Kaum wurde Paul Jungo 1977 Betriebsleiter der Landwirtschaftlichen Schule in Grangeneuve FR, ging der damalige Klauenpfleger in Pension. Der gelernte Meisterlandwirt beschloss, die Lücke selbst zu schliessen. Heute ist er ebenfalls im Ruhestand oder besser gesagt, im Unruhestand. Denn nach wie vor betreut er zwischen 10 bis 12 Bestände. Daneben ist er an der Ausbildung der jungen Klauenpfleger beteiligt, im Vorstand der Schweizer Klauenpfleger-Vereinigung (SKV) und seit drei Jahren ist er als Milchwäger unterwegs. «Ich habe ja jetzt Zeit», sagt der Freiburger erklärend.
Das richtige Material
dabeihaben
Vorbildlich steht neben dem Klauenstand alles parat. Paul Jungo erklärt, was es alles braucht. Vor allem das vorbereitete Dokument, in dem Kuh, allfällige Auffälligkeiten und Behandlung sowie das weitere Vorgehen vom Klauenpfleger festgehalten wird, ist für Jungo zentral. «Das wird an Wichtigkeit gewinnen», ist er überzeugt. Das Dokument hilft dem Betriebsleiter, die Übersicht zu behalten. Immer mit dabei ist der sogenannte Klauen-Check. Damit überprüft er den Winkel, die Länge und die Höhe der Klauen nach der Behandlung. Ebenfalls zur Ausrüstung gehört ein gut geschliffenes Klauenmesser, ein Winkelschleifer mit gutem Griff, eine Schutzbrille, Betadine, Klauensalben, ein F1-Stecker, Verbandsmaterial für die Kuh und für den Menschen («man weiss ja nie») und noch eine ganze Kiste mit Spezialsachen w.z.B. für das Aufkleben von Klötzen.
Den Klauen genug
Aufmerksamkeit schenken
Die Kuh steht bereits im Klauenstand und wartet geduldig auf die Pflege ihrer Klauen. Sie ist problemlos eingestiegen, denn es ist nicht ihre erste Klauenpflege. Der Klauenstand sollte an einem Ort mit rutschfestem Boden platziert sein. Ebenfalls wichtig ist, dass genügend Licht vorhanden ist. Die Tiere sollten wenn möglich auch sonst an dem Ort durchlaufen, damit sie den Boden bereits gewohnt sind. Per Hydraulik wird die Kuh in die Höhe gehoben. «Das ermöglicht mir eine bessere Arbeitsposition», erklärt Jungo, der selbst keinen Klauenstand besitzt. «Sonst wäre die Versuchung gross,
mehr Kühe zu klaunen», sagt er schmunzelnd. Die Vielfalt an den heutigen Klauenständen sei gross, alle hätten ihre Vor- und Nachteile. Die Gurte werden satt am Kuhbauch befestigt. Dann wird die rechte Fessel mit dem Band umwickelt und per Kurbel nach hinten gezogen und fixiert. Das findet die Red-Holstein-Kuh dann doch weniger toll und versucht, ihr Bein zurückzuziehen. Routiniert und ruhig redet Jungo auf die Kuh ein, die ihr Schick-
sal schliesslich zu akzeptieren scheint.
«Das Wichtigste an der Klauenpflege ist, dass man sich die Zeit dafür nimmt», ist Paul Jungo überzeugt. Man müsse sofort reagieren, wenn eine Kuh Zeichen von Lahmheit zeige. Später sei die Behandlung dann oftmals viel schwieriger. Jungo hat nichts dagegen, wenn die Bauern die Klauenpflege selbst machen, «sofern sie das notwendige Know-how haben und sich die Zeit dafür nehmen!» Heute sehe er oft, dass Bauern überlastet seien und man den Klauen zu wenig Aufmerksamkeit schenke, das räche sich dann später. Als grösstes Problem nennt Jungo mangelnde Hygiene. «Wenn die Tiere immer im Dreck stehen, nützt auch der beste Klauenpfleger nichts.» Wichtig bei der Klauenpflege sei es, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Die Nervosität springe sonst auf das Tier über.
Im Verlauf der Jahre hat sich die Arbeit des Klauenpflegers nicht stark gewandelt. Dennoch gibt es Veränderungen, z. . mit dem Aufkommen der Freilaufställe. Diese Kühe seien oftmals nervös, da sie die Fixation nicht mehr gewohnt seien. Heute zahlt ein Bauer zwischen 12 bis 15 Franken pro Kuh. Hilfreich ist es, wenn der Betriebsleiter für einen flüssigen Ablauf sorgt, d. h. keine lange Wartezeiten beim Auswechseln der Kühe entstehen.
Es gibt immer
einen Grund
Mit dem Klauenmesser kontrolliert Jungo die Klaue der jetzt ruhig stehenden Kuh. «Die Klaue klingt gesund», sagt der Fachmann. Dann setzt er sich die Schutzbrille auf und beginnt mit dem Winkelschleifer, die Klaue in Form zu bringen. Er beginnt mit der grösseren Aussenklaue, dann kommt die innere Klaue an die Reihe. Der Krach und die herumfliegenden Hornspäne scheinen weder den Klauenpfleger noch die Kuh zu stören.
«Man muss das Positive hinter der Klauenpflege sehen. Man hilft den Tieren», so Paul Jungo. Denn auch die beste Kuh im Stall nütze dem Betriebsleiter nichts, wenn sie keine gesunden Klauen habe. Betriebe, die immer wieder Schwierigkeiten mit der Klauenqualität haben, rät er, sich beraten zu lassen. «Ein guter Klauenpfleger hat das Ganze im Blick.» Es könne sich auszahlen, mit dem Betriebsleiter und eventuell weiteren Experten den Betrieb genauer anzuschauen. Wie
sehen die Triebwege aus? Wie der Stall? Wie wird gefüttert? Jungo betont, dass die Zusammenarbeit zwischen Klauenpfleger, dem Betriebsleiter und dem Bestandestierarzt massgebend für den Erfolg sind. Die Klauenqualität sei niemals einfach so schlecht. Es gebe immer einen Grund.
Genügend Rohfasern
füttern
Oftmals ist die Fütterung das Problem. Für eine gute Klauengesundheit sei die Fütterung von genügend Rohfasern elementar. Von Klauenpulvern hält Jungo wenig: «Sie lösen das Problem nicht. Das Grundfutter ist entscheidend.» Gerade bei Grossbetrieben mit Futtermischwagen erhöhe sich das Risiko, dass man den Überblick verliere. Aber auch die Triebwege seien oft in schlechtem Zustand. Das A und O sei aber die Hygiene. Kuhstand oder auch die Ausläufe müssten sauber sein. Vor allem bei den häufigsten Klauenkrankheiten wie der Ballenfäule oder Mortellaro sei die Hygiene massgebend. Jungo beobachtet zudem vermehrt, dass insbesondere Kühe mit zu wenig Weidegang mehr Probleme haben. «Das Gras putzt die Klauen und wäscht den Dreck aus», so Jungo. Er appelliert deshalb an die Betriebsleiter, den Kühen regelmässig Weidegang zu gewähren.
Der Winkelschleifer ist abgeschaltet, Jungo begutachtet die Klauen. Er nimmt den Klauen-Check und überprüft seine Arbeit. «Das mache ich regelmässig», sagt der Experte. Damit schule er sozusagen sein Augenmass. Er ist zufrieden. Ein Viertel wäre geschafft, weiter gehts mit der nächsten Klaue.
Julia Schwery