«Der erwartete Rückgang ist ausgeblieben», sagt Hans-Georg Kessler, Leiter Landwirtschaft und Ölsaaten von Biofarm, erfreut über die aktuelle Marktsituation der speziellen Ackerkulturen. Das Interesse am Anbau spezieller Ackerkulturen zeige sich auch an den zahlreich erschienenen Teilnehmer an der Tagung für spezielle Ackerkulturen vergangenen Donnerstag, die auf dem Schwand in Münsingen BE stattfand.

Trockenheitstolerante Hirse

Hafer, Hirse, Linsen und Quinoa sind spezielle Ackerkulturen, die ganz im Fokus der Tagung standen. Der Markt steigt für diese Kulturen, sagt Hans-Georg Kessler, vor allem zeigen der Hirse- und Haferanbau grosses Wachstumspotenzial. Hirse erwies sich als trockenheitstolerante Kultur in diesem Jahr sehr ertragsreich und hat daher grosse Chancen beim Klimawandel, so Kessler. Trotz wenig Regen konnte sie in nur drei Monaten einen Ertrag von 25 Kilogramm Körner pro Are oder noch mehr bilden. Der Anbau konnte zudem auf 246 Hektaren gesteigert werden. Für 2019 will Biofarm den Anbau auf 300 Hektaren erhöhen. 

Hansueli Brassel von Biofarm hat die Vorteile dieser Kultur vorgestellt:

  • Sehr kurze Vegetationszeit mit 65 bis 100 Tagen
  • Als extensive Sommerkultur wertvoll für eine vielfältige Fruchtfolge auf Bio-Betrieben
  • Der Absatz hat sich in den letzten vier Jahren von 70 dt auf 600 dt vervielfacht
  • Erträgt Hitze und Trockenheit gut
  • Produzentenpreis Fr. 155.-/dt

 

Für viele Produzenten ohne Erfahrung kann Hirse aber eine grosse Herausforderung sein, so Brassel. Daher sollte unter anderem folgendes beim Anbau beachtet werden:

  • Hirse nach Kunstwiese säen, weil dann der Unkrautdruck noch tief ist (ab Mitte Mai)
  • Keine Parzellen mit hohem Unkrautdruck wählen (v.a. mit Melden, Windenknöterich und Ackersenf)
  • Aussaat nur in warmen Böden bei gutem Saatfenster
  • Bei der Ernte sollte eine optimale Feuchtigkeit von 18-20% herrschen
  • Hirse ist druschreif, wenn zirka 75% der Körner sich lösen
  • Die Rispen sollten über den Kessel geschlagen werden
  • Gedroschene Körner schnell zum Trocknen bringen, feuchte Posten werden nicht angenommen
  • Anlieferung in Mühlen darf nur einen Schwarzbesatz von max. 3% aufweisen
  • Erntegut darf keine Spuren von Stechapfel (Unkraut) zeigen, sonst ist das gesamte Silo nicht mehr vermarktbar – Stechapfel im Erntegut muss gemeldet werden
  • Betriebe mit Stechapfel-Problem sind nicht für den Hirseanbau geeignet

Krankheitsresistenter Hafer

Wie Hirse hat Hafer ein grosses Potenzial auf dem Markt. Lukas Räz aus Uettligen BE baut diese Kultur an und hat ihre Eigenschaften an der Tagung vorgestellt:

  • Hafer überträgt keine Krankheiten (Gesundungsfrucht)
  • Braucht eine lange Anbaupause
  • Hat gerne saure Böden
  • Winterhafer (einzige Sorte Wiland) eignet sich am besten zum Anbau – winterhart, gutes Hektolitergewicht, gute Unkrautunterdrückung, sehr gute Erträge
  • Sommerhafer (diverse Sorten) ist tendenziell schwächer im Ertrag und Hektolitergewicht – je nach Standort und Fruchtfolge trotzdem sinnvoll

 

Für den Anbau von Hafer sollte folgendes beachtet werden:

  • Anbau nach Getreide
  • Evtl. Gründüngung als Zwischenfrucht
  • Flaches Pflügen
  • Saatbeet sollte grobschollig und flach sein
  • Aussaat 5 bis 6 cm tief (Ende September/Anfang Oktober) – 1,4 kg/a ergeben zirka 450 Körner pro m2
  • Zur Pflege sechs Tage nach der Saat blindstriegeln (setzt Nährstoffe frei)
  • Im Herbst bei der Bestockung nochmals striegeln
  • Güllen je nach Bestand zirka 25 m3 im Frühjahr (Ziel: 20-40 kg N zur Verfügung stellen)

 

Für die Annahme braucht Speisehafer ein Hektoliter-Gewicht von mind. 50 kg/hl, alles darunter wird als Futterhafer deklariert. Der Produzentenpreis bei Speisehafer liegt derzeit bei Fr. 77.-/dt und bei Futterhafer bei Fr. 64.-/dt.

