Im Bündner Rheintal weiss der April wirklich nicht, was er will. Warme Föhntage wechseln sich mit Kälteeinbrüchen und Regenperioden ab, ein Wetter, das auch für Bienen und Imker nicht einfach ist. Bei gutem Flugwetter haben dieHonigbienen fleissig Pollen und Nektar von den Weiden und der Hasel gesammelt, bei Schlechtwetter von den Vorräten gezehrt. 

Jetzt warten Bienen und Imker sehnsüchtig auf die Obst-Blüte. Landwirtin Corina Göpfert in Untervaz GR beobachtet erfreut, wie nacheinander die Pflaumen, Kirschen, Birnen und Äpfel
ihr weiss-rosa Blütenkleid anziehen. Dann fliegen ihre Sammelbienen aus, dann kann sie die Honigwaben aufsetzen.

Drei Standbeine

Geerntet wird der Honig allerdings erst im Juli. «Letztes Jahr gab es nach dem Dauerregen im Frühling und dem unbeständigen Sommer nur eine kleine Honigernte», sagt sie. Trotzdem hat die Landwirtin jedem Bienenvolk jeweils zehn Kilogramm Honig gelassen. «Nach meiner Erfahrung ist ein grosszügiger Anteil vom eigenen Honig für die Bienengesünder, als wenn ich sie ausschliesslich mit Zuckerwasser auffüttere.»

Mit ihrem Partner Reto Jäger bewirtschaftet Corina Göpfert denHertihof, der auf drei wirtschaftlichen Standbeinen steht. Zum einen ist da die Gemüse-Produktion. Die Familie baut jährlich rund 650 Tonnen Rüebli, Chicorée, Kartoffeln und Spinat an.

Dazu kommt die Tierhaltung. 170 Mast-Munis und 124 Mast-Schweine werden auf dem Landwirtschaftsbetrieb gehalten. Neben den Mast-Tieren stehen fünf eigene und sieben Pensions-Pferde auf der Weide – «meine Leidenschaft», erklärt Corina Göpfert.

Bienen im Bauwagen

Schon seit 1995 ist der Agro-Tourismus das dritte Standbein des Hertihofs. Von der professionell eingerichteten Küche aus können bis zu 80 Gäste in der Gaststube bewirtschaftet werden, weitere 150 Gäste in den Stallungen und im grossen Garten. Zum Bauernbrunch am 1. August kommen sogar über 450 Gäste.

2004 entdeckte Corina Göpfert die Imkerei für sich. Der damalige Kantonale Bienenkommissär Alex Caviezel war ihr Lehrmeister. Selbstverständlich absolvierte sie auch den Grundkurs für Neu-Imker, der acht Tage dauert, die jeweils je nach der saisonalen imkerlichen Tätigkeit über zwei Jahre verteilt werden.

In den ersten vier Jahren standen die Bienenstöcke direkt vor dem Bauernhaus. 2008 konnte CorinnaGöpfert einen ausrangierten Bauwagen kaufen, den sie zum Bienenwagen umbaute. Von einer Schulklasse liebevoll bemalt, steht der Wagen seither in der kälteren Jahreszeit auf dem Hof. Nach der Blüte der Obstbäume und vom Raps hängt Corina Göpfert den Bienenwagen aber an den Traktor und fährt ihn zum eigenen Maiensäss, das auf 1300 Meter über Meer hoch über Untervaz liegt.

Zwischen Heuet und Bienen

Der Sommer-Standort auf dem Maiensäss ist für Corina Göpfert ideal. Einerseits geht die Bauerntochter «fürs Leben gerne in die Heuet, das ist eine eigene Welt, in der ich keine Termine und Sorgen kenne.» Und während der Heuet kann sie auch jederzeit bei ihren zehn Bienenvölkern vorbeischauen. «Zu den Bienen zu schauen, hat schon fast meditativen Charakter. Und ich kann meine Bienenvölker auch viel öfter kontrollieren, als wenn ich jedes Mal aus dem Tal hochfahren müsste.»

Denn eines müsse man sich als Landwirtin bewusst sein: «Gerade während der Heuet am Berg und der Erntezeit im Tal benötigen die Bienen am meisten Zeit.» Und die beste Planung nützt nichts, wenn das Wetter nicht mitspielt. Wenn Meteo Schweiz ein Gewitter meldet, muss das Emd rein in den Stall – und die Bienen müssen warten. «Umgekehrt ist das Imkern vor einer aufziehenden Gewitterfront sowieso kein Vergnügen», lacht Corina Göpfert, «da wird man von den Wächterbienen regelrecht perforiert.»

Die Koordination der Arbeit auf dem Hof mit der Imkerei ist oft schon eine Herausforderung. «Wenn dann noch die Familie mit eingeplant werden muss, grenzt es manchmal an ein Kunststück.» Aber die Kinder von Corina Göpfert freuen sich über die Ausflüge zum Bienenwagen «und so kriegen wir alles schön auf die Reihe, auch wenn ich manchmal den Spagat machen muss.»

Beste Werbung

Corina Göpfert pflegt eine naturgemässe Bienenhaltung. Ihre Völker und Königinnen kommen aus der näheren Region, meist sind es eigene Schwärme, die Tiere sind an die beiden Standplätze im Tal und am Berg angepasst. Die Nutzniesser ihrer Leidenschaft für die Bienen sind die Schleckmäuler in der eigenen Familie, aber auch die Gäste aus dem
Agro-Tourismus, die sie mit dem
hofeigenen Bienenhonig verwöhnt. Werbung für ihren Honig macht Corina Göpfert nicht, «sonst müsste ich mehr Bienenvölker aufbauen und an anderen Orten Zeit einsparen». Für die Landwirtin und Imkerin ist es schon eine Befriedigung, wenn die Gäste versichern, dass sie nie mehr billigen Honig aus dem Ausland kaufen werden.

Jürg Vollmer

 

Imkerin werden

Die meisten der 20 000 Schweizer Imkerinnen und Imker absolvierten den zweijährigen Imker-Grundkurs, der im internationalen Vergleich zu den besten zählt. Seit
dem erfolgreichsten Schweizer Dokumentarfilm aller Zeiten «More than Honey» im Jahre 2012 absolviert jährlich eine Rekordzahl von 1000 Neu-Imker den Grundkurs, der 18 Halbtage umfasst.

Die Neu-Imker werden nach dem Ausbildungskonzept des Imkerverbandes VDRB einheitlich ausgebildet. Ziel ist es, dass die Neu-Imker eine gute imkerliche Praxis erwerben, so dass Bienen und Imker voneinander profitieren können. Nebst praktischen Arbeiten im Bienenhaus respektive mit Magazinen, wird auch das theoretische Wissen vermittelt. Der Kurs kostet 500 Franken.