Sie sei keine Bäuerin, betont Martina Räber gleich von vornherein. Nicht weil ihr das klassische Rollenbild nicht passe. Aber wenn sie sehe, was eine Bäuerin alles leiste, fände sie es schlicht anmassend, sich so zu bezeichnen. Und doch hat sie Freude gefunden an ihrer Aufgabe als "Gmüeserin", in welche sie über die letzten Jahre hineingewachsen ist. Martina Räber ist m Luzerner Hinterland aufgewachsen, hat Germanistik studiert und arbeitet 80 Prozent bei einem Verlag, wo sie für Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Was verschlägt sie ins beschauliche Hallwil im Aargau, wo sie jetzt Mitbewirtschafterin des einzigen Biobauernhofes im Dorf ist?
"Reine Spinnerei"
"Hätte mir das vor 15 Jahren jemand gesagt, ich hätte ihm nie geglaubt", lacht die junge Frau. Ihr Partner Thomas Urech habe bereits während dem Ethnologie-Studium mit seinem Studienkollegen Dominik Bisang von einer Vertragslandwirtschaft geträumt. "Damals wohl eine reine Spinnerei", wie es Martina Räber nennt. Nachdem er aber bei einem Institut für Menschen mit Behinderung im Gemüseanbau tätig gewesen sei, habe sich dieser Gedanke konkretisiert. Dabei spielte ihm in die Hände, dass sein Vater in Hallwil ein älteres Haus mit viel Umschwung besass und noch dazu guten Kontakt zu einem Bauern im Dorf pflegte. Ins Leben gerufen wurde die Gemüseproduktion vor rund 5 Jahren auf weniger als einer halben Hektare Land. Anfang dieses Jahres konnte das Dreierteam, eben die "Gmüeser", nun den Betrieb des befreundeten Bauern mit knapp 15 ha übernehmen.
"Wir sind organisch gewachsen, begonnen haben wir mit 20 Gemüse-Abos", erinnert sich Martina Räber an die Anfänge zurück. Vier Hühner hätten sie gehalten und Gefallen daran gefunden. Nun ist die gefiederte Herde auf rund 30 Stück angewachsen, dazu gesellten sich vor einem Jahr noch zehn Grauvieh-Mutterkühe mit ihren bisher drei Kälbern. Die Zahl der Gemüse-Abos stieg auf rund 60, dazu beliefern sie ein Restaurant und eine Bäckerei mit Café in der Nähe.
Bunte Vielfalt
Thomas Urech machte die Ausbildung zum Nebenerwerbslandwirt und mit der Betriebsübernahme wurde auch das Knospe-Label beantragt. Eine andere Produktionsweise sei für alle drei nie in Frage gekommen. Obwohl das Label bei ihrem Kundenkreis eine untergeordnete Rolle spiele, viel wichtiger sei eine lokale und saisonale Produktion sowie die Leute, die mit Freude dahinter stehen. Ein weiterer Trumpf sei auch das oftmals spezielle Gemüse, weiss Martina Räber, viele Pro Specie Rara-Sorten seien den Konsumenten unbekannt. Das ist ihr Element, gerne liefert sie auch gleich Rezepte mit, was aus dem jeweiligen Gemüse Schmackhaftes entstehen kann. Und hier kommt eben doch ein bisschen die Bäuerinnenrolle zum Vorschein, denn die "Gmüeserin" steht leidenschaftlich gerne in der Küche und verwandelt die überschüssige Ernte in Köstlichkeiten für den Vorratsschrank.
Traditionelle Rollenverteilung
Die Aufgabenbereiche seien klar verteilt, das habe sich eben so ergeben, berichtet sie. Thomas Urech ist nebst Planung vor allem für das Gemüse und die Tiere zuständig, Dominik Bisang widmet sich immer mehr dem Ackerbau und der Beeren- und Obstproduktion. Martina Räber übernimmt nebst ihrer auswärtigen Arbeit einen kleineren, aber nicht unwichtigen Part: Sie ist verantwortlich für Website, Blog und Newsletter, betreut die Buchhaltung und ist dabei beim Packen und Ausliefern der Gemüsekisten oder wo sie sonst gebraucht wird. Sie schätzt die Vielfalt ihrer Arbeiten, gerade als Ausgleich zum Büro. "Ich kann sagen, dass ich
angekommen bin. Aber eine solche Aufgabe beansprucht natürlich viel Zeit, da muss man schon voller Überzeugung dabei sein", sinniert die gebürtige Luzernerin.
ag