Trendkultur: Linsen

Eine weitere Kultur, die ein gutes Potenzial im Anbau und in der Abnahme hat, sind Linsen. «Diese alte Kultur hat vor allem in Süddeutschland eine lange Tradition», sagt Hans-Georg Kessler. Da Linsen keine exotische Kultur sind, sei der Anbau auch in der Schweiz möglich. Linsen zeigen vor allem beim Klimawandel ein grosses Potenzial, da sie ein trockenes Klima bevorzugen. Zudem kommen sie ohne Düngung aus und eignen sich gut für den Mischkultur-Anbau, einerseits um das Unkraut in Schach zu halten, aber auch um die Ernte mit einer "Sützfrucht" zu erleichtern, so Kessler. Dennoch sollte beim Anbau auf folgendes geachtet werden:

  • Anbau nur auf Parzellen mit relativ geringem Unkrautdruck
  • Frühe Saat wirkt sich günstig auf den Ertrag aus
  • Verschiedene Sorten liefern einen unterschiedlich hohen Ertrag (2018 – braune Berglinsen: 9,9 bis 11,9 kg/a; schwarze Beluga: 7,1 bis 10,6 kg/a; grüne Anicia: 5,2 bis 17,3 kg/a)

 

Beim Anbau von Linsen sollten Mischkulturen in Betracht gezogen werden, da sie die Erträge steigern, so Kessler. Aber nicht jede Mischkultur eigne sich für den Linsen-Anbau.

Getreide: 

  • Gute Unkrautunterdrückung
  • Aber oft zu schwache Linsenerträge
  • Trennung der Ernte zu teuer und teils nicht möglich 

Lein:

  • Gute Stütz-Eigenschaften
  • Mässig in der Unkrautunterdrückung
  • Erschwert die Ernte bei zu hohem Lein-Anteil
  • Die Auftrennung bei der Ernte ist gut
  • Ölsaatenbeitrag beim Anbau von Lein als Mischkultur

 

Leindotter:

  • Unsicheres Auflaufen bei Trockenheit (Massnahme: Splitting der Saat – Mischen mit Linsen für Drillsaat und Breitsaat mit Krummenacher-Walze)
  • Gute Unkrautunterdrückung
  • Gute Stützwirkung
  • Bei hoher Saatmenge Unterdrückung der Linsen
  • Sehr gute Auftrennung
  • Empfohlen für Biofarm-Anbau

 

Erbsen und Lupinen sind weniger als Mischkultur geeignet, da sie mit den Linsen konkurrieren. 

Hanf passt gut in den Biolandbau

Als interessante Kultur findet in der Schweiz auch der Lein-Anbau Anklang. Daneben baut Lukas Walde von Eggenwil AG auch noch Linsen und Hanf an. An der Tagung präsentierte er ihre Vor- und Nachteile.

Lein:

  • Fruchtfolgeneutral
  • Kann extensiv bewirtschaftet werden
  • Anspruchsvoll, vor allem wegen Spätverunkrautung
  • Auf sandigen Böden nicht zu empfehlen, da Lein viel Wasser benötigt
  • Bei Gelingen finanziell interessant
  • Flexible Mähdrescherei von Vorteil
  • Gründüngung als Vorkultur (7 Monate)
  • Saatbettaufbereitung mit Pflug und Kreiselegge Anfang/Mitte März
  • Dreschen Ende Juli

 

Samenhanf:

  • Extreme Preisunterschiede bei den Sorten
  • Optimale Hackfrucht
  • Unterdrückt Unkraut, da es wie Unkraut spriesst
  • Benötigt nur wenig Dünger
  • Fruchtfolgeneutral und bodenlockernd (Pfahlwurzel)
  • Erfolg hängt von der Geduld beim Dreschen ab
  • Eher früher dreschen, da die Pflanze dann noch nicht so fasrig sind
  • Image-Problem in der Direktvermarktung bringt Nachteile 

 

Trotz Image-Probleme habe laut Hans-Georg Kessler Hanf gute Chance im Biolandbau.

