Der Landwirtschaft wird vorgerechnet, dass sie mit einem Bruttoinlandproduktanteil von unter einem Prozent zum unbedeutenden Wirtschaftssektor wird. Diese Diskussion ist ein weiteres Zeichen für den Verlust der bäuerlichen Werte in unserer Gesellschaft.
Eine rein monetäre Betrachtung der Leistungen unserer Landwirtschaft wird ihrem effektiven Wert bei weitem nicht gerecht. Bauernbetriebe generieren der Branche Arbeitsplätze, sie sind tragende Stützen der lokalen Wirtschaft, der örtlichen Infrastruktur und des ländlichen Dorflebens. Auch öffentliche Leistungen wie die Landschaftsgestaltung und die Förderung der Biodiversität haben einen Wert, leider aber kein Preisschild.
Bauernarbeit bringt ausserdem viel Realitätssinn mit sich, ein Gefühl für Prioritäten und die Fähigkeit, nicht lange zu diskutieren, sondern zu handeln, wenn gehandelt werden muss. Ein Bauernhof bedeutet Druck und Ernst, aber auch zupacken, Verantwortung übernehmen und selbständig arbeiten. Der Landwirtschaftsbetrieb als Unternehmen verträgt keine Angst vor dem Machen - das wissen alle, die den Umgang mit einer Mistgabel von der Pike auf gelernt haben. Oder anders ausgedrückt, in der Landwirtschaft ist man näher am Leben als sonst irgendwo.
Gerade im Zeitalter von Individualisierung, Ökonomisierung und Globalisierung unseres Lebens wird es zunehmend wichtig, der Gesellschaft ein möglichst realitätsnahes Bild unserer Landwirtschaft zu vermitteln. Dieses Bild soll den Kern bäuerlicher Arbeit wieder ins Zentrum rücken und aufzeigen, wem die Gesellschaft die regionalen Lebensmittel und unsere Kulturlandschaft zu verdanken hat und welche Leistungen damit verbunden sind. Bäuerliche Leistungen haben nicht nur einen Preis, sondern einen gesellschaftlichen Wert – oder anders ausgedrückt, eine Mistgabel kann man für etwa 40 Franken kaufen, die professionelle und effektive Handhabung der Gabel ist aber ein Vielfaches davon wert.
Hansruedi Häfliger, der Autor ist Direktor des landwirtschaftlichen Zentrums Liebegg