«Ich bin eine fröhliche Natur und hatte immer Freude an der Landwirtschaft», meint Margrit Pfister mit leuchtenden und interessierten Augen. Mit 93 Jahren strahlt sie Dankbarkeit und eine positive Lebenseinstellung aus und meistert ihre leicht eingeschränkte Mobilität vorbildhaft.

Zehn Geschwister


Margrit Sieger ist, wie sie damals hiess, auf einem kleinen Bauernhof am Rand der Stadt Schaffhausen aufgewachsen. Sie war das jüngste von elf Kindern.

Gerne erinnert sie sich daran: «Ich hatte eine schöne Jugendzeit. Gelegentlich musste ich mich gegen Erziehungsversuche meiner ältesten Schwestern wehren.» Lachend zeigt sie ein Familienfoto noch aus der Zeit, bevor sie selber auf der Welt war. Ein Mann mit sieben Mädchen unterschiedlichen Alters und ein kleiner Bub im Leiterwägeli sind darauf zu sehen. Margrit Pfister erklärt: «Am Sonntag ging mein Vater mit uns Kindern spazieren, damit meine Mutter sich etwas ausruhen konnte.»

Nach der Volksschule konnte Margrit Pfister die Kantonsschule besuchen und hat erfolgreich die Matura abgeschlossen. Bis dahin war Pfister überzeugt, dass sie nie auf einem Bauernhof leben möchte. Aber eine Tracht würde sie schon gerne tragen. So eine gäbe es nur für Bäuerinnen, machten ihr die Schwestern klar, sie müsse eine Zeit lang auf dem elterlichen Hof mitarbeiten.

Später, während eines halbjährigen Aufenthalts im Welschland, reifte dann bei der jungen Frau die Erkenntnis, dass ihr Herz doch für die Landwirtschaft schlage.

Strahlend, als wäre es gestern gewesen, erzählt sie: «An meinem 20. Geburtstag, welchen ich im Welschland verbrachte, überraschte mich meine Familie 
mit meiner ersten Schaffhauser Tracht, genäht von meinen Schwestern! Ich habe mich sehr darüber gefreut.» Wieder zurück in Schaffhausen, besuchte sie dann die Bäuerinnenschule am Charlottenfels. «Acht von uns elf Kindern haben den Charlottenfels besucht, ich glaube, das ist ein Rekord», meint sie stolz.

Hof aufgebaut


Nach der Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin war sie sieben Jahre lang an Bäuerinnenschulen tätig, jeweils im Sommer in Wetzikon und den Winter über  im Charlottenfels. Dann lernte sie ihren Hans kennen, die beiden heirateten und sie zog zu ihm auf den Bauernhof in Uster ZH. Der Hof lag am Dorfrand und die Kühe mussten auf der Strasse auf die Weiden getrieben werden. Margrit Pfister lacht herzhaft: «Die Haushälterin des Arztes hat sich ja immer so 
aufgeregt über die Kuhfladen, welche auf der
Strasse liegen blieben!»

Pfisters konnten einen heruntergekommenen Hühnerbetrieb ausserhalb Uster kaufen und bauten dort 1959 ihren neuen Hof auf. Heute führt Sohn Martin mit seiner Familie und Angestellten den Milchviehbetrieb mit eigener Molkerei. Die Birkenhof-Milchprodukte werden direkt und über Detaillisten in der Region vermarktet.

Kochen als liebstes Fach


Margrit Pfister hat über all die Jahre als Hauswirtschaftslehrerin Teilzeit gearbeitet. Unterstützung bekam sie von ihrer Schwester Trudi, welche in dieser Zeit häufig auf dem Betrieb und bei der Kinderbetreuung mithalf. «Am liebsten hatte ich das Fach Kochen. Hauswirtschaft, also die Kunst, wie man den Staublappen richtig faltet, lag mir nicht so», sagt sie schmunzelnd.

So unterrichtete sie zwei Jahrzehnte lang an 
der Hauspflegerinnenschule. Sie wurde überaus geschätzt, was die Tatsache zeigt, dass sie bei der Stundenplanorganisation mitbestimmen durfte. «Im Heuet habe ich natürlich nicht Schule gegeben, generell konnte ich meine Lektionen in die Zeiten mit wenig Betriebsarbeit legen», erklärt sie.

Politische Wegbereiterin

Über viele Jahre war Margrit Pfister Präsidentin der Bildungskommission der Zürcher Landfrauen und damit für die bäuerlichen Lehrtöchter und deren Abschlussprüfung zuständig. «Damals mussten wir zusammen mit dem zuständigen kantonalen Amt das Reglement für die Lehrabschlussprüfung festlegen. Leider hatte der zuständige Amtschef weder eine Vorstellung von der hauswirtschaftlichen Arbeit noch viel Wertschätzung dafür. So war das halt damals!»

Und als sie 1971 in ihrem Bezirk für den Kantonsrat kandidierte, wurde ihr klar kommuniziert, dass sie nur Listenfüllerin sei. Sie nahm es gelassen und lacht heute darüber. In ihrem 
Erinnerungsordner findet sich neben vielen Zeitungsausschnitten, Briefen und Fotografien auch ein Brief aus dem Jahre 1983. Darin verdankt der damalige Regierungsrat mit lobenden Worten ihre hervorragende
Arbeit als interimistische Leiterin der Bäuerinnenschule Uster.

Margrit Pfister blättert gerne in diesen Zeugen einer vergangen Zeit, sie freut sich darüber, ist dankbar und stolz über 
Erreichtes.

Margreth Rinderknecht