Im Hinblick auf eine weitergehende Marktöffnung muss sich die Schweizer Landwirtschaft überlegen, wie sie sich zukünftig gegenüber anderen Ländern abheben will. Ein gutes Beispiel, welches durchaus mit der Schweiz vergleichbar ist, ist Österreich.
Unser Nachbarland ist ähnlich wie die Schweiz, flächenmässig eher klein und hat viele Berge. Bis 1995 waren auch die politischen und wirtschaftlichen Umstände ähnlich. Mit dem EU-Beitritt hat das Land einen neuen Weg eingeschlagen. Von einem Tag auf den anderen musste man lernen, mit dem Freihandel zu leben. Die Folge war zunächst, dass innert zweier Jahre 20 Prozent der Betriebsleiter ihren Hof aufgaben. Das ist ein enormer Strukturwandel. Die Landwirtschaft vermochte sich aber relativ schnell an die neuen Bedingungen anzupassen. Heute ist Österreich ein grosser Konkurrent für die Schweizer Landwirtschaft, der es schafft, einen Grossteil der Produkte erfolgreich zu exportieren.
Unsere Nachbarn bewerben ihre malerische Landwirtschaft, die Berge und die Kühe auf der Weide. Sie konnten den Konsumenten im In- und Ausland den Mehrwert aufzeigen. Sie haben den topografischen Nachteil in einen Vorteil umgewandelt. Genau so wie wir es auch könnten. Wenn wir es täten. Und wenn wir uns konsequent an dieses Modell halten würden. Bereits heute ist die Marke Schweiz weltweit bekannt. Mit ihr wird dem Konsumenten ein Versprechen gegeben. Daher muss jetzt definiert werden, was zum Mehrwert Schweiz gehört.
Heute bewahrt der Grenzschutz das hohe Preisniveau. Doch das wird wahrscheinlich nicht immer so bleiben. Wie kann in Zukunft der höhere Preis der Produkte beim Konsumenten gerechtfertigt werden? Mit tier- und umweltfreundlicher Produktion, die auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Man kann versuchen, die Bauern mit Anreizen zu motivieren, dabei mitzumachen.
Dies versucht man unter anderem mit dem GMF-Programm zu erreichen. Doch was will man konkret damit? Die Ziele, den Kraftfuttereinsatz zu reduzieren und Emissionen zu mindern, wurden bis jetzt nur teilweise erreicht.
Es macht Sinn, die Kraftfutterimporte zu reduzieren. Die Fläche in der Schweiz ist beschränkt. Insbesondere auf den Ackerflächen sollte die menschliche Ernährung nicht auch noch konkurrenziert werden. Es macht auch keinen Sinn, die Milchproduktion noch weiter zu intensivieren. Weil die Fläche knapp ist, werden immer mehr Kraftfuttermittel aus dem Ausland importiert. Es läuft immer mehr auf eine Hors-Sol-Produktion hinaus, also eine Produktion ohne Boden. Wenn auch der Kraftfutteranteil in der Schweiz weniger extrem ist, als im Ausland.
Um diesen Vorteil noch besser zu nutzen, wurde das GMF-Programm ins Leben gerufen. Und mitmachen tun schon sehr viele. Vor allem solche, die auf ihrem Betrieb nicht viel ändern mussten, das ist der sogenannte Mitnahmeeffekt. Sie produzierten bereits im Vorfeld graslandbasiert und nehmen jetzt am Programm teil, weil sie dafür sogar noch Geld bekommen.
Doch Betriebe mit höheren Milchleistungen, vor allem im Talgebiet, halten nichts von GMF. Sie müssten zu viel ändern an ihrer Fütterung. Und würden zu viel verlieren. Weil die Produktionseinbussen mit den Beiträgen nicht gedeckt werden können. Das mag zwar einzelbetrieblich betrachtet Sinn machen, jedoch hilft dies nicht, die Schweizer Landwirtschaft besser zu positionieren. Sinnvoller wäre es, wenn alle am selben Strick ziehen würden. Auch die Emmi geht in diese Richtung. Sie plant zukünftig nur noch Milch abzunehmen, wenn die Produzenten entweder RAUS oder BTS machen und zusätzlich eine abgeschwächte Variante von GMF einhalten. Wie der Bund sollten jedoch auch die Abnehmer die Zusatzleistung der Landwirte finanziell abgelten.
Beim Programm vom Bund fehlt es bis jetzt an einer konsequenten Umsetzung der Strategie.
Die Frage ist: Wie kann man dafür sorgen, dass GMF flächendeckend akzeptiert wird? Will man, dass alle mitmachen, muss man namentlich beim Ganzpflanzenmais die Anforderungen lockern und die Beiträge erhöhen. Die Schweiz, das Land mit einer standortgerechten, graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion: das ist keine Illusion. Dieses Ziel ist erreichbar und vor allem wünschbar.
Jasmine Baumann