Die Sojabohne ist eine unscheinbare Pflanze. Während des Auflaufens bildet das Blattwerk einen grünen, dichten Teppich auf dem Feld. Und sie hat viel Potenzial. «Eigentlich sehe ich überhaupt keine Nachteile», sagt etwa Robert Haas. Seit einem Vierteljahrhundert baut er im Reusstal Soja an. Zwar war der Anfang schwierig, «aber seit 15 Jahren gibt es dank der Zucht Sorten, die gut funktionieren», fügt er an. Dass Soja überhaupt in der Schweiz angebaut werden kann, ist der beharrlichen Pflanzenzucht von Arnold Schori und Claude-Alain Bétrix zu verdanken. Doch das alleine reicht nicht, um aus einer guten Kultur eine für die Landwirte interessante Kultur zu machen. Hauptproblem: Der Anbau rechnet sich nicht. «Der Schweizer Futtersojapreis wird an die Importbohnen angepasst», sagt ein Sojaimporteur dazu. Warum also investiert man in die Sojazucht? Und warum bewegt sich am Markt wenig bis nichts, um den inländischen Sojabohnen auf breiter Ebene zum Durchbruch zu verhelfen? Davon handelt diese Geschichte.
Pflanze hat viel Potenzial
Die Geschichte beginnt bei Arnold Schori, dem Leiter der Ackerpflanzenzüchtungsabteilung der Forschungsanstalt Agroscope. Der Sojaanbau wird seit 1981 erforscht, seit 1985 ist Schori mit dabei. Seither arbeitet er mit Claude-Alain Bétrix daran, die Soja in der Schweiz einzubürgern. «Das ursprüngliche Ziel war, in der Schweiz eine alternative Proteinquelle zur Verfügung stellen zu können, die die Schweizer Fruchtfolgen verbessern und die für den Landwirt auch ökonomisch sinnvoll ist», erklärt er. Zu Beginn war das gar nicht so einfach, denn Soja braucht Wärme. Bei 8°C steht das Wachstum still. Und nach dem Auflaufen ertragen Sojabohnen nicht weniger als -2°C. Ausgesät wird von Anfang April bis Anfang Mai, wenn die Bodentemperatur mindestens 10°C beträgt. Und noch kritischer ist es während der Blütezeit. Fällt das Quecksilber dann unter 13°C drohen Blüten- und Hülsenfall und damit Ertragsausfälle. Hinzu kommt, dass Soja relativ lange auf dem Feld steht.
Die logische Konsequenz für Schweizer Sojapflanzen: Sie müssen Kälte gut wegstecken können und frühreif sein. Beides hat Schori und sein Team erreicht. Und im Gegensatz zu vielen anderen Forschungsinstitutionen ganz ohne den Einsatz von Gentechnik. «Jetzt werden auf gut 20 00 Hektar in ganz Europa Schweizer Sojazüchtungen angebaut», sagt er zufrieden. Für Agroscope ist das von Bedeutung, denn sie zeigt, dass sie in der internationalen Agrarforschung mithalten kann. Dem Schweizer Landwirt bringt es aber unter dem Strich relativ wenig. Denn der Sojaanbau rechnet sich kaum. Diesem Argument widerspricht Arnold Schori vehement.
«Agroscope hat eine Untersuchung gemacht, die sehr gut zeigt, dass Soja im Vergleich mit übrigen Ackerkulturen mindestens konkurrenzfähig ist», sagt er. Besagte Studie wurde 2016 in der Zeitschrift «Agrarforschung Schweiz» veröffentlicht. Tatsächlich rechnen die Agrarökonomen vor, dass mit einer Hektare Soja ein Bruttogewinn von 582 Franken pro Hektare möglich ist. Nur Winterraps wirft mehr ab, während Kulturen wie Ackerbohnen und Eiweisserbsen schlechter abschneiden. Die Studie wurde geschrieben, um nach Möglichkeit die positive Wirkung von Körnerleguminosen auf Boden und Portemonnaie der Bauern zu belegen. Beides gelang. So schrieben die Autoren, dass alle Körnerleguminosen positive Betriebsergebnisse zur Folge hätten, da die Produktionskosten gedeckt werden könnten. Robert Haas, Sojabauer der ersten Stunde, zählt weitere Vorteile der Kultur auf: «Sie ist einfach anzubauen, und gerade die heutigen Sorten sind vergleichsweise Ertragsstabil», sagt er. Ausserdem passe Soja gut in die Fruchtfolge und könne bodenschonend produziert werden. Trotzdem haben im letzten Jahr nur rund 600 Produzenten auf 1777 Hektaren 4900 t Soja produziert.
