Es ist eine Erfolgsmeldung, welche die Eierproduzenten verkünden können: 70 Prozent der ausgedienten Legehennen – rund 1,2 Mio. Hühner – konnten im letzten Jahr zu Charcuterie-Produkten verarbeitet oder als Suppenhühner vermarktet werden. Vor sieben Jahren betrug dieser Anteil tiefe 20 Prozent. Statt 80 Prozent wie 2010 landen aktuell noch 30 Prozent der Althennen in der Biogasanlage.
Dass wieder mehr ausgediente Hühner auf dem Teller landen, sei wichtig fürs Image der Branche, sagt Geflügelfachmann Willi Neuhauser. Er ist Präsident der Genossenschaft GalloCircle, die jährlich knapp 1,8 Mio. Hühner verwertet. Das sind über 90 Prozent aller Althennen, die von professionellen Eierproduktionsbetrieben gehalten werden, bzw. rund 70 Prozent sämtlicher Hühner in der Schweiz.
Produzenten nehmen Verwertung in die Hand
GalloCircle ist eine Selbsthilfeorganisation der Eierbranche. Gegründet wurde sie, als die beiden grössten Schlachtbetriebe der Schweiz – Bell und Micarna – angekündigt haben, per 2010 keine ausrangierten Legehennen mehr zu schlachten. Das stellte die Produzenten auf einen Schlag vor ein Problem. Neuhauser: "Wir mussten von da an selber schauen, was wir mit unseren Althennen machen."
Im Auftrag von GalloSuisse, dem Verband der Eierproduzenten, suchte eine Arbeitsgruppe nach Möglichkeiten für eine ethisch und wirtschaftlich vertretbare Verwertung der Althennen. Als erstes musste ein Schlachthof gefunden werden. Weil sich in der Schweiz keiner fand, suchte GalloCircle im Ausland. Fündig wurde man in Süddeutschland. Rund eine Stunde Fahrt von der Schweiz entfernt, in Ertingen, ist die Stauss Geflügel GmbH zu Hause. Diese schlachtet seither Schweizer Althennen, jedes Jahr ein bisschen mehr. Verkauft wird das Fleisch in der Schweiz. In den EU-Ländern kann man es wegen hoher Zölle nicht absetzen.
Gesucht waren aber auch neue Absatzkanäle und neue Produkte. Denn die Nachfrage nach Suppenhühnern - die klassische Verwertung ausrangierter Legehennen – reichte nicht aus, um alle Althennen als Lebensmittel zu verwerten. Denn Suppenhühner landeten in den letzten Jahrzehnten immer seltener auf den Tellern von Herr und Frau Schweizer. Die Zubereitung ist aufwendiger und zeitintensiver als diejenige von Pouletfleisch. Als alternative Lösung gelang es GalloCircle, Althennen vermehrt zu Charcuterie-Produkten zu verarbeiten. Mittlerweile wird etwas mehr als die Hälfte der Hühner zu Geflügelwurst und ähnlichen Produkten verarbeitet.
Anteil weiter erhöhen
Für Neuhauser sind die 1,2 Mio. Hühner, die gegenwärtig zu Lebensmitteln verarbeitet werden, nur ein Etappenziel. "Wir wollen den Anteil weiter erhöhen", sagt der Geflügelfachmann. Der Schlachtbetrieb Stauss habe die Kapazitäten erweitert, so dass in den Spitzenzeiten nach Ostern und Weihnachten mehr Hühner gemetzget werden könnten als bisher. Ein weiteres Ziel von Neuhauser ist: Er will erreichen, dass die Verwertung der Althennen eines Tages kostendeckend ist. Bis anhin ist sie für die Eierproduzenten ein Verlustgeschäft, egal, ob die Tiere geschlachtet, verbrannt oder in der Biogasanlage landen. «Wir sind auf gutem Weg, unser Ziel zu erreichen», so Neuhauser.
Wenn das Fleisch der Hühner ebenso beliebt wäre wie ihre Eier, die sie legen, wäre Neuhauser sämtliche Absatzprobleme auf einen Schlag los: "Wenn jede Familie in der Schweiz einmal im Jahr ein Suppenhuhn zubereiten würde, hätten wir zu wenige Suppenhühner in der Schweiz", gibt er zu bedenken. Das Fleisch sei gesund, schmackhaft und weise viele ungesättigte Fettesäuren auf, schwärmt Neuhauser.
Suppenhühner hat allerdings ein Imageproblem: Sie gelten vielen Leuten als zäh. Das komme von früher, als Hühner noch Eier legten, bis sie alt waren. Heutige Legehennen würden im Alter von nur gerade 18 Monaten geschlachtet, so Neuhauser. Bei genügend langer Kochzeit werde das Fleisch butterzart.
Michael Wahl, lid