Darstellungen von der Christi Geburt haben mich fasziniert, seit ich mich erinnern kann. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass ich in einem Bergbauerndorf aufwuchs, wo alle Familien bescheiden lebten. Zu Weihnachten gab es praktische Geschenke: Eine Wollkappe, ein Paar Handschuhe, einen warmen Schal. Mutter erhielt ein einfaches Haushaltgerät. Wenn es mehr kostete, als Vater sich leisten konnte, galt das Geschenk auch noch für ihren Geburtstag im Mai. Diese Geschenke waren für mich nicht die Hauptsache an Weihnachten, sondern die Bethlehem-Krippe in unserer Stube. Die Figuren mussten so im Stall platziert bleiben, wie sie das Christkind am Heiligabend aufgestellt hatte. Doch, o Freude, hin und wieder durften wir Kinder unter Vaters Aufsicht den Josef oder die Hirten umstellen. Oder die Schafe anders verteilen, die Hirten nach vorne und die Könige nach hinten versetzen, dem Ochs und dem Esel Freilauf erlauben.

Himmlische Pracht

Eine weitere Freude für mich jeweils am 24. Dezember war, dass wir der Mitternachtsmesse in der Pfarrkirche beiwohnen durften. Sonst mussten wir immer früh ins Bett, damit wir uns am nächsten Tag zeitig erheben konnten, um vor der Schule noch dies und das im Haushalt zu erledigen. Mutter war krank, eine Haushalthilfe konnte Vater sich nicht leisten. Damals gab es keine Sozialdienste von der Gemeinde. Wenn wir Kinder also in der Heiligen Nacht die Kirche betraten, erblickten wir die riesige Krippe, jährlich vom Messmer in vielen Stunden aufgestellt und ausgeschmückt. Eine himmlische Pracht für uns Kinder. Erwachsene reklamierten zwar, er hätte etwas mehr Tannenzweige oder Wurzeln und Heu verwenden können. Für mich zählte das nicht, Hauptsache, der Siegrist hatte die Figuren und Bethlehems Umgebung vom Turmboden geholt.

 

Die Geschichte der Krippen

Früher, als wir noch nicht alles googeln konnten, war auch die Geschichte der Entstehung der Weihnachtskrippe einfach. Wir lasen im Lexikon unter dem entsprechenden Ausdruck: «Seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesene plastische Darstellung (Volkskunst) der Geburtsszene Christi im Stall zu Bethlehem».

Eigentlich reichte das; schliesslich kannten wir in unserem Land und in unserer Kultur von klein auf den Auszug aus dem Evangelium nach Lukas. Dort wird erzählt von Josef, der von der Stadt Nazareth in Galiläa in die Stadt Davids hinauf zog. Es handelte sich um die Stadt Bethlehem, denn Josef war aus dem Haus und dem Geschlecht Davids. Er musste sich zusammen mit seiner Verlobten Maria, die ein Kind erwartete, ins Steuerregister des römischen Reiches eintragen lassen.

Als sie dort waren, gebar Maria ihren Sohn. Weil kein Platz war in der Herberge, wickelte sie ihren Erst­geborenen in Windeln und legte ihn in eine Krippe. So fängt die Biblische Weihnachtsgeschichte an, die uns zu den Darstellern führt des Geschehens der Heiligen Nacht, also zur traditionellen Weihnachtskrippe.

 

Zeit des Abschieds

Die Weihnachtskrippe in der Pfarrkirche St. Gallus in Amden, meinem Geburtsort, ist weitherum bekannt. Die Faszination der Weihnachtskrippen hat mich vielleicht auch deshalb nie los gelassen; über 40 Jahre habe ich sie gesammelt. Früher gab es als Weihnachtsgeschenk etwas Praktisches; später etwas «Luxuriöses» in Form einer Krippe. Jetzt ist die Zeit gekommen, mich von meinen Schätzen zu trennen. Damit sie nicht eines Tages in der Mulde landen.