Eigenen Strom nutzen – das klingt angesichts der unsicheren Versorgungslage verlockend. Allerdings sind Solaranlagen nur in den seltensten Fällen für den Notfall gerüstet. Der überwiegende Teil der Besitzer von Solaranlagen habe daher bei einem Stromausfall keinen Vorteil, schätzt Urs Zahnd, Geschäftsführer der Firma Fleco Power. Wo der sogenannte Inselbetrieb funktioniere, wisse das der Betriebsleiter, «denn das ist in der Konzeption und Umsetzung ein ziemliches Projekt».
Aus Sicherheitsgründen ausgeschaltet
Normale Solar- und Biogasanlagen, die ans Stromnetz angeschlossen sind, schalten sich aus Sicherheitsgründen bei einem Stromausfall aus. So laufen Techniker bei Reparaturarbeiten nicht Gefahr, einen Stromschlag zu erleiden und es werden Schäden bei der Wiederinbetriebnahme des Netzes vermieden. Wie die dezentrale Stromproduktion in Form von Solar- und Biogasanlagen bei einem Blackout die Notversorgung sicherstellen könnte, hat Fleco Power im Projekt «BackupFlex» auf dem Landwirtschaftsbetrieb Holzhof der Familie Wartmann untersucht.
Im Zentrum steht dabei ein Landwirtschaftsbetrieb, auf dem die erneuerbaren Produktionsanlagen in einem lokalen Notnetz zusammengeschlossen sind. Die wichtigsten Verbraucher (z. B. Melkmaschine, Stallbelüftung, etc.) werden so auch während eines Stromausfalls versorgt.
Viel ist möglich, aber die Kosten sind ein Haken
BackupFlex wird vom Bundesamt für Energie gefördert und durch den Holzhof als Projektpartner unterstützt. Die Arbeiten starteten vor zwei Jahren, als sich noch niemand Sorgen um die Sicherheit der Schweizer Stromversorgung machte. Nun hat der Wind gedreht und obwohl das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, nennt Urs Zahnd bereits erste Erkenntnisse:
- V.a. Solarstrom hat grosses Potential, Betriebe gegen Stromausfälle widerstandsfähiger zu machen.
- In welchem Umfang das möglich ist, hängt aber von der Dauer des Stromausfalls und der betroffenen Jahreszeit ab.
- Übers Jahr gesehen müssen sich die Technologien ergänzen: Wenn die Solaranlage an dunklen Wintertagen nur wenig Energie liefert, füllen Biogasanlagen, Zapfwellengeneratoren oder ein Notstromaggregat die Lücken.
«Heute hapert es aber noch bei der Kosteneffizienz», sagt Zahnd zum dritten Punkt. «Technisch ist das Problem mit einer zum Inselbetrieb fähigen Solaranlage, einem Batteriespeicher und einem Notstromaggregat oder einem Zapfwellengenerator lösbar, für die meisten Betriebe ist das aber wirtschaftlich nicht interessant.» Der steigende Strompreis ändere daran nur bedingt etwas, da vermutlich auch die Systemkosten steigen würden.
«Das ist schon sehr gut»
Eine bestehende Solaranlage für den Inselbetrieb umzurüsten, ist laut Urs Zahnd keine Kleinigkeit und nur mit entsprechendem finanziellem Aufwand umsetzbar. «Dazu braucht es inselfähige Wechselrichter und sinnvollerweise einen Batteriespeicher», erläutert er, «und auch die elektrische Verteilung auf dem Betrieb muss angepasst werden». Dass sich das wirtschaftlich rechne, sei selten der Fall. Für Neubauten werden Systemlösungen angeboten, wobei aber die Erwartungshaltung entscheidend ist: Soll die Anlage einen Stromausfall von einer Stunde, einem Tag oder gar einer Woche überbrücken können?
«Ich bin aber optimistisch, dass es dank BackupFlex für den Notstrombetrieb mittelfristig auch eine bezahlbare technische Lösung fürs Nachrüsten bestehender Solaranlagen gibt», meint Urs Zahnd. Mit erneuerbaren Energien lasse sich die Stromversorgung übers Jahr gesehen zu drei Vierteln der Zeit sicherstellen, «das ist schon sehr gut». Früher brauchte man das ganze Jahr über Diesel, heute sind es nur noch rund drei Monate als Ergänzung.
Es muss immer ein Gleichgewicht herrschen
Man darf sich heute demnach trotz Solarpanels auf dem Dach nicht in falscher Sicherheit wiegen. Genauso falsch ist es aber laut Urs Zahnd, blind auf einen eingestaubten Generator in der Scheune zu vertrauen. «Probleme zeigen sich erst beim Einsatz und im Ernstfall erreicht man kaum einen Hersteller für den Service», gibt er zu bedenken. Daher seien ein bis zwei scharfe Probeläufe pro Jahr empfehlenswert, wie es auch z. B. Spitäler machen.
V.a. das Starten von elektrischen Motoren und deren Dauerbetrieb, wie es z. B. bei einer Lüftung unerlässlich ist, werden im Inselbetrieb zur Herausforderung. Denn wie es im grossen Massstab schweizweit der Fall ist, muss auch in einem Notstromnetz zu jeder Zeit ein Gleichgewicht herrschen zwischen Produktion und Verbrauch. Auf nationaler Ebene ist dafür die Netzgesellschaft Swissgrid zuständig, die zum Ausgleich von unvorhergesehenen Nachfragespitzen auf Produzenten sogenannter Regelenergie zurückgreift bzw. deren Produktion bei einem Überangebot koordiniert zurückfährt. Man kann sich das Stromnetz vorstellen wie einen weit verzweigten See, dessen Pegelstand immer gleich sein muss und der mit einer Vielzahl von Zu- und Abflüssen im In- und Ausland verbunden ist. «Je grösser das Netz, desto stabiler ist es», erklärt der Fachmann.
Keine absolute Autarkie
Sich vollständig vom Netz abzukoppeln und den Betrieb ausschliesslich mit Strom z.B. von der eigenen Solaranlage versorgen zu wollen, ist in diesem Zusammenhang auch kein sinnvoller Ansatz: «Es gibt Jahreszeiten, da reicht die eigene Energie vom Dach einfach nicht», so Zahnd. Das hätten Berechnungen mit einem effizienten Stall und Dächern mit voller Solarbelegung gezeigt. Die letzten 20 Prozent Strom zur absoluten Autarkie seien schwer sicherzustellen und im Netz deutlich billiger zu haben.
Was macht Fleco Power?
Die Fleco Power AG ist eine Tochterfirma der Genossenschaften Ökostrom Schweiz und ADEV sowie der MBRsolar AG und beschäftigt sich mit der Vermarktung Erneuerbarer Energien aus dezentraler Produktion. Das Unternehmen bezeichnet sich als produzentennah und will Anlagenbetreiber bei der Umstellung auf die fossilfreie Energieerzeugung bestmöglich unterstützen.