Das weisse Schild mit grüner, fester Schrift «Hanftheke», das Wort «Hanf» sogar noch fett gedruckt, prangt selbstbewusst und urban schlicht über der Eingangstür. Das Schweizer Kreuz setzt den Punkt dahinter. Hier wird Schweizer Hanf verkauft. Und zwar legal.
Winterthur ist die 13. Verkaufsstelle der Hanftheke-Ladenkette. Vier weitere werden bis Juli eröffnet. In der ganzen Deutschschweiz, von Bern bis Herisau AR, Basel, Zürich, Luzern, sind sie anzutreffen.
Gesund und entspannend
Im Laden drin ein dunkler Holzboden, ein paar Pflanzen und ein Moosbild an der Wand. Deckenhohe, weisse Gestelle. Hier geht es um Lifestyle. Etwas Apotheke, etwas Nahrungsmittelergänzungshersteller, etwas Naturkosmetik-Linie – eine Kombination aus allem. Eine weisse Theke mit Glasvitrine. Hanfteigwaren, Handcreme, Hanfkapseln, Hanf-Apfelschorle, getrocknete Hanfblüten – alles mit demselben Design verpackt. «Der Hanf ist eine so vielseitige Pflanze als Nahrungsmittel dank hohem Anteil von Omega-3-Fettsäueren und als Tabakersatz oder Tinktur hat er viele wohltuende und entspannende Eigenschaften», sagt der Verkäufer. Er bietet hauptsächlich CBD-Hanf-Tinkturen und –Blüten an. Er erzählt, dass die Hanfblüten in St. Gallen angebaut, getrocknet und weiterverarbeitet werden. Zehn Gramm kosten 100 Franken. Sie dienen als Tabakersatz. Und sie verkaufen sich gut.
Hanf ohne THC
Man kann schnell viel Geld verdienen mit Hanfprodukten. Auslöser für den Boom des Tabakersatzes aus Hanfblüten, die zurzeit solch einen reissenden Absatz finden, ist die Firma Biocan AG aus Thayngen SH. Sie hat als erste erkannt, dass Hanf fast ohne THC, dafür mit einem hohen CBD-Gehalt, nicht verboten ist (siehe Kasten). Sofern bei der Herstellung und dem Verkauf alle Hygiene- und Lebensmittelgesetze eingehalten werden. Und sofern dafür Tabak- und Mehrwertsteuer bezahlt werden. Und das wird gemacht. Im August 2016 hat sie ihr Produkt vorgestellt. CBD ist, neben dem THC, das am meisten vorkommende Cannabinoid (Inhaltsstoff). THC ist psychoaktiv und per Betäubungsmittelgesetz verboten. CBD gilt nicht als Betäubungsmittel. Es wirkt nach Angaben der Hersteller angstlösend und schmerzstillend sowie muskelentspannend.
2000 Franken Tagesumsatz
Seit die Biocan AG ihr Produkt an der Schweizer Hanfmesse vorgestellt hat, also seit August, haben 180 weitere Schweizer Firmen ihre Markttätigkeit angemeldet, wie die Oberzolldirektion auf Anfrage bekannt gibt. Sie erhebt die Tabak-steuer. Darunter stellen etwa 20 bis 25 Firmen den Tabakersatz her, alle anderen handeln damit. Hanftheken und Kioske in der ganzen Schweiz machen mit Tabakersatz Tagesumsätze von bis zu 2000 Franken, wie der NZZ-Journalist Erich Aschwanden schreibt. Er schreibt auch: «Die gegenwärtige Situation, in der legaler Hanf zum Teil zu höheren Preisen verkauft wird als illegaler, wird von Beteiligten als «Goldgräberstimmung» beschrieben».
BLW auf Trab
Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat den Hanfboom unter den Top-5-Themen auf der Startseite ihrer Website verlinkt. Es hat eine Gesetzesgrafik erstellt und ein Merkblatt verfasst. Das BLW wird zurzeit mit Fragen und Forderungen nach verbindlichen Regelungen geradezu belagert.
«Legal ist der Anbau dieses Hanfs für Tabakersatz-Produkte nicht», sagt Paul Mewes. Mewes ist Agrarwissenschaftler im Fachbereich Pflanzengesundheit und Sorten des BLW.
«Es ist ein Graubereich», umschreibt Mewes die rechtliche Situation. Für verbindliche Bestimmungen sei eine Zusammenarbeit des BLW mit dem Bundesamt für Gesundheit und Swissmedic, dem Schweizerischen Heilmittelinstitut, nötig. Vor 2018 könne man nicht mit einer Lösung rechnen, die den hohen Anforderungen internationaler Vereinbarungen gerecht wird.
Landwirte ziehen mit
Die Tabakersatz-Produkte werben mit dem hohen CBD-Gehalt. Konsumenten, die Tabakersatz-Produkte kaufen, bezahlen zwischen 5 und 16 Franken pro Gramm. Je nachdem, ob es auf dem Feld, im Gewächshaus oder in Hallen gezüchtet wurde. Wobei diejenigen, die auf dem Feld produziert werden, am günstigsten sind. Bei ihnen ist der tiefste CBD-Gehalt dieser drei Anbaumethoden auf der Packung deklariert. Trotz dem günstigsten Preis steigen immer mehr Bauern in das Geschäft mit dem CBD-Hanf ein. Und es geht noch mehr. Von vier kontaktierten Tabakersatz-Herstellern haben alle kommuniziert, dass sie an der Zusammenarbeit mit weiteren Landwirten interessiert sind. Auf Nachfrage bei den verschiedenen Firmen sind im Prinzip zwei Bezahlmodelle genannt worden. Einmal viel Geld für viel Arbeit und einmal mittlerer Aufwand für unüblich hohen Hektarertrag.
