Das hat es noch kaum je gegeben: Die Biomilchproduzenten fordern höhere Preise. Grund ist, dass der Markt im Moment schlecht versorgt ist und dies gemäss übereinstimmender Meinung diverser Beobachter nicht saisonal, sondern strukturell bedingt ist. Die Grundfutterqualität war im Winter eher schwach und die Butterlager umfassen mit aktuell mit rund 30 Tonnen lediglich rund einen Fünftel des Normalbestands.
Nestlé-Bedarf mit Potenzial
In einer Medienmitteilung von Bio Suisse hiess es kürzlich, die Branchenvertreter seien sich einig darüber, «dass Biomilch zurzeit ein knappes Gut ist und eine entsprechende Preiskorrektur den Marktverhältnissen entspricht». Sie forderten deshalb eine Erhöhung von 3 Rp./kg per August. Im vergangenen Jahr (April 2016 bis 2017) lag der Biomolkereimilchpreis bei durchschnittlich 77,4 Rp./kg.
Zur Situation tragen verschiedene Faktoren bei. Einerseits ist die Nachfrage tendenziell steigend. Nicht nur weil die Konsumenten, animiert durch die Grossverteiler, vermehrt Bioprodukte kaufen, sondern weil auch einer der grössten Player im Nahrungsmittelbusiness beim Export vermehrt auf Schweizer Bioqualität setzen will.
Nestlé Schweiz hat dieses Jahr angefangen mit der Verarbeitung von Biomilch zu Milchpulver für Babynahrung. Dabei handelt es sich um ein reines Exportprodukt, vor allem für die Märkte in China, Mexiko und Nahost. Die Mengen sind bis anhin vergleichsweise bescheiden, gemäss Daniel Imhof, Leiter des Landwirtschaftsbereichs von Nestlé Schweiz, werden in Konolfingen BE 2017 etwa 2,5 Mio kg Biomilch verarbeitet. Das ist nur etwas mehr als 1% der gesamten Schweizer Biomilchmenge von rund 230 Mio kg.
Sollte sich der Bio-Babyfood von Nestlé aber erfolgreich behaupten auf den Märkten, könnte die Menge rasch zunehmen. «Wir sind zwar bisher nicht bekannt als der grosse Bioplayer», sagt Imhof, «aber wir wollen in diesem Bereich weiter wachsen».
Konkurrenzfrei ist die Schweizer Produktion bei Nestlé aber nicht. Laut Imhof steht man in Konkurrenz mit verschiedenen lokalen und internationalen Playern wie etwa Irland, das mit seinen saftigen grünen Matten ebenfalls gute Argumente hat. Die Schweiz sei aber gut positioniert, so Imhof.
Ob der Multi bereit sein wird, den Aufpreis zu bezahlen, wird sich zeigen. Das Problem für die Branche liegt darin, dass Nestlé anders als ein nationales Unternehmen an einen anderen Standort ausweichen kann. Wobei das Beispiel Züger Frischkäse (siehe Kasten) zeigt, dass heute auch ein mittelständisches Unternehmen Ausweichmöglichkeiten hat.
Andererseits braucht es die Preiserhöhung gemäss Bio Suisse, um den Markt attraktiv zu halten. Zwar werden in den nächsten Jahren weitere Produzenten umstellen. Erwartet werden bis 2019 rund 19 Mio kg mehr. Doch sei die Zahl der Produzenten, die sich aus der Milchproduktion zurückziehen, nicht zu unterschätzen, namentlich beim Generationswechsel, mahnt Bio Suisse. Andere Betriebszweige mit hoher Nachfrage seien für die Produzenten zum Teil attraktiver.
Aussteigende Umsteller
Erfahrungsgemäss werden zudem kaum alle Umsteller die ganzen zwei Jahre durchstehen. Dem Vernehmen nach ist der eine oder andere grosse Produzent bereits wieder ausgestiegen, «weil er zwei Jahre lang Biokraftfutter kaufen muss, aber nur den konventionellen Preis für die Milch erhält», so ein Branchenkenner. Es zeige sich auch, dass die grossen Konventionellen einmal umgestellt längst nicht die Menge lieferten, welche sie vorher produziert hätten. Eine Preiserhöhung betrachtet die Branche deshalb auch als wichtig, um die bestehenden Produzenten zur vorübergehenden Mehrproduktion zu motivieren.
Adrian Krebs