Fredi Klee, Initiant und Präsident des Vereins Interessengemeinschaft Appenzeller Obst, stellt das Projekt «Bschorle» nicht zufällig im innerrhodischen Oberegg vor: Von hier stammt der grösste Teil der Appenzeller Äpfel und Birnen, die für das Bschorle verwendet werden.
Anstatt das Obst unter den meist alten Hochstammbäumen verfaulen zu lassen, suchte Klee zusammen mit Landwirten und Besitzern alter Hochstammbäume nach Möglichkeiten, diese gewinnbringend zu verwerten.
Neues Produkt kreiert
Dank der Zusammenarbeit mit der Mosterei Kobelt in Marbach SG und der Brauerei Locher in Appenzell gelang es, ein neues Produkt zu kreieren und auf den Markt zu bringen. Es entstand das Bschorle. «B» steht dabei für Bier und «schorle» für das spritzige Obstsaftgemisch. Zusammen mit drei weiteren Projekten befindet sich Bschorle, eine Mischung aus Appenzeller Obstsaft und alkoholfreiem Bier, in der Endrunde für den Agropreis 2017, der von der Emmental- Versicherung gesponsert wird.
70 bis 80 Tonnen Mostobst
Am 2. November werden im Kursaal in Bern die Gewinner gekürt und Preise im Gesamtwert von 50000 Franken verliehen, wie Emmental-Jurymitglied Markus Reutimann berichtet.
Diesen Herbst ist es schon das dritte Jahr, in welchem die Brauerei Locher den Obstsaft aus dem Appenzellerland übernimmt. Die 27 aktiven Vereinsmitglieder mit derzeit 912 Apfelbäumen und 480 Birnbäumen liefern das Obst an zwei Verladeplätze, im Durchschnitt sind es etwa 70 bis 80 Tonnen Mostobst jährlich.
Von den Verladeplätzen geht es zur Mosterei Kobelt, dann wird der Saft von der Brunner AG in Steinmaur ZH eingedickt und das Konzentrat an die Brauerei Locher geliefert.
Das Projekt «Bschorle-Appen-zeller Obst» kommt nicht nur den Eigentümern der Bäume und den Verarbeitern zugute, sondern auch der Natur und der kulturellen Vielfalt.
Das Obst stammt nämlich von Hochstammbäumen, die einen natürlichen Lebensraum für Vögel und Insekten bieten. Auch gehören die Hochstammbäume seit 200 Jahren zum Landschaftsbild einiger Appenzeller Gemeinden.
Viel Arbeit, wenig Ertrag
Über die geschichtliche Bedeutung des Obstbaues berichtet kein Geringerer als Ständeratspräsident Ivo Bischofberger, Historiker und «der stille Schaffer aus Oberegg», wie er auch schon betitelt wurde.
Während es vor dem 19. Jahrhundert kaum Obstbäume im Appenzellerland gab, änderte sich das mit den Hungersnöten von 1770 /71 und 1816 /17. Als Reaktion darauf wurde «eine ungeheure Menge Obstbäume gepflanzt», heisst es in einer Beschreibung der appenzellischen Alp- und Landwirtschaft um 1800.
Der Hochstammobstbau damals gab zwar viel Arbeit und wenig Ertrag. Aber vor allem in Form von Most diente er den Menschen als ein gewisses Grundnahrungsmittel.
Quelle sicheren Erwerbes
Ende des 19. Jahrhunderts wurde Appenzeller Obst sogar nach Deutschland exportiert. Wegen der allmählichen Konkurrenz von Wein und Bier, die auch aus dem Ausland importiert wurden, entstand allmählich sogar ein Überschuss an Mostobst.
«Gelänge es, Wein-, Bier- und Mosteinfuhr stabil zu halten oder gar (!) ein eigenes genüssliches gemischtes Produkt herzustellen, dann hätten wir es in mittleren Obstjahren gar nicht mehr nötig, Most-Obst zu exportieren.»
Dieses Zitat aus dem Appenzeller Kalender vom 3. Oktober 1914, könnte aus der heutigen Zeit stammen.
«Es wird unser Obstwald weiterhin grünen und blühen… nicht nur zum Schmucke unseres Ländchens, sondern auch als Quelle sicheren Erwerbes.» Diesem Zitat vor 103 Jahren gebe es auch in der heutigen Zeit nichts beizufügen, schliesst Bischofberger seinen Rückblick.
Michael Götz