Viel Geld und Arbeit
Bei der Medropharm GmbH kriegt der Bauer 10 bis 50 Rappen pro Gramm im Lohnauftrag, das sind 100 bis 500 Franken pro Kilo und somit 130 00 bis 650 00 Franken pro Hektare. Das aber nur, wenn der Bauer die Arbeit auf dem Feld, die Ernte und die Weiterverarbeitung selber übernimmt. «20 Personen benötigen für die Ernte von einer Parzelle etwa zwei Wochen», sagt Mike Toniolo, CEO der Medropharm. Dazu komme die Trocknung und Entblätterung. Verpackt und verschickt werden sie von der Medropharm GmbH. Sie bietet 90 verschiedene Hanfprodukte an, auch Heilmittel, die sie hauptsächlich nach Brasilien exportiert. Ähnlich arbeitet die Hanftheke beziehungsweise ihre Partnerfirma Swiss Cannabis. Nur, dass sie sich auf die Produktion in sogenannten Indoor-Anlagen beschränkt hat. Bisher. Die Pressesprecherin der Vertriebsorganisation und des Schweizer Produktionspartners der Hanftheken, Irene Franco, lässt wissen, dass sie «sich über eine Zusammenarbeit mit Schweizer Landwirten freuen würde und diesem Thema offen gegenüberstehe».
Hoher Hektarertrag
Etwas bescheidener sind die Erträge bei sogenannten Nutzungsverträgen. Manche Firmen bezahlen dem Bauern eine Pauschale pro Hektare. Dafür bereitet der Bauer das Feld vor, pflügt, eggt und bereitet das Saatbett. Zum Teil gehört Jäten mit dazu, zum Teil nicht. Ein Landwirt, der für die Alplant GmbH produziert, aber nicht mit Namen genannt werden will, findet: «Der Boom ist unübersehbar. Das ist ein innovatives Produkt mit grossem Potenzial». Er hat den Anbau dem BLW gemeldet und die Kantonspolizei informiert. Damit geht er auf Nummer sicher. Es besteht nämlich keine obligatorische Meldepflicht. Das BLW ruft lediglich dazu auf. Die Alplant GmbH bezahlt nach eigenen Angaben bis 10 00 Franken pro Hektare.
Alplant übernimmt die aufwendigen Arbeiten wie das Setzen, Ernten, Trocknen und die Weiterverarbeitung der Blüten und trägt das Investitionsrisiko. Der genannte Landwirt sieht es pragmatisch: «Weizen und Zuckerrüben sind einfach nicht mehr lukrativ und zudem pflegeintensiver.»
Wer darf anbauen?
Das BLW lässt nur Hanfkulturen zur Öl- und Fasernutzung zu, die im EU-Sortenkatalog aufgenommen sind. Von den aktuell aufgenommenen Sorten in diesem Sortenkalender haben alle einen THC-Gehalt unter 1% und maximal einen CBD-Gehalt von 4%. Zurzeit sind aber Tabakersatz-Produkte auf dem Markt, die angeben, einen CBD-Gehalt bis zu 21% zu haben. Die Eigenzüchtungen mit diesen hohen CBD-Gehalten sind nicht im EU-Sortenkatalog. Dank dem hohen CBD-Gehalt verkaufen sich die Tabakersatz-Produkte wie «heisse Weggli». Die Tabakverordnung erlaubt den Verkauf und Konsum dieser Produkte. Der BLW-Agronom Mewes warnt aber davor, sie anzubauen. Denn die Sorten mit diesem hohen CBD-Gehalt sind Eigenzüchtungen nichtlandwirtschaftlicher Hanfproduzenten, die kein offizielles Sortenzulassungsverfahren durchlaufen haben und deren Saat- und Pflanzgut nicht für den landwirtschaftlichen Anbau in Verkehr gebracht werden darf. Einem Unternehmer ist es also nicht erlaubt, Samen oder Stecklinge dieser Sorten für gewerbliche Zwecke in Landwirtschaft und Gartenbau zu verkaufen oder abzugeben (Vermehrungsmaterial-Verordnung SR 916.151). Deshalb bleibt bei den nun gehandelten Tabak-Ersatzprodukten das Samen- oder Stecklingsmaterial im Besitz der privaten Firmen. Dem Landwirt werden die Nutzung der Ackerfläche und je nachdem die Arbeit finanziell entschädigt. Es ist eine clever genützte Gesetzeslücke, da der Saat- und Pflanzgutverkehr hierbei umgangen wird.
Markt ist der Politik voraus
In diesem Fall, wie so oft, ist der Markt der Politik voraus. Das BLW kommuniziert zwar, dass es die Nutzung von CBD-Hanf für die Landwirtschaft ermöglichen will, bittet aber quasi um Aufschub.
Auf einer anderen Ebene versucht es die Parlamentarische Initiative der Grünen Fraktion. Nationalrätin Maya Graf erläutert die Position der Grünen.
Nadine Baumgartner