Nährstoffreiche Quinoa

Steigender Beliebtheit erweist sich die Ackerfrucht Quinoa. Ihren Ursprung hat die Kultur in den Anden (Peru, Bolivien und Chile). Als Pseudogetreide hat sie ähnliche Eigenschaften und Nährwerte wie Getreide. In Europa wird sie erst seit zirka zehn Jahren angebaut und züchterisch bearbeitet (an Tageslänge und Frühreife angepasst). Die Ackerfrucht hat folgende Eigenschaften:

  • Bevorzugt leichte Böden und eher trockene Standorte
  • Kurztagespflanze
  • Erträgt leichte Fröste bis zirka -4°C
  • Anbau ist sehr anspruchsvoll mit hohem Risiko
  • Als Superfood ist Quinoa reich an Eiweissen, essentiellen Aminosäuren, Mineralstoffen und ungesättigten Fettsäuren
  • Saponinhaltige Sorten (De Bolster) haben eine kurze Kochzeit und ein tendenziell höheres Ertragspotenzial, müssen aber wegen der bitteren Hülle geschliffen werden
  • Anbau holländischer Sorten (saponinfrei) nur mit Anbauverträgen möglich – Sorte Bastille mit gutem Ertragspotenzial, längere Kochzeit
  • Dänische Sorten (Vikinga – saponinfrei, Titicaca – saponinhaltig) sind interessant für den Biolandbau, da kurze Vegetationszeit und gutes Ertragspotenzial

 

Im Anbau von Quinoa gibt es verschiedene Verfahren:

Hacken: 

  • Mit Reihenabstand 16-50 cm bringt schwache Erträge
  • Mit Reihenabstand 16-25 cm bringt die besten Erträge
  • Vorteil Hacken: Mineralisierung von Stickstoff, Unkrautbekämpfung

Breitsaat: 

  • Gute Pflanzverteilung, deckt bei gutem Start schnell ab
  • Striegeln schwierig, da Verletzung der Pflanzen
  • Risiko bei schlechtem Start der Kultur
  • Mineralisierungseffekt von Stickstoff durch Hacken fällt hier weg

 

Quinoa ist keine extensive Kultur und braucht vor allem in der ersten Phase genügend Stickstoff:

  • Stickstoff-Bedarf je nach Sorte (Optimum zwischen 80 bis 150 kg N)
  • 80-100 kg N im Biolandbau
  • Dichte Bestände decken gut ab, brauchen aber auch entsprechend Nährstoffe
  • Düngung meist vor der Saat, in der Regel mit Hofdünger und/oder Handelsdünger (z. B. Federmehl etc.)

 

Ernte:

  • Direktdrusch üblich, bei engen Reihen Schwaddrusch möglich (nur Notlösung)
  • Frühe Ernten sind von Vorteil, gegen Spätverunkrautung und schwarze Körner
  • Warten bis Blätter abgefallen sind
  • Grüne Pflanzen von Hand entfernen (Melden)
  • Drescher sollte zuletzt nichts Kleinsamiges gedroschen haben (Bsp. Hirse)
  • Enger Korb, viel Luft, wenig Material aussieben
  • Sofortiges Trocknen direkt nach Ernte auf zirka 10% Feuchtigkeit

 

Erfolgsfaktoren im Anbau:

  • Parzellen mit geringem Unkrautdruck
  • Saat Ende März bis Ende April
  • Frühreife Sorten
  • Geeignete Mechanisierung
  • Flache genaue Saat mit Andruckrollen
  • Frühzeitiges mehrmaliges Hacken
  • Hacken in engen Reihen 16-25cm
  • Breitsaat (bei gutem Start)
  • Düngungsintensität an Bestand anpassen (80-100 kg N)
  • Frühe Ernte
  • Eigene Trocknungsmöglichkeiten (Wagen bzw. Paloxen mit Belüftung)

 

Verarbeitung:

  • Sehr aufwendige und teure Aufbereitung von Kleinmengen bei kleinen Partnern
  • Normale Sammelstellen oft nicht geeignet für Annahme (Trocknung, Siebe etc.)
  • Schwierige Trennung von Körnern, UK-Samen und verfärbten Körnern
  • Nebst herkömmlichen Reinigungsmaschinen Reinigung mit Trieur, Tischausleser, Sortex etc.
  • Saponinhaltige Sorten müssen geschliffen werden
  • Auszahlung auf endgeringtes Produkt: Produzentenpreis Fr. 6.50/kg 

Kulturen bringen Herausforderungen

Die Produktion von speziellen Ackerkulturen bringt dennoch viele Herausforderungen. Sie sind sehr aufwendig im Anbau und bringen ein gewisses Risiko mit sich:

  • Ertrag aus diesen Kulturen kommt meist erst nach einigen Jahren 
  • Es benötigt eine Quelle zur Finanzierung der aufwendigen Kulturen
  • Man ist auf Grossverteiler angewiesen, weil immer grosse Mengen anfallen
  • Importprodukte als Konkurrenz
  • Unbeabsichtigte Kontamination
  • Sammelstellen-Probleme: Käferbefall, zu hohe Reinigungsverluste, ungenügende Reinigung, Vermischung von Ernten, unsachgemässe Lagerung und Verarbeitungsfehler entstehen

 

Der Anbau von speziellen Ackerkulturen erfordert noch immer die Offenheit und den Mut der Produzenten, Neues zu wagen. Aber laut Hans-Georg Kessler ist der Markt für die neuen Kulturen zunehmend. 

Katrin Erfurt