Im Kanton Aargau verlangt eine kürzlich eingereichte Volksinitiative, dass die öffentliche Hand die gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Waldes besser entschädigt, weil sie mit dem Holzverkauf nicht mehr finanziert werden können. Wie sieht es in den anderen Kantonen aus?
Urband Brütsch, Leiter Bereich Ökonomie bei WaldSchweiz: Die Grundproblematik ist in der ganzen Schweiz vorhanden. Die tiefen Holzpreise - verstärkt seit dem Euroschock - decken die Holzerntekosten kaum noch. Ausserdem erbringen die Forstbetriebe neben der Holzproduktion viele weitere Leistungen, welche von der Gesellschaft erwartet, aber nicht entschädigt werden. Hier setzt die Initiative der Aargauer an. In den Voralpen ist das Dilemma etwas kleiner, weil mehr Nadelholz geerntet werden kann und weniger Wohlfahrtsleistungen berücksichtigt werden müssen als in den Agglomerationsgebieten. In den Schutzwäldern schliesslich erlauben die Beiträge von Bund und Kanton meist eine kostendeckende Pflege und Bewirtschaftung, deshalb ist die Situation in den Gebirgskantonen etwas besser.
Wann lanciert WaldSchweiz eine entsprechende Eidgenössische Volksinitiative? Immerhin scheint das Anliegen in der Bevölkerung Rückhalt zu geniessen. Das Komitee "Ja für euse Wald" hat dreimal so viele Unterschriften gesammelt, wie nötig gewesen wären – und das vor Ablauf der Frist.
Da die kantonalen Voraussetzungen und Regelungen sehr unterschiedlich sind und bereits unterschiedliche Ansatzpunkte zur Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen bestehen, macht eine eidgenössische Volksinitiative zurzeit aus unserer Sicht keinen Sinn. Im revidierten Waldgesetz, das per Jahresbeginn in Kraft getreten ist, wurde immerhin die eine oder andere neue Möglichkeit geschaffen, damit der Bund die Waldwirtschaft in speziellen Situationen unterstützen kann, etwa bei Waldschäden, Klimawandel und Erschliessungen. Wir unterstützen unseren Aargauer Kantonalverband in dieser Angelegenheit und sehen die Initiative als Pilotprojekt. Sie bietet eine gute Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und die kantonale Politik zu motivieren, neue Lösungen zu finden.
Die Initianten im Aargau argumentieren mit den tiefen Holzpreisen, die es nicht mehr erlauben, Waldleistungen zu finanzieren. Warum rentiert sich die Holzerei kaum mehr? Immerhin wird wieder vermehrt mit Holz gebaut und geheizt.
Die Holzernte kann bei den aktuellen tiefen Holzpreisen die vielfältigen Leistungen, die die Waldeigentümer erbringen, langfristig nicht finanzieren, da die Kosten für die Waldbewirtschaftung in den letzten Jahren aufgrund gestiegener Lohn-, Maschinen- und Unternehmerkosten angestiegen sind. Zusätzlich belasten hohe Transportkosten und strenge Vorschriften, sowie steigende Ansprüche an den Wald - z.B. Erholung - aber auch externe Einflüsse wie etwa Neophyten, Düngereinträge oder Klimaerwärmung die ganze Branche. Ferner erschweren in der Schweiz kleinflächige Strukturen und schwierige topografische Verhältnisse eine rationelle und kostengünstige Bewirtschaftung. Die meisten der geschilderten Nachteile sind im nahen und ferneren Ausland weniger ausgeprägt.
Ist es ungerecht, dass Bauern für Leistungen zugunsten der Allgemeinheit Direktzahlungen erhalten, Waldeigentümer jedoch nicht?
Die Forstwirtschaft wollte immer eigenständig sein und ganz frei und unternehmerisch wirtschaften und dank den Holzverkäufen ohne klassische Subventionen auskommen. Holz ist nicht essbar und gilt als Industriegut, somit wurden früher die politischen Weichen dementsprechend anders gestellt als in der Landwirtschaft: Für unser Holz gibt es keinerlei Zollschutz, Holz ist frei handelbar. Nun sind aber in den letzten Jahren die Holzpreise in den Keller gefallen und die Forstwirtschaft wird mit immer mehr Auflagen, Nutzungseinschränkungen und Ansprüchen konfrontiert und dadurch im wirtschaftlichen Handeln eingeschränkt. Die Waldeigentümer wollen jedoch keine Direktzahlungen nach dem „Flächen-/Giesskannenprinzip“. Wir möchten, dass unsere erbrachten Leistungen finanziert werden und streben konkrete Leistungsaufträge an.
Gibt es andere Ansätze, die Waldleistungen besser zu vermarkten?
Es gibt gute Modelle von Vereinbarungen zur Abgeltung konkreter und bezifferbarer Leistungen wie: Naturschutz, Dienstbarkeiten für Leitungen durch den Wald, Zertifikatshandel für CO2-Senkenleistungen, konkrete Dienstleistungen der Forstleute. Die Nutzer und Nutzniesser dieser Leistungen, insbesondere die Bevölkerung, muss sich bewusst werden, dass die Waldeigentümer nicht alles zum Nulltarif bereitstellen können. Da braucht es sicher noch weitere Aufklärungs- resp. Öffentlichkeitsarbeit.
Was kann die Waldwirtschaft tun, um wettbewerbsfähiger zu werden?
Natürlich können und wollen wir unseren Wald nicht ins Ausland zügeln, wo vieles billiger oder einfacher wäre… Es gilt noch mehr zu rationalisieren, mechanisieren, mit Kooperationen effizientere Bewirtschaftungseinheiten bilden, um die Fixkosten zu senken; punktuell die Erschliessung optimieren, damit optimale Holzernteverfahren eingesetzt werden können; Wald- und Dienstleistungen vermarkten und insgesamt die Zusammenarbeit innerhalb der Branche aber auch mit der verarbeitenden Industrie fördern.
Am 21. Mai 2017 wird über die Energiestrategie 2050 abgestimmt. Welche Position vertritt WaldSchweiz?
WaldSchweiz unterstützt die Umsetzung der Energiestrategie, weil sie unter anderem auf die nachwachsende Ressource Holz setzt. Natürlich ist es im Interesse der Waldeigentümer, wenn die Nachfrage nach Energieholz steigt.
Welches sind die aktuell grössten Herausforderungen für den Wald?
Die ökonomischen Herausforderungen haben wir ausführlich beschrieben. Sie führen dazu, dass notwendige Investitionen zur effizienteren Bewirtschaftung und zur Kostensenkung nicht getätigt werden können, längerfristig ein Teufelskreis. Weitere Herausforderungen bilden der Klimawandel, Erholungsdruck, Schädlinge, fremde Neobiota wie z.B. Asiatischer Laubholzbockkäfer oder der japanische Staudenknöterich. Dann sind schleichende Gefahren zu erwähnen: der dauernde Nitrateintrag oder der raumplanerischer Druck auf die Waldfläche.
lid, Michael Wahl