Morgens grummelt die Sonne jetzt schon viel länger hinter der gegenüberliegenden Bergkette herum und kratzt dann mit ihrem Licht relativ flach über die längst verdorrten Alpenrosen und andere, mittlerweile ins Beige neigende Gräser und Pflanzen. Die ersten Molkeschweine wurden bereits zum Metzger gekarrt. Der Termin für die Alpabfahrt befindet sich nur noch wenige Kalenderseiten entfernt, und das, was zu Beginn wie eine kleine Ewigkeit erschien, das ist nun beinahe schon wieder vorbei: ein ganzer Alpsommer.

Elegant durch den Sommer

Innerhalb dieser kleinen Unendlichkeit rasen die Tage nur so dahin: Kaum steht man auf, fällt man auch schon wieder ins Bett, und ehe man sich versieht, ist man aus der üblichen Struktur von Wochentagen herausgefallen und rutscht quasi haltlos über die Alpwiesen und durch die Sommertage.

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Diese sind eigentlich weder zu kurz noch zu lang, sondern gerade richtig, um all dem nachzugehen, was zu tun ist. Die Natur, die Tiere und der Sonnenstand geben die Abläufe und das Tun vor. Es ist ein Rhythmus, bei dem man mitmuss, und zu dem man mal mehr, mal weniger elegant durch den Sommer gleitet. Wie schreibt Christiane Tramitz in «Harte Tage, gute Jahre – die Sennerin vom Geigelstein»: «Die Zeit ist so schön, wenn einzig die Natur sie taktet. (…) Die Tätigkeiten den Jahreszeiten anpassen, nicht dem Zeiger einer Uhr unterordnen.»

Ziegen mit frohem Übermut

Während dieser getakteten und dabei doch ungebundenen Zeit auf der Alp gab es gute und schlechte Tage, gab es Hitze und Schnee, Lachanfälle und Tränen, Ziegen mit frohem Übermut und kleinen Verletzungen, Hähne, die von Hühnern nicht akzeptiert wurden, und zu allem Überdruss auch noch nachts im Stall von einem Kalb zerquetscht wurden. Es gab Sonne auf der Haut und Käsebrote im Bauch, es gab zufriedene Seufzer und übermüdete Gesichter.

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Und es gab diesen Sommer auch die Einsicht und Konsequenz eines Teammitglieds, dass man nicht so viele Tage bleiben muss wie ursprünglich geplant, wenn sich im Laufe der Zeit und aufgrund diverser Umstände herausstellt, dass einem das körperlich und psychisch nicht länger guttut. Und auch derlei Tage waren dann aber keine verlorenen Tage, sondern solche, an denen Grenzen und Kapazitäten, Flexibilität und Standpunkte ausgelotet werden konnten.

Sehen wir uns nächsten Sommer wieder?

Über die Sommertage zusammengeschweisste oder aber nochmals neu zusammengewürfelte Alpteams stehen nun in den letzten Atemzügen und schauen den verbleibenden Alpsommertagen mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen.

Die Berge ringsum, die stehen noch ewig, und ob sie uns alle jemals wiedersehen oder nicht, das ist ihnen wohl hübsch egal. Wo jede und jeder von uns im nächsten Sommer steht, das weiss niemand. Wir wissen immer nur das, was gerade ist. Und wir sehen uns dann jedenfalls nochmals beim Alpabzug.

Zur Person
Marlene Kelnreiter geht seit 2020 jeden Sommer z Alp. Am 7. September erscheint ihr Buch «Käseglück» im Löwenzahn-Verlag.