Ali Abdirisaq arbeitet gerne. Dank seinem Job auf dem Gemüsebaubetrieb Eschbach in Füllinsdorf BL konnte er aus dem Wohnheim in eine eigene Wohnung ziehen, die er sich mit einem Kollegen teilt. Er hat sich ausserdem ein gebrauchtes Auto gekauft. «Ich mache jetzt die Fahrschule», sagt der etwas schüchtern wirkende Somalier nicht ohne Stolz. Der 25-Jährige ist vor sechs Jahren in die Schweiz geflohen.
Seit zwei Jahren arbeitet Ali Abdirisaq mit einem unbefristeten Vertrag auf dem Betrieb von Andreas und Margret Eschbach (zuvor war er befristet tätig). Er sät die Kresse mit der Spezialmaschine und ist in der Erntegruppe dabei. «Ali ist ein guter Mitarbeiter», sagt sein Chef Andreas Eschbach. Er sei fröhlich und freundlich, könne sich gut organisieren, melde Unregelmässigkeiten in der Kultur und behebe kleine technische Pannen an Maschinen selbst.
Flüchtlinge haben auf dem Betrieb Tradition
Schon Andreas Eschbachs Grossvater gab Juden, die aus Nazi-Deutschland in die Schweiz geflohen waren, Arbeit auf dem Gemüsebetrieb. Eschbach selbst beschäftigt seit 20 Jahren Flüchtlinge – für ihn ist dies «ein Beitrag an die Allgemeinheit», wie er gegenüber der «BauernZeitung» sagt.
Nicht nur zeige man diesen Menschen so Wertschätzung, «arbeitende Flüchtlinge belasten zudem die Staatskasse nicht mehr». Andreas Eschbach und seine Frau Margret können ein Fünftel der Mitarbeiter mit Flüchtlingen abdecken. Über die Jahre hat der Betrieb schon über 2,5 Millionen Franken Löhne an Flüchtlinge ausbezahlt.
Für Eschbach war es deshalb keine Frage, beim dreijährigen Pilotprojekt zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen in die Landwirtschaft mitzuwirken. Damit wollen der Schweizer Bauernverband (SBV) und das Staatssekretariat für Migration (SEM) die nötigen Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren bei allen Beteiligten klären. Das Projekt wurde heute auf dem Betrieb der Familie Eschbach offiziell gestartet.
Landwirtschaft braucht ausländische Arbeitskräfte
Aller Mechanisierung zum Trotz: Immer noch werden viele Arbeiten in der Landwirtschaft von Hand erledigt. Das ist körperlich anstrengend, und die Bauernfamilien können keine fürstlichen Löhne bezahlen. Dass es deshalb kaum möglich ist, einheimische Arbeitskräfte zu finden, ist allgemein bekannt. So sind die Landwirte hierzulande auf 25 000 bis 35 000 ausländische Arbeitskräfte pro Jahr angewiesen.
Deshalb sei die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative für die einheimische Landwirtschaft eine Herausforderung, so Jacques Bourgeois, Direktor des Schweizer Bauernverbands (SBV). Aber: «Die Landwirtschaft ist bereit, einen Beitrag zu leisten, um das inländische Arbeitskräftepotenzial besser zu nutzen.» Ein solches besteht für den SBV in vorläufigen aufgenommenen Menschen und anerkannten Flüchtlingen. Diese dürfen einer Arbeit nachgehen.
«Ein beachtliches Potenzial»
Jährlich gewährt die Schweiz zwischen fünf- und sechstausend Menschen Schutz. Letztes Jahr waren es gar 15 000. Weil Konflikte wie zum Beispiel der Syrienkrieg langwierig und komplex sind, bleiben diese Menschen oft lange in der Schweiz. Lange dauere es aber auch, bis sie im Arbeitsmarkt integriert seien, sagt Mario Gattiker vom Staatssekretariat für Migration (SEM).
In den ersten Jahren geht nur jeder Dritte einer Arbeit nach, die anderen haben Mühe, eine Stelle zu finden. Fehlende Sprachkenntnisse, Vorurteile, administrative Abläufe – alles mögliche Hürden. «Wir sprechen von rund 22 000 Personen. Ein beachtliches Potenzial», so Staatssekretär Gattiker.
Deshalb begrüsse das SEM die Initiative des Bauernverbands. Das gemeinsame, drejährige Pilotprojekt soll klären, wie gross das Potenzial für die Schweizer Landwirtschaft wirklich ist.
Zehn Betriebe nehmen teil
Aktuell machen zehn Betriebe aus der ganzen Schweiz mit. Für den ersten Monat bekommen die Flüchtlinge einen Bruttolohn von 2300 Franken. Ab dem zweiten Monat bezahlen ihnen die Arbeitgeber den Mindestlohn gemäss Normalarbeitsvertrag, der in den meisten Kantonen 3200 Franken beträgt. Die Pilotbetriebe bekommen für den zusätzlichen administativen Aufwand 200 Franken pro Monat. Weitere 200 Franken bekommen sie, wenn die Arbeitskräfte auf dem Betrieb wohnen und verpflegt werden. Das Budget von 400'000 Franken für drei Jahre übernehmen je zur Hälfte der Bund und der SBV.
Es gibt auch schwierige Momente
Nur einfach und bequem ist die Beschäftigung von Migranten allerdings nicht. Betriebsleiter müssten sich überlegen, ob sie dies wollten und könnten, so Eschbach: «Denn es ist auf jeden Fall mit Zusatzaufwand, Geduld, Verständnis für andere Kulturen und dem Willen zur Integration verbunden.»
Nicht jeder Betrieb eignet sich dafür: «Meiner Meinung nach eignen sich Flüchtlinge als Arbeitskräfte für Betriebe, die mehr als fünf Angestellte haben», hält Eschbach fest. Ein Bauer, der nur einen Mitarbeiter fürs Melken beschäftige, brauche eine Fachkraft. Bei der Ernte oder dem Pflanzen auf einem Gemüsebaubetrieb zu helfen, «das wiederum kann jeder lernen, der will».
Bei Eschbach klopfen mehr Flüchtlinge an, als er beschäftigen kann. Und dies obwohl bei einem Arbeitsantritt sofort alle Unterstützungen vom Staat wegfallen. Für Eschbach ist vor allem wichtig, dass alle Stellen am gleichen Strick ziehen, sei es das Amt für Migration, der Betreuungsservice oder auch Gemeinden und Kantone.
Flüchtlingshilfe begrüsst das Projekt
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst das Pilotprojekt grundsätzlich. «Je schneller jemand beruflich integriert wird, umso kürzer ist seine Abhängigkeit von Sozialleistungen», sagt Sprecher Stefan Frey gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Bei der Auswertung des Pilotprojekts müsse aber genau darauf geachtet werden, ob die Anreize richtig funktionierten.
Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist es wichtig, dass die Flüchtlinge entsprechend den Schweizer Arbeitsbedingungen angestellt und entlöhnt werden. Dies insbesondere, falls das Pilotprojekt auf andere Branchen ausgeweitet werden sollte. Es ist eines von verschiedenen, das Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt bringen will. Ähnliche Initiativen gab und gibt es auch in der Gastronomie, dem Baugewerbe, der Autobranche oder der Pflege.
Jeanne Woodtli