Jörg Oberle ist Inhaber der Gefu-Oberle-Gruppe mit den Geschäftszweigen Label «Swisskalb» und anderen branchennahen Geschäftszweigen. Er ist aufgebracht über die Aktion der Milchproduzenten-Organisationen, im Februar und März 10 Rappen für jedes nicht abgeliefertes Kilo Milch zu bezahlen. Es sind dies Emmi und seine Direktlieferanten Mimo, BMO, Zenos und einige andere Milchproduzenten-Organisationen, welche damit die Milchmenge auf dem Markt reduzieren wollen.
Wegen Mangel zwei Preise
«Diese Aktion gefährdet die angestammte Kälbermast», schreibt Jörg Oberle, der auch Präsident der Interessengemeinschaft (IG) Kalbfleisch ist. Denn dadurch würden die Tränkekälber «nicht nur massiv teurer, sondern sie kommen gar nicht mehr auf den Markt.» Deshalb publiziere die IG Kalbfleisch ab sofort einen eigenen Tränkerpreis franko Maststall geliefert. Der IG-Kalbfleisch-Tränkerpreis wird franko Maststall, der Proviande-Tränkerpreis hingegen ab Geburts- betrieb publiziert. Das erschwert den Vergleich dieser beiden Tränkerpreise. «Der Proviande-Tränkerpreis wird von der ganzen Branche getragen. Gerade in einer aktuell nervösen Marktsituation ergibt es Sinn, dass die Branche einen Richtpreis publiziert», betont hingegen Martin Rufer, Chef Departement Produktion und Märkte beim Schweizer Bauernverband. Er weiss auch, dass «die Versorgung mit Tränkern zurzeit knapp ist». Aber es sei ökonomisch sinnvoll, wenn Kälber auf dem Geburtsbetrieb gemästet würden und als Folge die Milchmenge sinke.
Niklaus Scheuner vom Kälbermarkt Thun BE bestätigt, dass Tränker gesucht seien und deshalb teurer als zu dieser Jahreszeit üblich, aber der «Proviande-Tränkerpreis bewährt sich gut und wird einge- halten». Auch der Kälberhändler Bruno Rüttimann von der ASF in Sursee LU beobachtet, dass die Kälberpreise «fünf Wochen eher als üblich gestiegen sind». Weil es keine «Einheits-Tränkekälber» gebe, gibt Rüttimann zu bedenken, deshalb müsse jedes Kalb einzeln begutachtet werden.
Viele Gründe für den Mangel
Hier sind die Gründe für den Tränkekälber-Mangel Für Bruno Rüttimann gibt es folgende Gründe für den Mangel an Tränkekälbern:
- 2700 weniger Kälbergeburten im Januar als vor einem Jahr laut Tierverkehrsdatenbank (TVD) und gar 4000 weniger Geburten im Jahr 2015 als ein Jahr zuvor.
- Dazu verringere der Aufruf der Milchproduzenten, weniger Milch abzuliefern und eigene Tränker selber zu mästen, das Tränkerangebot zusätzlich.
- Viele Milchbauern hätten umgestellt von Milchvieh auf Grossviehmast, angelockt von den guten Bankviehpreisen im letzten Jahr.
Die von Agristat ausgewerteten TVD-Zahlen zeigen, dass aktuell 3000 mehr ein- bis zweijährige weibliche Rinder auf Höfen leben als vor einem Jahr, und das bei rückläufigem Milchviehbestand. Dies deutet auf eine Audehnung der Grossviehmast, vor allem der Weidemast, welche sehr gut mit Rindern möglich ist. Zusammen mit den tieferen Geburtenzahlen würde dies das aktuell sehr knappe Tränkeran- gebot erklären. Wenn dazu noch der eine oder andere Milchproduzent ein paar Kälber selber ausmästet, verringert sich das Tränkerangebot zusätzlich.
Hans Rüssli