Annegret Wolfer wohnt im thurgauischen Weinfelden am Ottenberg. An, wie sie selbst sagt, privilegierter Lage und inmitten eines Wein- und Obstanbaugebietes, mit Anziehungskraft für Touristen und Naherholungssuchende.
Ein schwerer Entscheid
Mit ihrem Mann Ernst Wolfer bewirtschaftet die Bäuerin einen Zwölf-Hektaren-Betrieb mit Reben, Mais- und Getreideanbau. Bei den Reben kultivieren sie ausschliesslich Blauburgunder-Trauben. Diese werden von einer Kelterei am Bodensee übernommen. «Bis vor ein paar Jahren hatten wir auch noch eine stattliche Anzahl von Obstbäumen mit Tafelobst. Da wir beide noch auswärts arbeiten müssen, beschränken wir uns inzwischen auf eine kleine Menge Obst, welche für unseren Eigenbedarf ausreicht. Darüber hinaus haben wir noch einige private Kunden.» Die Bäuerin sagt, dass es für sie und ihren Mann ein schwerer Entscheid gewesen sei, nebst der Landwirtschaft einer ausserhäuslichen Tätigkeit nachzugehen: «Eigentlich hatten wir uns immer gewünscht, ausschliesslich von der Arbeit in der Landwirtschaft leben zu können. Als die Produkterlöse weiter sanken, stand für uns fest, dass wir aus existenziellen Überlegungen heraus, eine Tätigkeit ausserhaus suchen müssen.» Ihr Mann arbeitet sowohl auf dem Hof wie auch teilzeit als Gemeindearbeiter.
Arbeitstelle als Glücksfall
Annegret Wolfer hatte vor ihrer Heirat das Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerinnen-Seminar absolviert. Durch ihre Heirat wurde sie Bäuerin. Vor 14 Jahren ergriff sie eine auswärtige Tätigkeit: Swissmilk suchte Hauswirtschaftslehrerinnen für Kochdemonstrationen. Während vierer Jahre war sie in den Kantonen Thurgau, Schaffhausen, St. Gallen und Appenzell in Landfrauen-Sektionen mit ihren Kochdemonstrationen unterwegs. Sie vermittelte Impulse für Kochen und Backen mit Rezepten, die mit gängigen Zutaten ganz wunderbar und unkompliziert gelingen.
Diese Kochdemonstrationen stellte Swissmilk im Zuge einer Reorganisation ein. Die Bäuerin bezeichnet es als einen Glücksfall, dass just zu diesem Zeitpunkt am Bildungs- und Beratungszentrum (BBZ) Arenenberg die Stelle einer Kochkursleiterin frei war. «In diesem Herbst sind es bereits zehn Jahre, seit ich am BBZ Arenenberg Koch- und Backkurse leite. In diesem Winter werde ich beispielsweise einen Abendkurs zum Thema ‹raffinierte Beilagen› durchführen. In diesem zeige ich auf, wie Stärkegerichte und Gemüse schmackhaft zubereitet und schön präsentiert werden.» Annegret Wolfer findet es praktisch, dass sie ihr Hobby im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit einsetzen kann. Für die Mutter von vier erwachsenen Söhnen haben Ernährungsthemen seit jeher einen hohen Stellenwert.
Nach wie vor bewirtschaftet sie eine kleine Gartenfläche, wo sie Beeren und Gemüse anpflanzt, unter anderem für die Herstellung von Konfitüren und Eingemachtem. Das Erproben von Rezepten erfolgt bei Annegret Wolfer ausschliesslich in der eigenen Küche und bevorzugt bei schlechtem Wetter.
Letzte Bauerngeneration
Bei den Arbeiten im Rebberg ist sie die meiste Zeit alleine. Als Ausgleich erlebt sie ihre Vorstandstätigkeit im örtlichen Landfrauenverein. Hier kommt sie mit Frauen aus unterschiedlichen Berufen in Kontakt. Für den «Wümmet» im Herbst rekrutiert das Betriebsleiterpaar einige Aushilfskräfte, die aus dem Ort kommen. Der Frost in diesem Frühjahr wird ihren Ernteertrag schmälern, am Ottenberg blieben die Rebbauern davon nicht verschont. «In diesem Jahr zog auch der letzte Sohn aus dem Elternhaus aus. Der Jüngste ist mit seiner Freundin gleich nebenan, im ehemaligen Wohnhaus seiner Grosseltern, eingezogen. Das freut uns sehr, dadurch bleiben die Generationen miteinander noch enger verbunden.» Auch die anderen drei Söhne kommen mit ihren Freundinnen regelmässig auf den Hof zu Besuch.
Es sei schon etwas Wehmut dabei, dass sie und ihr Mann die letzte Bauerngeneration auf dem Hof sein werden, denn keiner der vier Söhne wird den Betrieb übernehmen. Dazu seien die Betriebsflächen zu klein und die Perspektiven in der Landwirtschaft zu ungewiss. «Aber mein Mann und ich werden, so lange es uns möglich ist, den Hof führen.»
Die Bäuerin ist seit einigen Monaten Grossmutter. Das erste Enkelkind, ein Junge, ist regelmässig zu Besuch. Sie geniesse es, dass sie heute mit dem Enkel unbeschwert Zeit verbringen kann. Als ihre Söhne im Kleinkindalter waren, galt es für sie die Arbeiten im Rebberg, die Obsternte, die Kinderbetreuung und den Haushalt gleichzeitig zu erledigen.
Isabelle Schwander