Botschafterin für Biolandbau

Janet Maro ist nicht nur Mutter und Agronomin, sondern auch Botschafterin für Biolandbau. Gemeinsam mit Alex Wostry, ihrem österreichischen Mann, hat sie SAT gegründet und das Farmer Training Center etwas ausserhalb von Morogoro aufgebaut. Morogoro liegt etwa auf halbem Weg zwischen der Hafenstadt Dar Es Salaam und der Hauptstadt Dodoma und ist umgeben von sanften Bergen, während Richtung Dodoma die schier unendlichen Weiten Tansanias wie ein staubiger Teppich ausgebreitet vor den Stadttoren liegen.

Die in Morogoro ansässige Sokoine University of Agriculture (SUA) ist in Landwirtschaftsfragen führend; nicht nur in Tansania, sondern in ganz Ostafrika. Janet hat dort studiert. Und sie hat Alex Wostry als Austauschstudenten dort kennengelernt. Das war 2008. Eine Hochzeit, drei Kinder und sehr viel Arbeit später sind Alex und Janet mitten drin in der landwirtschaftlichen Beratung und sie begeistern immer noch Bauern mit einfachen und effektiven Tipps zur biologischen Landwirtschaft.

Mit Hunger lernt sich schlecht

"Insgesamt sind es bis heute gut 2500 Bauern, die wir ausbilden konnten", sagt Janet. Angesichts der knapp 38 Millionen Gross-, Klein-, Teil- und Vollzeitbauern ist das ein Tropfen auf einen heissen Stein. Das weiss auch Janet. Aber deswegen aufhören? "Vielleicht wäre es schon besser, etwas Anderes zu tun. Aber dann muss ich sagen: Nein! Was ich jetzt mache, will ich von ganzem Herzen weiterführen."

Janet fügt an: "Wir glauben, dass Entwicklung auf Haushaltsebene beginnen muss. Der erste Schritt ist, genügend und gesundes Essen auf dem Tisch zu haben. Und sobald die Menschen nicht mehr hungrig zu Bett gehen müssen, können sie auch lernen. Damit können sie bessere Arbeit leisten und schliesslich der Armut entkommen."

Der erste Schritt dazu sind höhere Erträge im Hausgarten. Und hier spiele SAT eine zentrale Rolle, sagt Janet. SAT zeigt den Bauern, wie sie mit Kompost, regelmässiger Bewässerung und dem Anbau von verschiedenen Früchten und Gemüsen die Erträge steigern können. Aber SAT ist mittlerweile noch mehr, als nur ein Wissensvermittler. "Es ist ein bisschen wie eine Familie." Janet lacht.

Von Schülern zu Experten

Die ersten Bauern, die Janet ausgebildet hat, sind in der Zwischenzeit selbst Experten und Trainer für Biolandbau geworden. "Wir zeigen vor, wie man Gemüse und Früchte ohne giftige Chemikalien anbauen kann. Und die Bauern übernehmen die Techniken gerne." Janet wirkt zufrieden. Nicht, weil sie weiss, dass es eine Alternative für die grossräumig strukturierte, auf grossen Maschinen und Chemieeinsatz angewiesene Landwirtschaft gibt. Sondern weil sie mit den Bauern zusammen diese Alternative beleben kann.

Angefangen hat SAT 2009. Damals war Janet 23 und verbrachte zwei Nachmittage in der Woche damit, in den Hügeln von Morogoro Bauern auszubilden. Es ging um Kompost. Um Bewässerung. Und wie man mit beidem die Erträge steigern kann. "Ich lief dann zwei Stunden den Berg hinauf, gab das Training, und musste dann zu Fuss wieder zurück. Die Bauern erwarteten einen Mann, der in einem grossen Jeep vorfährt, so wie das alle grossen Organisationen machen. Undenkbar, dass eine junge Tansanierin zu Fuss kommt. But we did it!"

Etwas später erhielt SAT die ersten Spendengelder. Das junge Team stand vor der Wahl: ein Auto oder fünf Motorräder. "Wir entschieden uns, fünf Motorräder zu kaufen. Damit konnten wir fünf Farmergruppen gleichzeitig ausbilden", erklärte Alex am Tag zuvor in seinem Büro. 2011 kamen dann die ersten Angestellten.

«Weltverbesserer-Gen»

Das Team wuchs und umfasst heute gegen 50 Personen. Heute ist Janet zwar regelmässig auf dem Feld, aber sie hat andere Aufgaben: "Ich bin zur Botschafterin geworden", meint sie. Eine Rolle, die zu Janet passt. Alex sagt über seine Frau: "Janet kann problemlos mit Landwirten, Politikern und ranghohen Beamten reden. Sie findet immer den richtigen Ton und die richtigen Worte."

Aber es ist auch Alex, der zum Erfolg von SAT beiträgt. Der österreichische Perfektionist mit dem "Weltverbesserer-Gen", wie er über sich selbst sagt, ist die treibende Kraft, Dinge nicht nur gut sondern perfekt zu machen. "Alex war in den letzten Jahren ein wichtiger Berater und Kommentator. Er gibt mir viel und kritisch Feedback. Das hat geholfen, unseren Standard nicht nur zu halten, sondern zu verbessern", meint Janet.

Im Kern dieselbe Organisation

Alex ist mit seinen Verbindungen nach Europa für die Finanzen zuständig. "Er ist unser grosser Antragsschreiber", schwärmt Janet. Denn die Projektanträge sind nötig, wenn SAT an Gelder von grossen internationalen Organisationen kommen will. Es waren auch Alex' 200 US-Dollar, die SAT überhaupt ermöglichten.

In der Zwischenzeit ist SAT Projektpartner in mehreren Entwicklungsprojekten. "Das erste Mal, als ein Dienstwagen einer grossen Organisation vor unserem Büro parkierte, konnten wir das kaum glauben", strahlt Janet. Heute ist das der Normalfall. Und Janet freut sich daran, das SAT im Kern die Organisation geblieben ist, die sie 2009 war. Dann, als sie noch selbst zu Fuss zu den Bauern ging, um mit ihnen zu arbeiten.

Hansjürg Jäger

Mehr über SAT: www.kilimo.org