Die Fenaco und die Bauern – das ist eine Schicksalsgemeinschaft. Insbesondere, weil das Unternehmen mit Sitz in Bern den Landwirten Dünger, Futtermittel, Saatgut und Pestizide zu vernünftigen Preisen anbietet und gleichzeitig auch wieder Früchte, Getreide und Tiere zu vernünftigen Preisen abnimmt. Man könnte versucht sein zu sagen: Die Fenaco zieht den Bauern das Geld wieder aus dem Sack, dass sie ihnen gerade noch in Form von Produkterlösen ausbezahlt hat, ganz nach dem Motto: «Es ist einfacher von den Bauern zu leben, als vom Bauern.»
Allerdings greift diese Ansicht zu kurz, denn die Fenaco prägt erstens die Art und Weise, wie in der Schweiz Landwirtschaft betrieben wird, indirekt, aber entscheidend mit. Und zweitens ist die Fenaco längst nicht mehr nur die Genossenschaft aus den Gründungsjahren, die drei Millionen Franken umsetzt, sondern ein Konzern mit einem Jahresumsatz von über sechs Milliarden Franken. Damit
verbunden ist eine professionelle Geschäftsleitung mit entsprechenden Löhnen und vielen, in ihren Bereichen kompetenten Mitarbeitenden.
Die Prozesse im Hintergrund, die ganze Bürokratie und die Informatik der Fenaco sind dabei nicht besser oder schlechter als in anderen Grossunternehmen. Damit verbunden sind die Entscheidungsprozesse länger, manchmal etwas komplizierter. Da sich auch die Fenaco am «Markt» ausrichten muss, diskutiert sie mit ihren Lieferanten über Mindestliefermengen und Zahlungsfristen. Das gibt zuweilen Misstöne, aber letztlich wissen Bauern und Fenaco, dass sie nur wenige Alternativen zur Hand haben. Die Alternativen sind bis jetzt in der Regel mit mehr Aufwand verbunden und damit weniger attraktiv. Die Fenaco, das ist so etwas wie der sichere Hafen für die Bauern. Ein verlässlicher Partner.
Gleichzeitig pflegt das Unternehmen robuste Geschäftsmodelle und ein traditionelles, einfaches Wirtschaftsverständnis: Man bietet an, was die Kunden nachfragen, ohne Schnickschnack, ohne viel Marketing. Einfach und klar. Dass dabei Rasenmäher aus China neben Kartoffeln aus Bätterkinden BE und Billigwein aus Spanien feilgeboten werden, ist ein Kollateralschaden der konsequenten Kundenausrichtung: Es sieht nicht schön aus, ist aber einträglich.
Erstaunlich dabei ist, dass die Genossenschaft so weit kommen konnte, obwohl immer ein Landwirt an der Spitze der Verwaltung steht. Denn viele vergleichbare Betriebe tun sich schwer, die bäuerliche Basis zu integrieren. Sie schaffen den Spagat zwischen den Ansprüchen der Bauern (möglichst hoher Produktpreis) und den Abnehmern (möglichst günstige Konditionen) nur mit Mühe oder überhaupt nicht.
Die Fenaco ist anders: Jeder ist stolz auf seine Wurzeln, die bäuerliche Herkunft und die bäuerliche Basis. Selbst dort, wo Bauern ab und zu als Hindernis wahrgenommen werden – in den Lebensmittelverarbeitungsbetrieben oder im Fenaco-eigenen Detailhändler Volg – ist man im Herzen bei den Bauern.
Vielleicht ist es deshalb auch anders herum: Die bäuerliche Verwaltung ist das Feigenblatt für einen erfolgreichen und gut aufgestellten Konzern, der neben Rohstoffen von den Landwirten noch etwas anderes übernimmt: Identität. Und eine gute Portion gesunden Menschenverstand. Dabei sieht man der Genossenschaft sogar nach, dass sie zuerst sich selbst und die eigenen Pfründe sichert.
Hansjürg Jäger