Allerspätestens seit letztem Sommer machen sich Bauern – vor allem im Acker- und Spezialkulturanbau – Gedanken, wie sie in Zukunft in Trockenperioden bewässern können. Im Unterthurgau, wo es generell sehr trocken ist, haben sich vier Landwirte vor längerer Zeit zusammengetan und ein gemeinsames Bewässerungskonzept realisiert. Von der Idee bis zur Inbetriebnahme vergingen allerdings zehn Jahre.
Es musste etwas passieren
«Nach dem Hitzesommer 2003 war für uns die Schmerzgrenze erreicht. Wir hatten grosse Qualitäts- und Ertragseinbussen. Für uns war klar, dass wir einen Weg finden müssen, wie wir in Zukunft bewässern können», sagte Ueli Küng. Er ist einer von vier Mitinhabern der Pflanzenwohl GmbH. Ebenfalls dabei sind René Heller, Ruedi Vetterli und Christoph Rhyn.
Es brauchte einen gewissen Leidensdruck, damit sich die vier Landwirte zusammenrauften. 2005 gab es die ersten Gespräche. Nach Abklärung der Machbarkeit 2007 fanden ab 2008 erste Kostenberechnungen und Abklärungen zur Finanzierbarkeit statt. 2009 gründeten die vier Bauern die Pflanzenwohl GmbH «zu unserer rechtlichen Absicherung und weil das eine Bedingung für den Erhalt von Unterstützungsgeldern war», so Küng.
Behörden liessen sich Zeit
Im selben Jahr reichte die GmbH ein Baugesuch ein. Eine umständliche Sache, wie es Ueli Küng formulierte. Unter anderem mussten für 18 Strassen- und zwei Bahnunterquerungen Bewilligungen eingeholt werden. Die Bewässerungsrohre verlaufen zudem durch 20 ha Land, das nicht den vier Landwirten gehört. Mit diesen Landeigentümern mussten ebenfalls Einigungen getroffen werden.
Dann ging lange nichts mehr. Die Behörden liessen sich Zeit mit der Bearbeitung des Baugesuchs. Erst im Januar erhielt die GmbH die Baubewilligung. Nachdem im Juli 2014 auch der Kanton Thurgau und der Bund Strukturverbesserungsbeiträge für das Projekt sprachen, ging es vorwärts. Im Januar 2015 starteten die Bauarbeiten, bereits im Mai konnte das Bewässerungsnetz erstmals genutzt werden.
Gekostet hat das Ganze 800 000 Franken. Bund und Kanton beteiligten sich mit je 27 Prozent an den Kosten. So blieb für die vier Landwirte ein Betrag von 368 000 Franken, also je 92 000 Franken pro Betrieb. Für die Wasserkonzession, 2400 Minutenliter, hat die GmbH eine Laufzeit von 25 Jahren.
Viele Arbeiten haben René Heller, Ueli Küng, Christoph Rhyn und Ruedi Vetterli mit ihren Angestellten selber ausgeführt, so zum Beispiel die ganze Verlegung der Rohre. Insgesamt verlegten sie 7,5 Kilometer PVC-Rohre mit Steckmuffen in einer Tiefe von 1,2 Metern.
Gute Technik, die kostet
Die Bewässerung sollte für die Landwirte möglichst ring vonstatten gehen. Deshalb wurden entlang der Druckleitungen 65 Hydranten eingebaut. Dort kann der Rollomat angeschlossen werden. Die GmbH besitzt drei Rollomate, die pro Nacht 400 m³ Wasser auf die Felder bringen können. Das System mit den Hydranten ist zwar praktisch, aber recht kostspielig: 1500 Franken kostet ein Hydrant, macht total 97 500 Franken. Abgerechnet wird pro Kubik ausgebrachtes Wasser. Dafür wurden die Rollomate mit einem Wasserzähler ausgerüstet.
Eine der grössten Herausforderungen ist, auf allen Hydranten den gleichen Wasserdruck (7 bar) zu haben, erklärte René Heller auf dem Feld. Zwischen der Wasserfassung (394 m ü M.) und dem höchst gelegenen Hydranten liegt eine Höhendifferenz von 86 Metern. «Das bedingte, dass wir ‹im Buck› eine Druckerhöhungspumpe installieren mussten», so Heller. Damit erreicht man beim höchstgelegenen Hydranten einen Druck von 5 bis 6 bar.
Abnahmeverträge
Wer bewässern will, muss sich bei Felix Heller melden. Er ist der Wasserchef und koordiniert, wer wann bewässern darf. Die Landwirte, durch deren Land Rohre verlaufen, hatten 2015 die Möglichkeit, Abnahmeverträge mit der GmbH abzuschliessen. So profitieren sie vom gleichen Tarif wie die Mitinhaber. Wer keine Abnahmeverträge hat, aber trotzdem Wasser beziehen will, zahlt einen leicht höheren Tarif. Wie hoch die Tarife sind, wurde an der Veranstaltung nicht gesagt.
Anlagewart Felix Heller wartet auch die Pumpstation. Eine Unterflurpumpe, die sich in einer Tiefe von neun Metern befindet, pumpt das Wasser aus dem Rhein. Strom kann die GmbH von der Brücke beziehen, unter der die Trafostation steht. «Ein Glücksfall», wie Heller sagt.
Kulturen haben Priorität
Ueli Heeb vom Amt für Landwirtschaft Kanton Thurgau erläuterte im Anschluss an die Besichtigung die Auflagen und Bedingungen, die es für die Realisation eines Bewässerungsprojektes braucht. Dies sind Folgende:
- Bedürftigkeit: Das Trockenheitsrisiko muss ausgewiesen sein.
- Würdigkeit: Kosten-Nutzen-Verhältnis, Marktsituation, Qualität und Ertrag der Produkte.
- Machbarkeit: Wie steht es um die Wasserverfügbarkeit? Woher kommt das Wasser?
- Effizienz: Der Bedarf muss begründet sein.
«Die Realisation einer Bewässerungsanlage kann man sich wie ein Hürdenlauf vorstellen: Auf einer relativen kurzen Strecke gibt es einige Hürden zu nehmen. Diese sind eigentlich nicht so hoch, bedingen aber eine sorgfältige Planung», sagte Heeb. Die Trägerschaft sei das Herzstück eines solchen Projekts. «Es muss ein klares, gemeinsames Ziel geben, aber es sollten nicht zu viele Personen involviert sein, sonst wird es kompliziert.»
Heeb sprach noch einen Punkt an, den ihn sehr beschäftigt. Nämlich, dass die Gesellschaft immer weiter weg von der Landwirtschaft ist: «Wir müssen zeigen, dass es Bewässerungsanlagen braucht, damit wir die Qualität und die Menge der Produkte gewährleisten können. Wir müssen Verständnis schaffen, dass die Bewässerung der Landwirtschaftskulturen höher zu gewichten ist als das Auto zu waschen oder den Rasen zu bewässern.»