BauernZeitung: Schlachtkühe sind knapp und relativ teuer. Was heisst das für die Bell AG?


Lorenz Wyss: Kuhfleisch ist und bleibt gesucht und teuer, das ist so. Aus diesem Grund hat Proviande höhere Importtranchen von Verarbeitungstieren in Hälften beantragt im laufenden Jahr. Ich muss sagen, Proviande hat hier einen guten Job gemacht, denn bei einem hohen Bedarf von Kuhfleisch – speziell wenn die Grillsaison in Fahrt kommen sollte – braucht es mehr Importe, um den Markt zu versorgen. Die Importtranchen werden ungefähr gleich hoch wie letztes Jahr ausfallen, ohne dass es einen allzu grossen Druck gibt auf die Schweizer Schlachtviehpreise.


In der «BauernZeitung» sind in dieser Ausgabe zwei Leserbriefe von Munimästern publiziert, die sich ihrer Ansicht nach zu hohen Importe von Kuhhälften aufregen. Proviande reisse so indirekt die Bankviehpreise runter. Was sagen Sie dazu ?

Ich sehe das nicht so. Der Schlachtviehmarkt ist volatil, mal ist Bankvieh mehr, mal weniger gefragt. Im Moment gibt es einen leichten Preisdruck beim grossen Bankvieh. Ich bin mir sicher, der Munimarkt wird sich wieder erholen.


Jetzt haben wir weniger Milchkühe und rund 12'000 Mutterkühe mehr als vor einem Jahr. Ist das positiv für die Bell?

Ja, das ist grundsätzlich positiv. Es gab noch nie ein Jahr, wo wir zu viel Mutterkühe in der Schweiz hatten. Wir benötigen die abgehenden Mutterkühe in der Verarbeitung für die Coop-Fleischprodukte. Ich befürchte, dass wegen der neuen Agrarpolitik 2014–17 weniger Mutterkühe gehalten werden und dass Bauern die Mutterkuhhaltung aufgeben. Wir brauchten aber mehr Tiere aus der Mutterkuhhaltung.


Auch mehr Natura-Beef?

 Ja, auch davon. Grundsätzlich bedeutet eine etwas zu knappe Versorgung eine gute Marktsituation, aber eine zu knappe Versorgung ist schlecht.


Ab 2015 tritt das neue Importregime Fleisch in Kraft. Dabei sparen die importierenden Fleischverarbeiter 37 Millionen Franken, wenn sie 40 Prozent nach Schlachtungen von inländischen Tieren zugeteilt erhalten. Wer profitiert davon?


Wyss: Die Konsumenten.


Sind Sie sich da sicher?

Sehr sicher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Detailhandel sagt, ihr könnt die 37 Millionen behalten, wir geben diese Verbilligungen nicht weiter an die Ladenfront. Die Fleischbranche hat eine transparente Kalkulation, und Sie werden es direkt im Laden sehen, dass die Endverkaufspreise sinken.


Auch die Bauern hoffen, dass wegen der Neuverteilung die Schlachtviehpreise steigen. Hoffen sie umsonst?

Wenn ich die gegenwärtigen guten Schlachtviehpreise betrachte, muss ich sagen, die Viehzüchter profitieren bereits von dieser Umverteilung der Importkontingente. Höher als heute können die Schlachtviehpreise nicht steigen! Wenn die Schlachtviehpreise noch höher steigen, müssen wir das weitergeben, und dann sinkt der Fleischabsatz. Das Schlachtvieh sollte günstiger werden, das gäben wir dem Detailhandel weiter und dann würde weniger im Ausland eingekauft.


Liegt beim Biofleisch noch ein Wachstum drin?

Ja, besonders beim Geflügel, denn davon könnten wir das Doppelte verkaufen. Wir suchen dringend Einsteiger, das Gleiche gilt für Naturafarm.


Coop fördert das Baltic Grassland Beef. Wie steht Bell dazu?

Bell ist integriert in dieses Projekt. Mit Fleisch aus den baltischen Staaten sollte eingeflogenes Fleisch aus Übersee abgelöst werden. Es braucht mit der Hilfe von Schweizer Genetik ein paar Jahre, bis die nötige Qualität erreicht ist. Es geht nicht darum, Schweizer Ware zu konkurrenzieren, sondern Überseefleisch mit solchem aus den baltischen Staaten abzulösen.


Interview Hans Rüssli