Bei der «Club»-Diskussion unter der Leitung von Karin Frei sassen folgende Gäste auf dem Sofa:
Ueli Strahm, verschuldeter Landwirt
Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband, Nationalrat und Biobauer
Cornel Eberle, Straussenfarmer
Andreas Bosshard, Agrarökologe, Geschäftsführer Vision Landwirtschaft
Mara Simonetta, Bauern-Gewerkschafterin ABLA und Bäuerin, sie arbeitet 80% auswärts, ihr Mann 20% auswärts
Hier die wichtigsten Aussagen aus der Sendung im Überblick:
UELI STRAHM...
Über Rahmenbedingungen: «Bei den heutigen Direktzahlungen ist ein grosser, extensiv geführter Betrieb gegenüber einem kleinen, intensiv produzierenden Betrieb im Vorteil. Ein kleiner Betrieb gehört zu den Verlierern.»
«Wir sind an so vielen Orten in unseren Strukturen gefangen.»
«Eine Betriebsumstellung ist immer mit grossen Investitionen und vorübergehend Einkommensbussen verbunden.»
Über seine eigene Situation: «Mit meiner Frau habe ich über die finanziellen Probleme gesprochen. Mit den Kindern weniger. Ich fand es nicht zielführend, das jeden Morgen am Küchentisch zu besprechen.»
«Als ich gesehen habe, dass ich 120 Prozent arbeite und es trotzdem nicht schaffe, den Betrieb liquide zu haben, habe ich das erst als persönliches Versagen empfunden. Das war für mich ein Gesichtsverlust vor der Familie, vor dem ganzen Umfeld»
Über die Zukunft: «Nach den finanziellen Problemen haben wir uns bewegt. Wir betreuen heute benachteiligte Personen auf dem Betrieb und produzieren Weidegänse. Aber das ist noch eine Nische. Ich sehe einen Silberstreifen am Horizont.»
Über Einkaufstourismus: «Jeder Schweizer, der über die Grenze zum Einkaufen fährt, sollte sich einmal fragen, ob das fair ist ...»
MARKUS RITTER...
Über Investitionen: «Bei grösseren Investionen empfehlen wir, dass Businesspläne gerechnet werden. Das ist sehr wichtig.»
«Gute Ideen haben reicht nicht, es braucht auch die entsprechenden finanziellen Mittel.»
Über den eigenen Betrieb: «Unser Betrieb mit Milchwirtschaft in der Bergzone ist sicher aufwändig, aber gut aufgestellt.»
«Ich könnte es mir nicht vorstellen, meine Kühe wegzugeben.»
Über die Schwierigkeit, über Probleme zu reden:
«Kommunikation ist sicher nicht die Stärke in der Landwirtschaft.»
«Am schlimmsten ist es, wenn jemand gar nicht mehr redet. Da müssen die Angehörigen versuchen, eine Tür zu öffnen.»
«Das Managen von Befindlichkeiten war in meinem Leben immer etwas vom Wichtigsten. Früher in der Familie, heute im Bauernverband.»
Über mangelnde Liquidität:
«Wenn jemand nicht mehr liquide ist, nimmt er jeden Morgen voller Angst die Post aus dem Briefkasten.»
Über Unternehmertum:
«Es gibt in der Schweizer Landwirtschaft auch Bereiche, die gut laufen.»
«Unser Appell an die Bauern ist: Seid flexibel, prüft Alternativen.»
Über den Milchpreis und die wirtschaftliche Situation:
«Der Milchpreis im Laden ist überhaupt nicht gesunken. Gesunken ist er nur beim Bauern.»
«Unser Hauptproblem ist, dass der Bauer vom Konsumentenfranken immer weniger bekommt.»
«Der ausbezahlte Milchpreis lag letztes Jahr elf Rappen unter dem Richtpreis. Dieser Richtpreis wäre aber fair und entspricht den Marktgegebenheiten.»
«Es ist doch nicht normal, dass sich der Preis nicht bewegt, wenn die Produktion deutlich zurückgeht.»
«Entscheidend ist, dass eine Bauernfamilie mit ihrem Betrieb genug verdienen.»
Über Nachwuchsmangel wegen mangelnder Perspektiven:
«Wir werden in den nächsten fünfzehn Jahren noch einmal 15'000 Betriebe verlieren.»
«Heute muss niemand mehr bauen, weil er nicht anderes mehr findet.»
«Auf vielen Betrieben wird am Küchentisch nicht sehr positiv über die Zukunft gesprochen.»
CORNEL EBERLE...
Über Neuausrichtung eines Betriebs:
«Es ist schwierig, etwas Neues anzufangen, man hat viele Gegner und Gesetze.»
Über Unternehmertum: «Nicht jeder Bauer kann ein Unternehmer sein, dafür muss man der Typ sein»
«Ich wäre nie ein guter Milchbauer geworden, also musste ich mich anders orientieren. Vielleicht war das mein Glück.»
Über Rahmenbedingungen:
«Es ist richtig, dass wir in der Schweiz einen hohen Tierschutzstandard haben, aber das verteuert auch unsere Produktion. Wir müssen dafür einen guten Preis lösen können.»
«Unsere Lebensmittel sind zu wenig wert.»
ANDREAS BOSSHARD...
Über das Umfeld: «Wenn Investitionen auf einem Betrieb anstehen, sind da in anderen Branchen sofort Interessen vorhanden.»
«Ein grosses Umfeld kann und will an der Landwirtschaft Geld verdienen.»
«Die Landwirtschaft ist ein Durchlauferhitzer. Viel Geld geht rein und sehr viel wieder raus. Bei den Bauern bleibt sehr wenig davon.»
«Die Bauernzeitungen sind voller Verheissungen, was ein Bauer alles machen könnte: Neue Maschinen, neue Futtermittel, Pestizide ...»
Über Investitionen:
«Man baut als Bauer nur einen Stall im Leben, der muss sich amortisieren.»
«Oft werden teure, grosse, aufwendige Lösungen realisiert.»
«Oft wird viel zu wenig sorgfältig kalkuliert.»
«Weniger wäre oft mehr.»
Über die Milchproduktion:
«Es gibt zwei Möglichkeiten, die Kosten in der Milchproduktion zu optimieren: Den Kraftfuttereinsatz senken und die Kühe möglichst viel weiden lassen. Natürlich können das nicht alle Betriebe, aber es gibt viel Optimierungspotenzial.»
«Wir machen uns den Milchpreis selbst mit einer Hochleistungsstrategie kaputt.»
MARA SIMONETTA...
Über den eigenen Betrieb:
«Wir haben einen kleinen Betrieb mit 15 Hektaren, egal was wir machen, wir bräuchten immer einen Nebenerwerb.»
Warum sie die Milchproduktion aufgegeben hat:
«Wenn man jeden Tag in den Stall geht und Geld drauflegt, muss man sich etwas überlegen und andere Sachen anschauen.»
Über traditionelles Denken in der Landwirtschaft...
«Dass ich auf schottische Hochlandrinder umgestellt habe, kam bei der älteren Generation erst nicht gut an.»
«Gegen den Strom schwimmen ist in der Landwirtschaft sehr schwierig.»
«Früher musste ein Bauer nicht unternehmerisch denken.»
Über Bauern, die nicht über Probleme reden können:
«Ein Landwirt ist es sich gewohnt, sich selbst zu helfen.»
«Kommunikation und Empathie müssten auch an den landwirtschaftlichen Schulen im Unterricht thematisiert werden.»
Aufgezeichnet jw