Silvia Huber wohnt an einem Ort, der jedes Jahr Zehntausende von Menschen anzieht: Sie und ihr Mann bewirtschaften den Gutsbetrieb des Schlosses Wildegg. Ein erhabener Ort mit geschichtsträchtiger Vergangenheit und Fernblick. Für die Bäuerin ist das Alltag – viel Zeit zum Schwärmen hat sie nicht.
Die Bäuerin will ihren Mann im Stall vertreten können
Neben der grossen und internationalen Haushaltung führt die fünffache Mutter einen bedienten Hofladen, besorgt die 150 Legehennen, zusammen mit den 14- und 16-jährigen Töchtern die vier Freibergerpferde, übernimmt Ablösungen im Viehstall. Und die braucht es regelmässig. Hubers haben auf ihrem Biobetrieb mit Milchvieh und Ackerbau zwar die helfenden Hände eines polnischen Angestellten, von zwei Lernenden und einer japanischen Praktikantin. Doch das ist nötig, denn Alois Huber ist nicht nur Chef auf dem Betrieb, sondern auch Präsident der Aargauer Bauern und hat in diesem Amt etliche Aufgaben. «Es ist mir wichtig, dass ich meinen Mann vertreten und selber melken kann. Ich bin gerne im Stall», erklärt die Bäuerin.
Als Silvia und Alois Huber vor 17 Jahren die Pacht des Schlossgutbetriebs antraten, gehörte die Eröffnung eines Hofladens zu den Auflagen des Landesmuseums als Besitzerin. Und den führt die Bäuerin seither mit Herz und Elan. Die Chefin bedient in der Regel selber; wenn nötig, helfen die Töchter aus. Wanderer und Schlossbesucher sorgen für Betrieb; von April bis Oktober ist der Laden an sechs Tagen in der Woche geöffnet, den Winter durch jeweils samstags. Silvia Huber präsentiert die Ware stilvoll auf bodenständigem Holzmobiliar: selbst gebackenes Brot, Zopf und Guetzli, Eingemachtes, Fleisch vom Hof und Gartenprodukte. Eine Kaffeeecke hat sie eingerichtet; in einem Partyraum oder auf dem Hofareal bietet sie zudem Apéros und Zvieri für Gesellschaften an. «Ich wüsste schon, wie ich meinen Laden noch ausbauen könnte, zum Beispiel im Gastrobereich», verrät sie, oder neben Essbarem auch Handgemachtes ins Angebot nehmen wie die Etagèren aus Brocki-Geschirr, die sie diesen Winter an freien Abenden zusammengesetzt hat.
Kurze Auszeiten verhelfen zum Durchatmen
«Ideen habe ich, aber die Zeit...», seufzt sie. Tatsächlich tönt ihr Alltag nach einem mächtigen Pensum. Es sei viel Arbeit, bestätigt Silvia Huber, aber – und schon hat sie wieder leuchtende Augen – dafür sei sie ihr eigener Chef, könne den Tag selber einteilen. Kurze Auszeiten verhelfen ihr zum Durchatmen, am liebsten in Form von Ausflügen mit einer Kollegin in die Berge. Eine Woche Skiferien leistet sich Familie Huber jedes Jahr, dazu drei, vier Ferientage im Sommer. Und wenn der Hofladen im Winter nur samstags geöffnet ist, bleibt der Bäuerin mehr Freiraum. Gegen Frühling hin freut sie sich aber immer wieder auf mehr Betrieb.
Im Hofladen ergeben sich viele gute Gespräche, dort kann sie der Konsumenten rund um den Landwirtschaftsbetrieb beantworten; auch darum will sie so oft als möglich selber bedienen. Die Anerkennung und Komplimente für ihren Laden motivieren sie und geben ihr Energie. Ab und zu kämen schon auch Nörgler und Besserwisser durch die Türe, berichtet sie. Da hilft tief durchatmen, wenn sie wieder gegangen sind, oder in härteren Fällen in die Küche ausweichen und einen Kaffee trinken.
Am Esstisch werden keine Probleme gelöst
Aber auch dort, im Haushalt, ist sie selten allein und kann keine schlechte Laune vor sich her tragen. Von den fünf Kindern wohnen noch die drei jüngeren zu Hause. Während sie älter geworden sind, bleiben die Lernenden und Praktikanten im selben Alter. Rund um den Hof die vielen Besucher und auch im Haus familienfremde Personen – ist das nicht anstrengend? «Man gewöhnt sich daran und richtet sich entsprechend ein», sagt Silvia Huber. «Am Esstisch können wir zum Beispiel keine Familienprobleme lösen.» Sie trommelt ihre Lieben im Bedarfsfall separat zusammen. Oder nutzt die zweisamen Minuten, die sich nach dem Frühstück mit ihrem Mann häufig ergeben.
Die Lernenden würden heute weniger am Familienleben teilnehmen, beobachtet sie; «statt in unsere Stube setzen sie sich in ihr Zimmer vor den Laptop.» Das Zusammenleben und –arbeiten funktioniere mehrheitlich gut. Am Anfang gibt die Haushaltleiterin klare Regeln durch, und wenn etwas nicht klappt – etwa das Einhalten der Essenszeiten -, spricht sie das bald einmal an.
Langsamer machen und weiterkommen
Wie koordiniert Silvia Huber diese vielseitigen Aufgabengebiete rund um Haushalt und
Familie, Hofladen und Betriebsarbeit? «Mit Erfahrung und Routine», sagt sie, viel Zeit zum Planen wende sie eigentlich nicht auf. «Aber ich habe meine Listen. Die führe ich fortlaufend, damit ich nicht alles im Kopf behalten muss. So habe ich beispielsweise immer Arbeiten auf Lager, die für die Praktikantin geeignet sind.»
Beeindruckend, wie die Bäuerin ihre Ressorts im Griff hat. Es sei sicher nicht immer alles perfekt bei ihr, winkt Silvia Huber ab. «Ich nehme mir manchmal zu viel vor und gerate ins Pressieren. Dann sage ich mir: Mach langsamer, dann kommst du weiter.» Und daran hält sie sich dann – eine weitere kostbare Fähigkeit. Silvia Huber schmunzelt: «Das kann man lernen. Ich hatte eben viele Gelegenheiten im Leben, Gelassenheit zu trainieren.»
Ruth Aerni