Während der Bauernverband dafür Solidarität fordert, bezeichnen Presse und Politiker die Landwirtschaft der Mitschuld. Wer Schuld trägt, ist Nebensache: Ob der Klimawandel vom Menschen gemacht ist oder nicht, er findet statt. Es gilt das Problem anzupacken. Aber wie?
Sicher könnten Konsumenten, Politiker und Behörden viel beisteuern - in diesen Zeilen liegt der Fokus aber beim Spielraum der Landwirtschaft: Wie kann sie autonom handeln? Welche Mittel stehen ihr zur Verfügung, um den harschen Bedingungen zu begegnen? Diese Analyse liefert eine Aufzählung von Möglichkeiten und Fragen zum Umgang mit dem Klimawandel.
Um in möglichst keinem Fall zu verlieren, kann man Risiken identifizieren und sich gezielt mit klassischen oder indexbasierten Versicherungen, auch Derivate genannt, versichern lassen. Im Vergleich zu herkömmlichen Versicherungen entschädigen Derivate Ereignisse, egal ob es dabei zu Schäden kam (siehe Swiss Agro Index). Um beim Wetten auf zukünftiges Wetter gute Chancen zu wahren, muss man gut analysieren: «Wie entwickelt sich die Situation? Wo finde ich verlässliche Daten für meine Prognose?» Damit kann man kalkulieren mit welcher Wahrscheinlichkeit welches Szenario eintrifft und wie viel man darauf setzen sollte.
Mit oder ohne Versicherung provozieren die klimatischen Veränderungen weitere Fragen: «Produziere ich das Richtige am richtigen Ort? Gibt es hier genügend Wasser? Soll ich Kulturen anbauen, die weniger Wasser benötigen?» Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) berechnete dafür den zukünftigen, zusätzlich zum Niederschlag benötigten Wasserbedarf bei unterschiedlichen Klimaszenarien je nach Kulturpflanze, Bodentyp und Klimaregion der Schweiz. Diese Daten dienen als Entscheidungsgrundlage, ob der Anbau anzupassen, Kulturen effizienter zu bewässern oder lokale Wasserweiher anzulegen sind.
Dass sich die Anbaugebiete bereits verschieben, zeigt die Wanderung der Weinsorten Richtung Norden. Tempranillo aus Frankreich und Bordeaux aus Deutschland sind längst keine verrückten Ideen mehr. Es sei eine notwendige Anpassung an steigende Temperaturen und immer trockenere Sommer, schreibt Fabian Federl im Magazin Reportagen. Der Blick nach Süden könnte also den Schweizer Bauern verraten, was mit veränderten klimatischen Bedingungen plötzlich auf Schweizer Boden gedeiht.
Ein möglicher Spielzug um langfristige Klimarobustheit zu erlangen, ist die Stärkung der Grundlagen. Widerstandsfähige Böden und Kulturen zu schaffen, um sie auf Extremwetter vorzubereiten. Der Einsatz von Kompost holt Kohlenstoff aus der Atmosphäre und erhöht die Widerstandsfähigkeit gegenüber Dürre und Überschwemmungen. Und damit auch gleich beim Kernthema anzusetzen: Möglichst viel Emissionen reduzieren oder sogar speichern. Vielleicht werden sich dafür Verdienstmöglichkeiten auftun; zum Beispiel mit einem Emissionen Markt, auf dem auch Landwirte mitmischen können.
Die Aufzählungen sind nicht zwingend separate Wege, sie können auch gleichzeitig beschritten werden. Sie unterscheiden sich aber in einer zentralen Frage: Reagieren wir nur auf Hindernisse oder gehen wir proaktiv neue Wege? Heute leisten wir uns als Gesellschaft eine Lebensmittelproduktion, die massgeblich Emissionen verursacht und Wasserressourcen verbraucht. Kein Wunder, kritisiert die Gesellschaft stets selber, diese Art von «Landwirtschaft» überhaupt zu unterstützen.
Diese Situation ist auch ein Geschenk, sie erlaubt es nämlich, die Frage zu stellen, was die Landwirtschaft ist und welche Bedeutung sie in einer klimagestressten Welt einnehmen kann. Wie kann sie sich dem Klimawandel stellen? Muss Landwirtschaft möglichst viel Lebensmittel produzieren? Oder kann sie auch einfach mit Land Wert schaffen, zum Beispiel mit der Speicherung von CO2? Steht Landwirtschaft für einen maximalen Ertrag oder einen maximalen Klimabeitrag?
Landwirte sollten mehr Freiheiten haben, um diese Fragen selbst zu beantworten und sie sollten bestimmen können, was am besten ist für ihr Land. Diese Freiheit wird einen Preis haben, den es durch funktionierende Geschäftsmodelle zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft zu finanzieren gibt. Denn der nächste Extremsommer oder -Winter, der nächste Frost und die nächste Trockenheit kommen bestimmt.
Samuel Bühlmann