Warum das es nicht mehr Sojabauern gibt, darüber mutmassen nicht nur Bauern, sondern auch die Studienautoren von Agroscope. So wird das im Vergleich zum Weizen tiefe Ertragsniveau von Soja (31 dt/ha), die hohe Ertragsvariabilität und die traditionelle Ausrichtung und Spezialisierung auf den Weizenanbau genannt. Zwar stimmt die Agroscope-Rechnung – aber nur für den Anbau von Speisesoja, die zu gut 58 Franken je 100 kg verkauft werden kann. Dasselbe gilt auch für die Pflanzenzüchtung, die sich ebenfalls auf Speisesoja fokussiert. Wie Andrea Koch vom Getreideproduzentenverband sagt, könnte der Inlandbedarf an Speisesoja eigentlich gedeckt werden (siehe Nachgefragt). Ob und wie viel Speisesoja künftig angebaut wird, hängt dann auch von den einzelnen Abnehmern ab, die aus Soja Tofu und Sojaöl machen.
Sojahunger wegen Fleisch
Der eigentliche Elefant im Raum ist aber ohnehin der Bedarf an Futtersoja der Schweizer Landwirte. Und dort sind die Preise tiefer, die Konkurrenz härter und der Markt ein ganz anderer: Zwar steigt durch den steigenden Fleischkonsum auch der Sojabedarf, was dem globalen Sojaanbau einen Boom beschert. Aber Soja hat ein schlechtes Image. Und Soja aus Brasilien erst recht.
Das ist weder die Schuld der Pflanze, die einfach Fotosynthese betreibt und mit den Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln für den bei den Landwirten geschätzten Stickstoffeintrag im Boden sorgt. Noch ist es die Schuld der Schweine, Hühner und Rinder, die mithilfe von Sojabohnen erst die Kraft und Energie haben, das zu machen, was sie sollen: möglichst viel und möglichst schnell Fleisch und Milch produzieren. Das schlechte Image ist auf die Art und Weise zurückzuführen, wie die Sojapflanze angebaut wird: auf riesigen Feldern, mit genetisch verändertem Saatgut und dort, wo einst Regenwälder standen. Nämlich in den riesigen Monokulturen im brasilianischen Urwald und in der US-amerikanischen Prärie.
Auch die Schweiz importiert
In der Schweiz ist der Import von Sojaschrot und Sojabohnen von gut 200 00 t im Jahr 2000 auf knapp 290 00 t im Jahr 2016 angestiegen. Das ist im Vergleich zur EU wenig, denn unsere Nachbarn importieren 35 Mio t Soja. Und es ist auch unter Berücksichtigung der Eiweissversorgung der Schweiz wenig: Zwei Drittel des Eiweissbedarfs in der Fütterung wird über Raufutter gedeckt, das letzte Drittel über verschiedene Kulturen und Importe. Soja macht unter dem Strich etwa 15% der Eiweissversorgung aus. So gesehen ist das nicht so viel. Doch die importierte Soja benötigt anderswo auf der Welt etwa 100 00 ha Platz. Das ist so viel wie ein Viertel der Schweizer Ackerfläche, entspricht etwa der Fläche des Kantons Uri, und hat für ein paar skandalträchtige Geschichten gesorgt. Denn mit der steigenden Nachfrage in Europa wurde auch das Bewusstsein für die Konsequenzen im Anbau grösser. Und das wiederum stellt eine Gefahr und eine Chance für all jene dar, die mit dem Import von Soja ihren Lebensunterhalt verdienen.
Kleiner Markt für Futtersoja
Und damit wären wir beim zweiten Teil der Geschichte: der Frage, warum sich niemand so richtig um die Förderung vom Futtersojaanbau in der Schweiz kümmern möchte. Sie beginnt damit, dass der Import von Soja um einiges einfacher ist, als der hiesige Anbau. Zudem haben sich die verschiedenen Akteure der Wertschöpfungskette zum Soja Netzwerk Schweiz zusammengeschlossen. Das erklärte Ziel ist Soja für die Futtermittelproduktion aus verantwortungsvoller Quelle zu beziehen. Wie Netzwerkpräsident Bernhard Kammer am Dienstag in Delley FR sagt, könne das auch Schweizer Soja sein. Doch dass das dereinst der Fall sein wird, schliesst ein anderes Netzwerk-Mitglied aus: Christian Oesch. Er ist Geschäftsführer der Vereinigung der Schweizer Futtermittelfabrikanten und sagt: «Schweizer Futtersoja wird kaum je konkurrenzfähig zum Ausland sein können.» Das Schweizer Kostenumfeld würde den Anbau zu stark verteuern. Im Speisesoja, sind sich Kammer und Oesch einig, besteht aber noch Potenzial. Und so überrascht es nicht, dass ein Geschäftsleitungsmitglied eines grösseren Handelsunternehmens sagt: «Die Sojapreise müssen auf europäischem Niveau sein, sonst ist das Futter im Verkauf zu teuer und wir sind nicht mehr konkurrenzfähig.» In seinem Fall bedeute das ein Sojaschrot-Preis von etwa 40 bis 45 Franken.
Dass der Sojaanbau möglich und sinnvoll ist, beweisen Robert Haas und seine rund 600 Kollegen, die seit 1988 in wachsender Zahl auf die Kultur setzen.
Der Preis entscheidet
Die Zucht hat den Boden für den Sojaanbau in der Schweiz geebnet. Gerade im Bereich der tierischen Produkte ist der Markt (noch) nicht in der Lage, aus teurerer Schweizer Soja Produkte mit Mehrwert zu produzieren.
Hansjürg Jäger
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