Erstaunlich, diese anhaltende Verschwendung von Nahrungsmitteln in Anbetracht der Tatsache, dass eines der grössten Probleme der Menschheit sein wird, dass wir alle genug zu essen haben. Im Jahr 2050 wollen neun Milliarden Menschen ernährt werden. Wir befinden uns an einem Punkt, an dem wir einsehen müssen, dass Ressourcen endlich sind und wir nicht wie bis anhin kopflos konsumieren können.
Pro Jahr wirft ein vierköpfiger, schweizerischer Haushalt 94 Kilogramm Lebensmittel oder in Franken und Rappen ausgedrückt 2010.27 in den Abfalleimer. In Indien sind es im Vergleich elf Kilogramm. Liegt das daran, dass wir nur gerade sieben Prozent unseres Einkommens für Nahrung ausgeben, wohingegen es in Entwicklungsländern 70 Prozent sind? — Vor allem bei Getreide, Fleisch, Obst und Gemüse geht es uns ans Portemonnaie, wie einer Broschüre von Bund und UNO zu entnehmen ist. Lebensmittel wegwerfen ist also nicht nur dumm, es ist auch teuer!
Die Reduktion von Food Waste war ein Teil des Aktionsplans «Grüne Wirtschaft 2013» des Bundesrats. Eine Arbeitsgruppe aus verschiedensten Bundesämtern koordinierte diverse Aktivitäten wie Stakeholder- und Forscherdialoge, die Verbesserung des Grundlagewissens sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Daraus resultieren zwei Leitfäden. Einer zur Lebensmittelspende für die Industrie, ein anderer für den Detailhandel betreffend Datierung von Lebensmitteln. Ausserdem erarbeitete die Arbeitsgruppe ein Grobkonzept für eine Sensibilisierungs- und Bildungskampagne.
Zu dieser Sensibilisierungs- und Bildungskampagne gehören die Tipps aus der Broschüre «Food Waste – Zahlen, Fakten, Tipps». Vor dem Einkauf empfiehlt sich, eine Liste zu erstellen, damit nicht Gluscht und Bauch über den Inhalt des Einkaufskorbs bestimmen. Lebensmittel gehören richtig aufbewahrt. Es ist von Vorteil, wenn man den Unterschied von «Verfallsdatum» und «Mindesthaltbarkeitsdatum» kennt. Ansonsten ist der gesunde Menschenverstand bei Beurteilung von Lebensmitteln gefragt, bevor man anhand des aufgedruckten Datums etwas wegwirft. Die Portionen sollten zur Anzahl der zu verpflegenden Personen passen. Falls es doch noch Resten gibt, können diese mehr oder weniger kreativ verwertet werden. Ausserdem kann man sich Essen vom Restaurant einpacken lassen und mit nach Hause nehmen.
Schön und gut, was die Politik da macht. Aber aktiv werden, sollten wir wohl alle selber. Eine Revolution von unten sozusagen. Die bäuerliche Bevölkerung hat es hier wahrscheinlich etwas einfacher. Sie weiss noch, wann Lebensmittel Saison haben, deshalb gut schmecken und so nicht nach dem ersten Biss mangels Geschmack im Abfall landen. Sie weiss noch, wie Obst und Gemüse verarbeitet werden, auch wenn sie in Aussehen und Grösse nicht ganz der Norm entsprechen. Sie weiss, wie Essensreste, Nahrung kurz vor dem Verderben und Ernteüberfluss verwertet werden, da das Wissen um Zubereitung von Lebensmitteln und Einmachen noch vorhanden ist.
Vielleicht sollte der Detailhandel die Lebensmittel einfach viel teurer anbieten. Auch Bäuerinnen und Bauern könnten ihre Preise in den Hofläden gerne etwas nach oben korrigieren. Denn «was nichts kostet, ist nichts wert» und wird folglich schnell mal fortgeworfen. Oder der Gesetzgeber könnte eine vorgezogene Entsorgungsgebühr auf Nahrung vorschreiben. Denn das Umdenken kommt wahrscheinlich erst, wenn es mächtig schmerzt im Geldbeutel. Das ist alles nicht ganz so einfach, da der Preisdruck aus dem Ausland gross ist. Dort sind Lebensmittel billig, billiger am billigsten. Und die Schweizer Autoschlangen an den Grenzübergängen sprechen Bände für sich.
Da zeigt es sich, Food Waste kann nicht isoliert in der Schweiz gelöst werden. Es ist ein globales Problem, das nur alle zusammen angehen können, indem Nahrungsmittel faire Preise haben und wieder mehr wertgeschätzt werden.
Esther Thalmann
Hier geht's zur Broschüre «Food Waste – Zahlen, Fakten, Tipps»